Die USA präsentieren sich dem Rest der Welt gern als Musterdemokratie mit unbegrenzten Möglichkeiten. Doch kratzt man an der glitzernden Fassade, ist der Lack rasch ab. Durchleuchtet man das politische Konzept oder die religiöse Landschaft, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus.
In diesem Blog geht es zwar primär um Glaubensfragen, doch ein kurzer Seitenblick auf das Politsystem verdeutlicht, wie die USA auch in Religionsfragen ticken. Erstens ist das Wahlsystem antiquiert und einer Demokratie nicht würdig. Zweitens sind die Bundesrichter auf Lebzeiten gewählt – ein Unding erster Güte. Und drittens kommt ihnen eine immense politische Macht zu, wie die bevorstehende Wahl von Brett Kavanaugh zeigt.
Die Trennung von Exekutive und Judikative wird also nicht konsequent eingehalten. Das sind autoritäre Aspekte, die den Personenkult fördern.
Damit kommen wir zum religiösen Aspekt. Zwar legt die USA viel Wert auf die Religionsfreiheit und kennt eine strikte Trennung von Religion und Politik – was vorbildlich ist – doch im politischen Alltag spielt der Glaube trotzdem eine wichtige Rolle. Die Macht der Tausenden Freikirchen ist enorm, und die Pastoren und Prediger nutzen diese, wann immer sich eine Möglichkeit bietet.
Ihre Muskeln lassen sie vor allem bei den Präsidentschafts-Wahlen spielen. Ein Kandidat hat kaum eine Chance, wenn er kein religiöses Bekenntnis abgibt. Oder wenn er sich zumindest nicht bei den Frommen einschmeichelt oder anbiedert.
So überrascht es nicht, dass die USA eine auffällige Sektendichte aufweisen. In keinem anderen Land agieren so viele sektenhafte oder problematische Gemeinschaften. Beispielhaft ist Scientology, das vom Sektenführer Ron Hubbard gegründet wurde.
Bezeichnend ist, dass viele Amerikaner Scientology als eine Kirche unter vielen betrachten. Dazu passt auch, dass scientologische Promis wie Tom Cruise, John Travolta und Co. kaum einen Imageverlust erleiden.
Aber auch viele esoterische und spirituelle Gruppen mit umstrittenen Heilsvorstellungen strahlen von Amerika aus in die westliche Welt – wie zum Beispiel die Ramtha‘s School of Enlightenment.
Auch in Sachen Sektendramen nehmen die USA eine Leaderposition ein. Die tragische und unrühmliche Rangliste führt der christliche Pastor Jim Jones an, der 1978 über 900 seiner Gläubigen in den Selbstmord trieb oder umbringen liess.
Unvergessen ist auch der kollektive Suizid von 39 Anhängern des Gurus Marshall Applewhite von der Ufo-Sekte Heaven’s Gate. Als der Komet Hale Bopp 1997 unweit der Erde auftauchte, brachten sich die Anhänger um, um ihre Seelen mit einem Raumschiff angeblich zum rettenden Kometen zu bringen.
Anfang 1993 hielten die Anhänger des christlichen Pastors David Koresh die Welt in Atem, die sich in einer Siedlung unweit der texanischen Stadt Waco verschanzt hatten und sich mit einem Waffenarsenal verteidigten. Das FBI umstellte ihr Versteck mit Panzern – es begann ein Nervenkrieg, der 51 Tage lang dauerte. Am 19. April verbrannten oder erstickten 76 Anhänger in einem Massensuizid.
Sektenphänomene gehören in den USA zum Alltag und werden in der Gesellschaft kaum als Problem wahrgenommen. Das zeigte sich auch bei der Wahl von Donald Trump.
Die Amerikaner wählten einen Guru, der sich als allmächtiger, unfehlbarer und uneinsichtiger Heilsbringer gebärdet und versteht.