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Angst vor dem Tod? Warum, wenn doch das Paradies wartet?

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Zurück ins Paradies zu Adam und Eva.Bild: keystone
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Warum hast du Angst vor dem Tod, wenn doch das Paradies wartet?

Wir klammern uns ans Leben, als sei mit dem Tod alles vorbei.
11.02.2017, 09:0917.09.2019, 15:18
Hugo Stamm
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Das Kerngeschäft der Religionen und spirituellen Bewegungen sind Lebensinhalt, Sinnfragen und transzendentale Phänomene. Glaubensgemeinschaften leben von der Sehnsucht der Menschen, dass das Leben nicht sinnlos sein möge und nach dem Tod eine Fortsetzung finde – in welcher Form auch immer.

Man kann also die Aussage wagen: Am Anfang war nicht das Wort, sondern die Angst. Die Angst vor dem Leiden, die Angst vor der Zukunft. Oder vor der narzisstischen Kränkung, dass nach einem Unfall oder einer Krankheit mit einem Schlag alles vorbei ist, es uns dann nicht mehr gibt und wir rasch in Vergessenheit geraten.

«Ich will nicht ins Paradies»

Die Toten Hosen besingen das Paradies – auf ihre Weise.Video: YouTube/Guerilla TV

Diese Vorstellung schmerzt. Die Bibel spricht vom Jammertal. Religionen und Glaubensgemeinschaften bieten in dieser ausweglosen Situationen Trost. Ausnahmslos alle. Dies ist ihr zweites Kerngeschäft.

Dieser Trost ist eng verknüpft mit dem Versprechen auf eine (vermeintliche) Lösung. Keine Angst, lieber Erdenbürger, verkündigen sie, auf das Jammertal folgt das Paradies. Du musst nur glauben, beten, hoffen und dich nicht versündigen – und alles wird gut.

Du musst nur glauben, beten, hoffen und dich nicht versündigen – und alles wird gut. Wirklich?

Zwar nicht mehr in diesem Leben, sondern nach dem Tod. Die Christen glauben es, die Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus – wenn auch in einer speziellen Form –, die Esoteriker und alle Sekten sowieso. Das Versprechen und die Hoffnung auf ein (besseres) Leben nach dem Tod gehört zum Businessplan der Glaubensgemeinschaften.

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Die Gläubigen klammern sich daran, doch ihre Überzeugung scheint nicht wirklich gross zu sein, wie sich auch ihr Verhalten im Jammertal zeigt.

Unbändige Sehnsucht nach dem Paradies?

Konkret: Eigentlich müssten wir eine unbändige Sehnsucht nach dem Jenseits und dem Paradies haben. Endlich keine Existenznöte mehr, keine Schmerzen, kein Leid. Also raus aus dem Jammertal, nichts wie hin ins Jenseits und ab ins Paradies. Was sind da schon ein paar zusätzliche Jahre im Diesseits, wenn eine glanzvolle Ewigkeit im Jenseits wartet?

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wir klammern uns mit aller Macht ans diesseitige Leben. Wir haben Angst vor Krankheiten, nehmen bei Krebs unglaubliche Strapazen in Kauf in der Hoffnung, noch ein paar zusätzliche Lebensjahre zu gewinnen. Und bei Unfällen mobilisieren wir übermenschliche Kräfte, um nicht schon ins Paradies abdampfen zu müssen.

Wir verhalten uns so, als würden wir den Religionen misstrauen

Es macht ganz den Eindruck, als würden wir den Religionen misstrauen. Als würden wir bezweifeln, dass es ein Leben nach dem Tod oder das Paradies gibt. Da vertrauen wir doch lieber auf das, was wir auf sicher haben, nämlich dieses oft mühsame diesseitige Leben. Ganz nach dem Motto: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.

Dies ist eigentlich eine Bankrotterklärung für alle Religionen mit ihrem liebenden Gott, der uns (angeblich) nach dem Tod im Himmel empfängt.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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173 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Stichelei
11.02.2017 10:00registriert Oktober 2015
Das Perverseste an der ganzen Leben-Tod Thematik ist, dass gerade die Religionen vehement dagegen sind, dass dieser Übergang möglichst friedlich, bewusst und ohne Schmerzen vonstatten geht. Sie gestatten den Menschen nicht, sich von einer unheilbaren, schmerzhaften Krankheit erlösen zu lassen, sondern pochen darauf, der Mensch habe zu warten und zu leiden, bis der jeweilige Gott das Bett im Paradies gerichtet hat. Ansonsten winkt nicht das Paradies sondern es wartet die ewige Verdammnis. Wirklich menschenverachtend!
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Blitzmagnet
11.02.2017 09:32registriert Juni 2015
Ich habe keine Angst vor dem Tod. Dann ist es halt vorbei.
Aber davor, unter Schmerzen und Qualen zu sterben! Haben alle mit denen ich gesprochen habe Angst. Ein schneller schmerzloser Tod ist nunmal nicht selbstverständlich.
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Binni23
11.02.2017 14:31registriert August 2016
Meinen christlichen Glauben lebe ich im Jetzt und lasse mich nicht vertrösten auf ein Danach. Ich möchte durch meinen christlichen Glauben etwas in dieser Welt bewirken damit es uns als Gesellschaft gut bis besser geht. Für mich gibt die Kirche keinen "Buisnessplan" fürs Paradies aus. Und ja: ich klammere mich auch ans Leben, weil ich an den Menschen und an mein schönes Leben hier hänge. Das schliesst für mich nicht aus, dass ich an ein Leben "danach" glaube.
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Eine sehr unschöne Geschichte, die 1 Furz beinhaltet
Ich würde es gerne abstreiten, aber ich kann nicht. Hie und da muss ich furzen. So auch neulich beim Restaurantbesuch mit Sandros Familie. Warum das schlimmer als schlimm war und was das mit Frau Fischer und einem Happy End zu tun hat.

Dass es in meinen Gedärmen rumpeln wird, war mir schon nach dem dritten Bissen klar. Aber es musste das sehr scharfe rote Curry sein.

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