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Oranje-Fan überlebt 25 Minuten ohne Liveticker

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Rudi van der Gojen nimmt in Zukunft die Treppe und wechselt von Sunrise zu Swisscom.
Rudi van der Gojen nimmt in Zukunft die Treppe und wechselt von Sunrise zu Swisscom.Bild: shutterstock

Oranje-Fan überlebt 25 Minuten ohne Liveticker

24.06.2014, 10:2125.06.2014, 11:18
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Zürich (den) – «Es waren die schlimmsten Minuten meines Lebens», sagt ein noch sichtlich mitgenommener Rudi van der Gojen. Der Holland-Fan war am Montag während des Spiels Niederlande gegen Chile für 25 Minuten in einem Fahrstuhl gefangen. «Ich hatte Bereitschaftsdienst», erzählt der 38-jährige Informatiker. «Mit einigen Kollegen verfolgte ich den Match. Irgendwann ging uns das Bier aus, ich bot an im Erdgeschoss neues zu holen. Um möglichst schnell die fünf Stockwerke zurückzulegen, habe ich den Lift genommen.» Ein fataler Fehler, wie sich im Nachhinein erweist. 

Denn van der Gojen bleibt im Lift stecken und zwar zwischen dem ersten und zweiten Stock, genau da, wo kein Handyempfang besteht. «Ich habe im Lift sofort den Alarmknopf gedrückt, aber den hat die Verwaltung deaktivieren lassen, weil unsere Sekretärin mit ihrem dicken Hintern schon unzählige Male dagegen geprallt ist. Mit dem Handy konnte ich niemanden kontaktieren, also blieb mir nichts anderes übrig, als auf die Lifttüren einzuschlagen und zu schreien.» Doch van der Gojens Schreie bleiben ungehört. Und es kommt noch schlimmer. «Der Liveticker auf dem Handy funktionierte wegen der dicken Mauern nicht. Ich war völlig orientierungslos, was den Spielstand betraf. In dem Moment war ich nicht sicher, ob ich diese Episode überleben würde.» 

Im Erdgeschoss wäre genug Bier vorhanden gewesen. Wasser auch, in der Form von Coors Light.
Im Erdgeschoss wäre genug Bier vorhanden gewesen. Wasser auch, in der Form von Coors Light.Bild: KEYSTONE

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Lebenswille und Alkoholpegel auf Tiefpunkt

Rudi van der Gojen hat jedoch Glück im Unglück. Seinen Bürokollegen fällt nach zwanzig Minuten auf, dass noch immer kein frisches Bier im Kühlschrank steht. «Mir war schnell bewusst, dass etwas Schreckliches geschehen ist», sagt van der Gojens Vorgesetzter Erwin Müller. «Die Kollegen witzelten zwar, der Goudafresser habe sich bestimmt verlaufen oder sei zur Tanke gefahren, um unser Quöllfrisch gegen Heineken umzutauschen, aber mir war klar, dass irgendwas nicht stimmte.» Müller macht sich auf die Suche nach seinem Angestellten. 

«Im zweiten Stock habe ich ihn dann schreien gehört.» Van der Gojen sei komplett in Panik verfallen. «Er schrie, dass sein Leben ohne den aktuellen Spielstand keinen Sinn mehr mache. Erst als ich ihm mitteilte, dass es nach wie vor 0 zu 0 steht, beruhigte er sich ein wenig.» Müller verständigt in der Folge den Aufzugstechniker. «Der meinte jedoch, er komme erst, wenn das Spiel vorbei sei. Ich wusste, dass wir nicht so viel Zeit haben, denn ich konnte hören, wie Rudi bereits langsam nüchtern wurde. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich, es geht um Leben und Tod.»   

Strohhalm aus Staubsaugerrohren

Was darauf folgt, klingt wie der Inhalt einer MacGyver-Episode. Um seinen Angestellten zu retten, rennt Erwin Müller ins Erdgeschoss und holt mehrere Flaschen Bier sowie zwei Staubsauger. «Ich wusste, dass Rudis Alkoholpegel bereits bedrohlich tief gesunken war. Er lallte nicht mehr und reagierte nicht auf mein ‹Orange trägt nur die Müllabfuhr›. Aus zwei Staubsaugerrohren und einem Schwamm habe ich eine Art gigantischer Strohhalm gebastelt.»

Als in der 78. Minute endlich das langersehnte 1:0 für Holland fällt, kommt van der Gojen wieder zu Kräften. Gemeinsam schaffen es er und sein Chef, die Lifttüre einige Zentimeter aufzustemmen und die Staubsaugerrohre einzuführen. Durch diese kippt Müller zwei Flaschen Heineken. «Ich konnte hören, wie Rudi jeden Tropfen gierig aufsaugte.» Mit Hilfe von zwei Schuhbändeln, den Staubsaugerrohren sowie einem Flaschendeckel gelingt es Müller, seinen Angestellten aus dem Fahrstuhlschacht zu ziehen. Und zwar noch, bevor in der 90. Minute das zweite Tor für Holland fällt.   

Sachschaden beträgt 12'000 Franken

Obwohl die Geschichte schlussendlich glimpflich ausgegangen ist, van der Gojen hat seine Lektion gelernt. «In Zukunft werde ich die Treppe nehmen. Ausserdem wechsle ich meinen Telefonanbieter. Mit Swisscom hätte der Liveticker funktioniert», ist der Holländer überzeugt. Der 38-Jährige ist für die nächsten zwei Wochen aufgrund des erlittenen Stresses krankgeschrieben. «So eine Nahtoderfahrung wie 25 Minuten ohne Bier und Fussball nimmt einen stärker mit, als es manch einer vermuten würde.» 

«Sobald ich wieder im Büro bin, werde ich eine grosse Party für meinen Retter veranstalten. Wir müssen uns eigentlich nur noch darüber klar werden, wer die Rechnung von 12'000 Franken für den beschädigten Fahrstuhl übernimmt, dann ist die Episode für mich abgeschlossen.»

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Hart recherchierte Fakten, fundierte Kritik und realistische Analysen? Die gibt es anderswo. Chefredaktor Buzz Orgler und sein Praktikant Pavel Kulicka decken auf, was keiner wissen will. Ob Berichte über einen Schwangerschaftstest fürs iPhone oder mit Zwiebeln verunreinigte Kebabs, die beiden gescheiterten Journalisten sind sich für keine satirische Schlagzeile zu schade. Und schneller als die Wahrheit sind sie noch dazu. 



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Alles Scheisse! Voilà, meine Hasstirade!
Es wird Frühling und alles ist schön und blüht und alle sind happy und das Leben ist supi, bla bla bla. Ich seh's anders. Ich find grad fast alles Scheisse.

Heute Morgen war's eine Horde KV-Schüler:innen, die mich noch vor 8 Uhr zur Weissglut getrieben haben. Sie haben im Tram gekifft. Natürlich habe ich vor 20 Jahren auch im Tram gekifft und fand's ultra bünzlig, wenn sich Bünzlis darüber aufregten.

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