Zu den Kernaufgaben der Religionen und Glaubensgemeinschaften gehört die Mission. Der Drang zur Expansion ist systembedingt. Wachstum bedeutet Machtzuwachs.
So prosaisch formulieren es die Religionsgemeinschaften und Sekten natürlich nicht. Vielmehr legitimieren sie ihre Missionstätigkeit mit religiösen Argumenten. Die meisten behaupten, von Gott den Auftrag erhalten zu haben. Andere erklären, die «einzige und letzte Wahrheit» müsse unbedingt zum Heil der Menschheit verbreitet werden.
Das führt zwangsläufig zu einem Konkurrenzkampf unter den Religionen. Dieser hat in der Geschichte der Menschheit schon viel Unheil angerichtet und Leid gebracht. Mancher Konflikt mündete in gewalttätigen Auseinandersetzungen. Man denke nur an die frühere Missionierung in Afrika oder bei ethnischen Minderheiten in Asien und Südamerika. Viele christliche Missionare gingen oft unzimperlich und höchst unchristlich vor.
Auch heute noch sind die Missionsbestrebungen häufig konfliktträchtig. Viele christliche Missionare wirken in China im Untergrund und gefährden die missionierten Chinesen. Fliegt eine geheime Freikirche auf, müssen die Gläubigen mit drakonischen Sanktionen rechnen.
In ihrer Verblendung riskieren aber manche Missionare gar ihr eigenes Leben, wie der Fall der Schweizer Missionarin Beatrice S. zeigt, die zweimal in Mali von Jihadisten entführt worden ist. Das erste Mal im April 2012 in Timbuktu. Dank hektischen diplomatischen Interventionen wurde die Baslerin nach neun Tagen freigelassen. Sie musste versprechen, nicht mehr nach Timbuktu zurückzukehren. Möglicherweise ist Lösegeld geflossen.
Doch der Ruf Gottes war stärker. Die Missionarin reiste wieder nach Mali und wurde vier Jahre später erneut verschleppt. Die Terroristen verlangten für ihre Freilassung die Amnestie eines angeklagten Islamisten. Darauf gingen die Behörden aber nicht ein.
Ein gutes Jahr später tauchte ein Video mit der Baslerin auf, weitere Lebenszeichen gab es aber nicht. Nach meinen Informationen gilt sie immer noch als verschollen.
Für den jüngsten politischen Eklat sorgt der evangelikale amerikanische Pastor Andrew Brunson in der Türkei. Der stramme Gottesmann weibelt seit 23 Jahren in den feindlichen islamischen Stammlanden für seine Freikirche. Einen Muslim zu bekehren ist für Freikirchler wie ein Trophäe. Oder ein missionarischer Ritterschlag.
Doch der Erfolg von Brunson war mager. Seine Freikirche umfasste nur etwa drei Dutzend Schäfchen – und das in der Millionenstadt Izmir.
Doch der Pastor schaffte es auf die Agenda der internationalen Politik. Er geriet in die Schusslinie zwischen einen muslimischen Autokraten und einen christlichen Narzissten. Zuerst schoss Recep Tayyip Erdogan: Der Allah-Versteher steckte den amerikanischen Gottesdiener nach dem Putschversuch vom Juli 2016 ins Gefängnis.
Brunson habe eine Nähe zum Prediger Fethullah Gülen, der den Umsturz aus dem amerikanischen Exil geplant habe, behauptete der türkische Autokrat. Er benutzte den Pastor als Pfand und schlug Donald Trump einen Deal vor: Gülen gegen Brunson.
Doch Trump macht keine Deals, wenn Profit oder Dividenden nicht nach seinem Gusto ausfallen. Da aber die Freikirchler zu 80 Prozent für ihn gestimmt haben und er keine Stimme verlieren will, markierte er den mächtigen Macker.
Lass Brunson frei, wetterte Trump Richtung Ankara, sonst blase ich dir den Marsch. Nix da, polterte Erdogan zurück, der Allah auf seiner Seite wusste. Da platzte dem christlichen Narzissten der Twitter-Kragen. Das gibt Sanktionen, drohte dieser in einer Kurznachricht, schliesslich sei Brunson ein «grosser Christ, ein Familienmann und wunderbarer Mensch».
Da sich Gott und Allah nicht einig wurden, verhängte Trump diese Woche Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Prompt sackte die türkische Lira weiter ab und beschleunigte die Wirtschaftskrise, unter der vor allem die türkische Bevölkerung zu leiden hat.
Das ficht Brunson nicht an. Weder die politische Verwerfung noch die wirtschaftliche Krise. Er betrachtet seine Inhaftierung als Prüfung Gottes. Und er scheint Erdogan sogar richtig dankbar zu sein, weil dieser ihm die Möglichkeit geboten hat, als Märtyrer aufzuerstehen. Er leide im Namen Jesu, sagte der Prediger. Er, der 23 Jahre lang ziemlich erfolglos Schäfchen für den Herrn rekrutierte, ist plötzlich der Held aller Freikirchen.
Solche brandgefährlichen Kindereien passieren, wenn Politiker auf der religiösen Klaviatur spielen und Pastoren die Mission als unabdingbare Erfordernis des Glaubens verstehen.