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Per Autostopp um die Welt

Wie alles begann – zurück am Geburtsort meines Autostopp-Traums

08.10.2016, 15:5908.10.2016, 16:29
Thomas Schlittler
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Ich habe einen grauen Kapuzenpulli, der mich hier in Kanada sofort als Tourist outet: Wenn meine Fahrer das Wort «Jasper» auf meiner Brust lesen, wissen sie, dass ich meinen Hoodie in einem Souvenirshop im gleichnamigen Nationalpark gekauft habe.

Was sie jedoch nicht wissen: Der Pullover ist bereits seit Sommer 2008 in meinem Besitz. Damals, im Alter von 19 Jahren, packte ich das erste Mal meinen Rucksack, um zweieinhalb Monate lang durch den Westen Kanadas zu trampen.

Auszug aus einem alten Fotoalbum: 2008 trampte ich schon einmal durch den Westen Kanadas.
Auszug aus einem alten Fotoalbum: 2008 trampte ich schon einmal durch den Westen Kanadas.Foto: Thomas Schlittler
Weil es vor acht Jahren kälter war, als ich erwartet hatte, kauft ich mir im Jasper-Nationalpark einen Kapuzenpulli.
Weil es vor acht Jahren kälter war, als ich erwartet hatte, kauft ich mir im Jasper-Nationalpark einen Kapuzenpulli.Foto: Thomas Schlittler
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Den Jasper-Pulli habe ich noch immer. Er darf nirgends fehlen. Auch nicht auf hoher See.Foto: Thomas Schlittler

Wieso es mich vor acht Jahren nach Kanada zog, weiss ich nicht mehr so genau. Vermutlich wollte ich für meine erste grössere Reise in ein Land, in dem ich mit den Einheimischen reden konnte.

Ein Traum wird geboren

Ich weiss auch nicht, wie ich damals auf die Idee kam, per Autostopp herumzureisen. Ein besonders alternativer Typ war ich eigentlich nie. Wahrscheinlich waren es finanzielle Gründe, die mich an den Strassenrand trieben. Nach KV-Lehre und Berufsmatura war das Reisebudget knapp.

Eines weiss ich aber noch ganz genau: Der Traum, eines Tages mit dem Daumen um die ganze Welt zu reisen, ist beim Autostöppeln in Kanada geboren.

Vor allem die wundervollen Bekanntschaften, die ich 2008 in der sogenannten Kootenay-Region machen durfte, versetzten mich nachhaltig ins Reise- und Autostopp-Fieber. Denn in den Kootenays, rund um das Hippie-Städtchen Nelson gelegen, fand ich vor acht Jahren jeweils nicht nur ausserordentlich schnell eine Mitfahrgelegenheit, sondern ich wurde auch fast jeden Tag von einem meiner Fahrer zum Übernachten eingeladen.

Alte Freunde 

In besonders guter Erinnerung geblieben ist mir Bruno. Der damals Mittzwanziger, dessen Eltern vor seiner Geburt vom Toggenburg nach Kanada ausgewandert sind, hat mich von Calgary in die Kootenay-Stadt Fernie kutschiert. Ein paar Tage später – und mehrere hundert Kilometer weiter westlich – sehe ich Bruno dann zufällig wieder, als ich in Nelson in einem Pub sitze. Ich verbringe mit ihm und seiner Freundin Tessa einen feuchtfröhlichen Abend und darf bei den beiden übernachten.

2008 bei Bruno und Tessa zu Hause.
2008 bei Bruno und Tessa zu Hause.Foto: Thomas Schlittler

Unvergessen sind auch die Tage mit der Familie Armstrong: Mutter Bette und Tochter Joanna retten mich zuerst vor einem Platzregen und gewähren mir dann auf ihrem privaten Campingplatz mitten im Wald Asyl – Kanu fahren und fischen inklusive.

Die Familie Armstrong nimmt mich 2008 auf ihrem privaten Campingplatz mitten im Wald auf.
Die Familie Armstrong nimmt mich 2008 auf ihrem privaten Campingplatz mitten im Wald auf.Foto: Thomas Schlittler

Mit diesen wundervollen Erinnerungen im Kopf bin ich diese Woche in die Kootenays zurückgekehrt. Meine Erwartungen waren hoch – und wurden übertroffen!

Wie vor acht Jahren haben mir auch diese Woche wildfremde Menschen einen Platz zum Schlafen angeboten. Und wie vor acht Jahren waren auch diese Woche Menschen mit Schweizer Wurzeln unter meinen grosszügigen Gastgebern. Und wie Bruno vor acht Jahren treffe ich die Familie Bieri in einem Pub in Nelson. Der einzige Unterschied ist, dass Brunos Familie ursprünglich aus dem Toggenburg stammt, die Bieris dagegen aus Luzern.

Vreny (2.v.r) und Ruedi Bieri (2.v.l.) sind vor über 20 Jahren von Luzern nach Kanada ausgewandert. Sie sind in Nelson zu Besuch bei ihrer Tochter (3.v.r.).
Vreny (2.v.r) und Ruedi Bieri (2.v.l.) sind vor über 20 Jahren von Luzern nach Kanada ausgewandert. Sie sind in Nelson zu Besuch bei ihrer Tochter (3.v.r.).Foto: Thomas Schlittler

Obwohl die Ost- der Innerschweiz natürlich vorzuziehen ist – ich bin Thurgauer –, war mein zweiter Kootenay-Besuch insgesamt noch besser als der erste. Der Grund: Dieses Mal habe ich nicht nur neue Bekanntschaften geschlossen, sondern ich konnte auch alte Freunde besuchen. Sowohl mit der Familie Armstrong als auch mit Bruno und Tessa bin ich sofort wieder auf einer Wellenlänge. Dass wir in den acht Jahren seit meinem letzten Kanada-Aufenthalt kaum Kontakt hatten, spielt keine Rolle.

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Tessa und Bruno leben mittlerweile zwar in der Nähe von Edmonton. Für mich sind sie aber nach wie vor Kootenays.Foto: Thomas Schlittler
Die Familie Armstrong besuche ich dieses Mal nicht auf ihrem Campingplatz, sondern in ihrem Zuhause in Castlegar.
Die Familie Armstrong besuche ich dieses Mal nicht auf ihrem Campingplatz, sondern in ihrem Zuhause in Castlegar.Foto: Thomas Schlittler

Ich freue mich jetzt schon auf meinen nächsten Besuch in den Kootenays. Schliesslich kenne ich jetzt wieder ein paar tolle Menschen mehr, die ich besuchen kann. Bis es soweit ist, hoffe ich, dass die Kootenay-Bewohner ihre aussergewöhnliche Gastfreundschaft beibehalten – und dass ich auch dann noch in meinen Jasper-Pullover hineinpasse.

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Patrick Toggweiler
10.10.2016 08:31team watson
Thomas. Das wollte ich schon ein paar Mal sagen: Du machst einiges richtig!
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Luca Brasi
08.10.2016 19:01registriert November 2015
Dankeschön für den Artikel. So hat es also angefangen. ;)
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Cupsieger Maxi
08.10.2016 17:17registriert Dezember 2014
Obwohl die Ost- der Innerschweiz natürlich vorzuziehen ist 💣🔫
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