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Besteigen bald Roboter den göttlichen Thron?

ARCHIV - 07.05.2018, Garmisch-Partenkirchen: Ein Mitarbeiterin vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) stellt bei einer Pressekonferenz den Assistenzroboter EDAN (EMG-controlled daily assis ...
Beten Menschen dereinst zu Robotern?Bild: keystone
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Besteigen bald Roboter mit künstlicher Intelligenz den göttlichen Thron?

Religionen und Heilsvorstellungen werden sich weiterentwickeln. Vielleicht schlüpfen dereinst Roboter in die Rolle der Götter.
03.12.2018, 08:20
Hugo Stamm
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Religionen und Heilslehren sind meist aus einer Existenzangst heraus entstanden. Menschen aus allen Epochen wollten wissen, woher wir kommen und was am Ende mit uns passiert. Später fragten sie auch nach dem Sinn des Lebens.

Daraus entwickelten sie Strategien, um dem Tod den Stachel zu nehmen. Das irdische Ende sollte nicht das finale Aus sein. Es musste doch einen Ausweg geben, der auch Trost bei schweren Krankheiten oder Schicksalsschlägen spendete. Ein Trick, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen.

Der amerikanische Autor und Kolumnist Allan Johnson fragt sich, ob Algorithmen die neue Religion werden.Video: YouTube/Allen Johnson

So stiessen unsere Urahnen auf die Disziplinen Religion und Spiritualität. Sie sollten Rezepte für das Unausweichliche liefern. Das taten sie denn auch. Die Religionsgründer kamen auf Gott oder die Götter, implantierten die Idee vom Himmel und dem Jenseits, entwickelten die Vorstellungen von der immateriellen Seele und fanden mit ihr den Schlüssel für das Leben nach dem Tod.

Ein fundamentaler Systemfehler

Mit diesen religiösen Ingredienzien liessen sich unzählige Variationen oder Spielformen ersinnen, die vor allem die persönlichen Sehnsüchte, Hoffnungen und Ängste der Religionsgründer zum Ausdruck brachten.

So entstanden Zehntausende von Religionen und Heilslehren für ein Phänomen, das eigentlich keine Varianten zulässt. Denn im Grunde gibt es nur einen wahren Gott, nur eine wahre Heilslehre und nur ein wahres metaphysisches Konzept. Wenn überhaupt. Es lag also ein fundamentaler Systemfehler vor.

Besprechung des Buches «Homo Deus»: Ersetzt der Algorithmus bald die Religion?Video: YouTube/mediascale

Die heutige Vielfalt an Gottesbildern und Heilskonzepten zeigt, dass die meisten religiösen Ideen kaum von einer göttlichen Allmacht inspiriert sein können, sondern das Produkt menschlicher Fantasie sind. Oder um ganz präzis zu sein: Bis auf die eine wahre sind alle anderen dem menschlichen Geist entsprungen.

Die meisten Religionen entwickelten sich aus früheren Heilslehren

Diese Erkenntnis wird auch durch die religionsgeschichtliche Entwicklung gestützt. Die meisten Religionen entwickelten sich aus früheren Heilslehren, die verfeinert und ergänzt wurden. Dies geschah parallel zur geistigen und kulturellen Entwicklung von Gesellschaften.

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Ein Beispiel: Beteten die Urmenschen die Sonne als Gott an, machten später astronomische Erkenntnisse klar, dass die heisse Sonne kaum der Wohnsitz eines Gottes sein konnte. Auch der Übergang von einem übervölkerten Götterhimmel zum Monotheismus ist Ausdruck einer Geistesentwicklung.

Da die menschliche Fantasie in religiösen Fragen grenzenlos ist, lohnt es sich auch in Zeiten der Säkularisierung, sich kritisch mit spirituellen Phänomenen auseinanderzusetzen.

Allerdings wirft die Dreifaltigkeitstheorie im Christentum weitere Fragen auf: Taten sich die Urchristen schwer, alle Götter – bis auf den einen – aus dem Himmel zu verbannen? Oder wollten sie auch im Himmel die «heilige Zahl» drei kultivieren? Denn das Judentum, die Wurzel der christlichen Religion, kennt die Dreifaltigkeit nicht.

Und was kommt nach dem Monotheismus? Dass sich religiöse Konzepte und Heilstheorien weiterentwickeln werden, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Vielleicht wird in Zukunft jeder Mensch seine individuellen religiösen Vorstellungen aushecken. Vielleicht wird die künstliche Intelligenz die Rolle Gottes übernehmen. Vielleicht bevölkern dereinst Roboter den Himmel.

Da die menschliche Fantasie in religiösen Fragen grenzenlos ist, lohnt es sich auch in Zeiten der Säkularisierung, sich kritisch mit spirituellen Phänomenen auseinanderzusetzen.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
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Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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107 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Menel
01.12.2018 09:25registriert Februar 2015
Nach Yuval Harari ist Religion ja etwas Übergeordnetes, ein Axiom sozusagen, an dem man sich bei Lebensfragen orientiert. Die meisten Menschen haben schon lange Gott durch sich selbst ersetzt; man zieht vor Entscheidungen sich selbst und die bis dahin gemachten Erfahrungen zu rate und hört auf seine Gefühle und schlägt nicht mehr in der Bibel nach. Abgelöst wird das langsam vom Internet und den Medien. Amazon schlägt einem Bücher vor, die man mal lesen sollte, Netflix Filme und Serien. Wir machen heute schon unser Denken und Handeln an Algorithmen fest.
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Mutzli
01.12.2018 12:39registriert Dezember 2016
Schade das der Artikel kaum auf die Prämisse im Titel eingeht. Deshalb an dieser Stelle noch einmal: "Auch der Übergang von einem übervölkerten Götterhimmel zum Monotheismus ist Ausdruck einer Geistesentwicklung."

Sorry, aber so ein Statement stimmt einfach nicht. Wieso soll bitte Mono- gegenüber Polytheismus ein Fortschritt darstellen?
Auch Chronologisch gesehen gibts da keine Abfolge.

Zoroastrismus z.B. enstand vor manchen Poly-Reiligionen und wie sehr man den Kath. mit de facto nicht monotheistischem Gott + einem Haufen mini-Götter in Form von Heiligen als gross anders ansehen kann...
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