Vor drei Wochen sassen meine Freundin Lea, mein Kumpel Tschügge und ich in der mexikanischen Stadt Oaxaca in einem Café und planten topmotiviert die nächsten Reisewochen. Doch was wir auf der Website des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) über Guatemala lasen, dämpfte unsere Vorfreude:
Als ob das nicht reichen würde, um in unseren Mägen ein mulmiges Gefühl auszulösen, widmet das EDA dem Grenzgebiet zwischen Mexiko und Guatemala – unserem unmittelbar bevorstehenden Reiseziel – einen zusätzlichen Abschnitt:
Nach dieser Lektüre war die Stimmung im Eimer. Lea und Tschügge unterstützen zwar meinen Traum, per Autostopp um die Welt zu reisen, Leib und Leben wollen sie dafür aber nicht riskieren – und ich auch nicht!
Den Kopf vorschnell in den Sand zu stecken, kam für uns aber trotzdem nicht in Frage. Denn erstens waren die Reisehinweise des EDA auch für andere Länder, die wir bereits bereist haben, wenig erbaulich – nicht zuletzt jene für Mexiko. Und zweitens fanden wir im Internet zahlreiche Berichte von Guatemala-Reisenden, die in dem 15-Millionen-Einwohner-Land eine wunderbare Zeit hatten. Einige davon waren gar ebenfalls per Anhalter unterwegs.
Wir entschieden uns deshalb, in den Südosten Mexikos zu reisen und die Einheimischen vor Ort nach der Sicherheitslage zu fragen. Und da uns weder unsere Fahrer, noch Barbekanntschaften, noch die Rezeptionistin im Hotel von einer Grenzüberquerung abrieten, setzten wir unsere Reise wie geplant fort – zum Glück.
Die Grenzüberquerung verläuft problemlos. In Dörfern, in die sich kaum Touristen verirren, schenkt uns fast jeder ein Lächeln gepaart mit einem freundlichen „¡Hola!“. Ein Fahrer lädt uns in sein Restaurant zu Kaffee und Kuchen ein, der nächste kauft jedem von uns einen Loli und als wir am Strassenrand sitzen, übergibt uns eine Maya-Familie einen selbstgemachten Bohnenkuchen. Beim Heimspiel des FC Coban Imperial ist die Stimmung zudem so gemütlich wie bei einem Match des FC Aaraus oder des FC Winterthurs – inklusive Wurst und Bier.
Einzig in der Kolonialstadt Flores sowie in Panajachel am Atitlan-See erleben wir Enttäuschungen: Es hat so viele ausländische Touristen, dass die Orte mit dem Rest Guatemalas nicht mehr viel zu tun haben. Solche Touristenmassen haben wir angesichts der EDA-Hinweise nicht erwartet. Unsicher fühlen wir uns an diesen touristischen Hotspots aber erst recht nicht.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich will damit nicht sagen, dass die Warnhinweise des EDA ungerechtfertigt sind und wir es besser wissen. Die Behörden haben mit Sicherheit ihre Gründe für die mahnenden Worte. Selbst einige Guatemalteken warnen uns vor den «gente mala» («schlechten Menschen») in ihrem Land. All das sollte aber niemanden davon abhalten, sich selbst ein Bild zu machen. Denn solche Warnungen bedeuten nicht, dass eine (Autostopp-)Reise durch Guatemala – oder andere Länder Lateinamerikas – per se eine schlechte Idee ist.
Auch in Ländern mit einer hohen Kriminalitätsrate sind die allermeisten Menschen rechtschaffen, freundlich und oft extrem herzlich. Sie streben einfach nur danach, mit Freunden und Familie eine gute Zeit zu haben. Diese Menschen werden in den EDA-Reisehinweisen leider nicht erwähnt. Doch um sie kennenzulernen, lohnt es sich, auch Gebiete zu bereisen, die keinen perfekten Leumund haben.
Zu diesen Worten stehe ich auch, falls wir morgen ausgeraubt werden sollten.
Weiterhin eine sichere Fahrt, wünsche ich.