
Demonstration radikaler Muslime bei einer Exekution in Mumtaz Quadri, Pakistan.
Bild: keystone
Sektenblog
Zwei Schüler von Therwil geben ihrer Lehrerin aus religiösen, sozialpolitischen und sexistischen Gründen die Hand nicht. Und weil der radikale Islam sexualfeindlich ist.
08.04.2016, 06:3408.04.2016, 10:27

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In dieser Woche machten die Hände von zwei Oberschülern in
Therwil BL flächendeckend und über die Schweiz hinaus Schlagzeilen. Die beiden sind Brüder und stammen aus
einer islamischen Familie, die aus Syrien in die Schweiz emigriert ist.
Als
Muslime weigern sie sich, ihrer Lehrerin die Hand zu geben. Aus Glaubensgründen. Wenn es im Zusammenleben von uns Menschen ganz
schräg wird, spielen meist religiöse Aspekte eine wichtige Rolle.
So ist
offensichtlich die Hand der Lehrerin – oder sie selbst – unrein und nicht
würdig, berührt zu werden. Oder liegt es vielleicht am Frauenbild, das der radikale Islam vertritt? Oder gar an der prüden Sexualmoral in den rückständigen
islamischen und arabischen Ländern?
Auch Mohamed gab den Frauen die Hand nicht
Wie so oft im Leben gibt es nicht eine einfache und eindeutige
Antwort. Die Ursachen und Gründe sind meist komplex. Die Religion spielt aber zweifellos eine wichtige Rolle, dass es
zum Eklat von Therwil kam.
Mohamed lebte vor 1400 Jahren, sein Weltbild ist nur in groben Zügen bekannt. Er konnte weder schreiben noch lesen und die Offenbarungen von Allah nicht selbst aufschreiben.
Die Schüler berufen sich auf Mohamed. Der Prophet soll, so die Überlieferung, den Frauen nicht
die Hand gegeben, sondern diese auf der Höhe des Herzens an die Brust gelegt
haben. Wie es manche Sportler beim Erklingen der Nationalhymne heute tun.
Dies
sei eine Respektsbezeugung gewesen, erklären fortschrittliche Muslime und
Koran-Exegeten.
Radikale Muslime interpretieren den Koran hingegen frauenfeindlich. Deshalb wollen sie aus religiösen Gründen keine fremde Frauenhand berühren. Sie eifern Mohamed nach und wollen so leben wie einst ihr Prophet. Dies ist auch der Grund, weshalb sie sich füllige Bärte wachsen lassen und lange Gewänder tragen.
Doch was wissen wir eigentlich von Mohamed und wie er es mit den Frauen hatte? Er lebte vor 1400 Jahren, sein Weltbild ist nur in groben Zügen bekannt. Er konnte weder schreiben noch lesen und die Offenbarungen von Allah nicht selbst aufschreiben.
Wir wissen auch nicht, ob die Eingebungen, die zum Koran
führten, Einbildungen waren. Sicher ist aber, dass im Koran nirgends steht, Männer
dürften Frauen die Hand nicht geben. Unklar ist auch, aus welchen Gründen Mohamed seine Hand aufs Herz legte und den Frauen die Hand nicht reichte.
Radikale praktizieren auch die Steinigung
Wie unsinnig eine fundamentalistische Auslegung des Korans ist, macht die Steinigung von Frauen deutlich. Sie war in der Antike und im frühen Mittelalter allgemein üblich. Sie heute noch zu rechtfertigen und auszuführen, ist eine barbarische Art zu morden und kann nicht religiös legitimiert werden. Auch nicht im Namen
von Mohamed oder Allah. Trotzdem praktizieren es radikale Muslime. Aus einem religiösen Übereifer heraus.

Eine angebliche Sünderin wird in Indonesien ausgepeitscht.
Bild: keystone
Einen solchen Irrsinn können nur Köpfe
aushecken, die glaubensmässig gehirngewaschen sind. Diese barbarische Strafe kann man aber nur bedingt dem Koran anlasten. Schliesslich wurde sie auch in der christlichen Welt praktiziert.
Weite Teile der islamischen Welt haben es verpasst, den Frauen die Würde zu verleihen und den Respekt zu geben, die heute selbstverständlich sein sollten. Deshalb sind für viele Muslime weibliche Wesen heute noch «unrein» und nicht würdig für einen Händedruck.
Die Unterdrückung der Frau kann nur überwunden werden, wenn sich islamische Gesellschaften säkularisieren und den Koran modern interpretieren.
Die fundamentalistische
Auslegung des Korans hat etwas Sektenhaftes. Die Unterdrückung der Frau kann nur überwunden werden, wenn sich islamische und
arabische Gesellschaften säkularisieren und den Koran modern und empathisch interpretieren.
Kopftuch war weg – und jetzt ist es wieder da
Zwar erlebten viele islamische Gesellschaften Ende des letzten Jahrhunderts eine sanfte Öffnung, doch fanatische Muslime schafften es in jüngster Zeit, das Rad der Zeit zurückzudrehen und mit repressiven Mitteln islamische Gemeinschaften in mehreren Staaten in den Würgegriff zu nehmen.
Ausdruck
davon ist das Kopftuch, das vom Strassenbild vieler Länder weitgehend verschwunden
war, heute aber wieder zum Alltag gehört. Der Versuch des «IS», ein Kalifat zu
errichten, ist ein selbstzerstörerischer Ausdruck dieser fundamentalistischen Tendenz.
Auch gemässigte Muslime müssen sich vermehrt dem Diktat der religiösen Eiferer unterwerfen. Wer Widerstand leistet oder für die geistige Freiheit kämpft, muss mit Repressionen rechnen, die bis zur Hinrichtung reichen können. Die Fanatiker bestimmen auch das Frauenbild in ihren Gesellschaften, und sie unterdrücken die Sexualität radikal.
Frauen vor den Blicken der Menschen schützen
Die repressive Sexualmoral führt dazu, dass die Ehemänner ihre Frauen und Töchter vor den lüsternen
Blicken der Männer schützen wollen. Mit einem Ganzkörper-«Vorhang», einem
Schleier oder einem Kopftuch. Das führt oft zu einem Zwangsverhalten bei den
Männern und zu sexuellen Übergriffen.
Es gibt mehrere Motive, weshalb radikale Muslime den Frauen die Hand verweigern. Religiöse, sexistische und sozialpolitische. Frauenverachtend sind sie alle.
Da kann allein schon die Berührung einer
Frauenhand die sexuelle Phantasie eines strenggläubigen Muslims anregen. Also verbieten die
religiösen Eiferer kurzerhand auch das Händeschütteln, wie die Lehrerin von Therwil erfahren musste.
Es gibt also mehrere Motive, weshalb radikale Muslime den Frauen die Hand verweigern. Religiöse, sexistische und sozialpolitische. Frauenverachtend sind sie alle.
Oder anders herum: Am Anfang war der Glaube, dann die unsinnige Interpretation
der Schrift, schliesslich der Fanatismus und damit verbunden die Unterdrückung der Frau. Schöne neue Glaubenswelt.
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig:
Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem
Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei. Neu befasst er sich mit dem Thema wöchentlich auf watson.
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