Sekten zeichnen sich dadurch aus, dass sie radikal denken und sich entsprechend radikal ausdrücken. Und oft radikal handeln. Das ist ebenso konsequent wie verhängnisvoll, geht es doch bei sektenhaften Gruppen um das Absolute. Sie teilen die Welt in Gut und Böse ein, in Weiss und Schwarz. Es geht ihnen um Erlösung oder Verdammung. Ihre vermeintliche Wahrheit ist absolut und nicht teilbar.
Doch die Realität ist komplizierter, Widersprüche gehören zum Leben. Das erleben alle, für die der Tellerrand nicht die Grenze ihrer Wahrnehmung ist. Zwar erfahren auch Sektenmitglieder, dass ihr heiles Weltbild brüchig ist, doch sie verdrängen die Ungereimtheiten konsequent und flüchten in eine Scheinwelt.
Fehler oder Fehleinschätzungen eingestehen? Unmöglich. Oft auch nicht in weltlichen Belangen.
Ein eindrückliches Beispiel bietet die Strahlenphobie mancher Gruppen. Konkret: Die angeblichen Gefahren, die von Handystrahlen, Starkstromleitungen und Mikrowellen ausgehen sollen.
Vor ihnen fürchten sich vor allem Esoteriker und Anhänger der Alternativmedizin, für die auch spirituelle Energien aus Schwingungen bestehen. Aber auch für manche Sekten sind Handystrahlungen des Teufels. Selbst wenn ihre Fehleinschätzungen entlarvt werden, können sie nicht von ihren Dogmen und falschen Behauptungen abrücken.
Nehmen wir als Beispiel die esoterische Bewegung Universale Kirche, die sich heute «Die neue Welt-Kirche des Christus für die Schweiz» nennt. Der verstorbene amerikanische Guru Peter Leach Lewis sah sich als der wiedergeborene Jesus, obwohl er ein Esoteriker und Theosoph war.
Er behauptete, die Juden hätten in ihrer satanischen Gier den Zweiten Weltkrieg angezettelt. Lewis erklärte vor langer Zeit, Mikrowellenöfen seien «schädlicher und heimtückischer als die Gasöfen von Dachau». Hunderte Millionen von Menschen würden wegen der Mikrowellen Krebs bekommen.
Diese Aussagen wiederholte auch sein Schweizer Priester Hans Ulrich Hertel öffentlich. Er wurde wegen Verletzung des Rassismusgesetzes rechtskräftig verurteilt. Hertel erklärte weiter, auch Handystrahlen seien schlimmer als der Holocaust.
Wie radikal der Guru von seinen Jüngern Kadavergehorsam verlangte, zeigen seine folgenden Fragen an seine Anhänger: «Seid ihr bereit, für euer Leben zu kämpfen? Seid ihr bereit, euer Leben für euer Mit-Chela zu geben?» (Mit-Chela bedeutet Glaubensbruder.)
Ein weiteres Beispiel: Das esoterische Magazin «Zeitenschrift» beschwor schon bei der 3G-Technologie Horrorszenarien herauf: «Ärzte und Wissenschaftler schlagen Alarm: Es wird Siechtum für alles Leben auf dem Planeten bedeuten». Weiter zitierte das Blatt einen anonymen deutschen Professor, der gesagt habe, Mobilfunk sei langfristig gesehen so gefährlich wie Radioaktivität.
Wenn es um Verschwörungstheorien geht, erhebt auch Ivo Sasek mit (un-)schöner Regelmässigkeit seine Stimme. Der Gründer der christlichen Sekte Organische Christus Generation kämpft mit seinem Internetsender KlagemauerTV gegen die Handy-Technologie.
5G ebne den Weg in eine Überwachungsdiktatur, dessen Ausmass nicht einmal George Orwell erahnt habe, behauptete der Sender. Und wörtlich: «Dies ist ein dringender Weckruf: 5G ist eine Gefahr für Leib und Leben.»
Kla.tv spricht von einem Strahlentsunami. Wir seien «in einem Mikrowellennetz gefangen, das uns geistig, psychisch und physisch lahmlegt». Das Video wurde in einer Woche von 350‘000 Personen angeklickt.
Apokalyptische Szenarien zeichnet auch der Verein Gigaherz.ch, in dem sich viele Strahlengegner organisieren. Er behauptete: «Die künstlich erzeugten Strahlungen zerstören alle lebensfördernden Prozesse und bedrohen alles natürliche Leben.» Der Verein tritt radikal auf und reicht laufend Einsprachen gegen den Bau von Handyantennen ein.
Hätten sich die apokalyptischen Horrorszenarien dieser Gruppen und Sekten bewahrheitet, wären die Spitäler mit Krebspatienten überfüllt, und die Krematorien wegen den Strahlenopfern überlastet. Ihre Prognosen sind inzwischen als Verschwörungstheorien und Fake News entlarvt.
Auch haben Tausende von Studien inzwischen gezeigt, dass Handystrahlen kein signifikant höheres Krebsrisiko erzeugen.
Deshalb sind die Sekten und Esoteriker bei diesem Thema kleinlaut geworden und haben sich anderen Bedrohungen zugewannt, zum Beispiel der Corona-Pandemie oder dem Ukrainekrieg. Schliesslich müssen sie ihren Anhängern weiterhin Angst einjagen, um sie an sich zu binden und sie abhängig zu machen.
Ganz nach dem Motto: Was kümmert mich das Geschwätz von gestern? Hauptsache, es hat seinen Indoktrinationszweck erfüllt.