Die Fasnacht ist vor allem in katholischen Stammlanden eine hohe Zeit. Man darf sich verkleiden, hinter einer Maske verstecken, eine andere Identität annehmen und sich austoben. Man könnte auch sagen: die Sau rauslassen.
In dieser Zeit scheint es keine Sünde zu geben. Vor der Fastenzeit ist fast alles erlaubt. Fasnacht als Ventilfunktion.
Um die dunkle Seite in sich auszuleben, sind Hexen, Dämonen und teuflische Figuren beliebte Sujets. Sie «überfallen» Passanten, wenn sie durch die Strassen ziehen und ergötzen sich, wenn diese erschrecken.
Nur: Kleine Kinder können oft nicht erkennen, dass hinter den Masken «normale» Menschen stecken. Sie sehen in den Narren richtige Dämonen und Teufel. Unschöne Begegnungen dieser Art können bei ihnen Ängste hervorrufen.
So geht es manchen Kindern auch, wenn sie im Religionsunterricht oder in der Kirche vom Satan hören. Die Vorstellung, dass der Teufel herumschleicht, um Seelen zu fangen und in seinen Bann zu ziehen, löst Ängste aus, die sich traumatisch auswirken können.
Viele Geistliche der Landeskirchen sind sich der psychologischen Problematik bewusst und umschiffen den Satan so weit es geht. Etliche Freikirchen kultivieren hingegen den Gegenspieler Gottes sehr gern: Es gibt kein potenteres Mittel, um die Gläubigen einzuschüchtern, als die Drohung mit dem Satan. Er ist der Herrscher über die Hölle, in der Sünder laut christlicher Heilslehre bis in alle Ewigkeit schmoren werden.
Im Kern des christlichen Glaubens steckt also die Angst. Genauso wie bei den meisten Religionen. Und es gibt kein wirksameres Disziplinierungsinstrument als diese Angst.
Das Kultivieren von Angst im Namen eines Gottes, der uns gleichzeitig als gütiger Schöpfer und liebender Vater dargestellt wird, ist widersinnig. Und in gewisser Weise unmenschlich.
Es ist auch aus psychologischer und pädagogischer Sicht ein Unsinn, mit der Hölle zu drohen, um die Gläubigen zu «guten Menschen» zu erziehen. Jedes Kind weiss heute, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist. Angst schüchtert ein, blockiert, unterminiert das Selbstwertgefühl und kann Depressionen auslösen.
Wir Menschen brauchen Zuneigung, Anerkennung und Motivation, um den hohen ethischen Anforderungen der christlichen Moral gerecht zu werden. Dass Gott, der letztlich die Hölle erfunden hat, mit dem Mittel der Angst reagiert, ist unverständlich.
Erklärbar würde die Sache mit dem Satan und der Hölle allerdings, wenn wir erkennen würden, dass das Konzept von Angst und Disziplinierung entworfen wurde von Menschen, die die Menschen disziplinieren oder gar unterjochen wollten.
Fortschrittliche Geistliche und Theologen haben ebenfalls Mühe mit Teufel und Hölle, weil sie in unserer Zeit anachronistische Überbleibsel sind. Sie interpretieren sie gern metaphorisch, also als Gleichnis.
Allerdings eignen sich beide nicht als Metaphern, denn sie sind zentrale Elemente des christlichen Glaubens. Deshalb müssen Kirchen und Gläubige sie gegen jede Vernunft verteidigen.
Dabei vergessen sie gern, dass der Satan im Alten Testament noch keine grosse Rolle spielte, sondern seinen grossen Auftritt erst im Neuen Testament erhielt. Und wer hat ihn erfunden? Weder Gott noch die Urchristen.
Satan und die Hölle geisterten schon durch frühere Religionen – wie auch andere Versatzstücke der christlichen Heilslehre. Zarathustra holte ihn in die Welt, als es den Monotheismus noch nicht gab. Was bedeutet, dass der christliche Glaube nicht so original ist, wie uns gern verklickert wird.
Nun, warum sollte ich das müssen? Warum sollten es die fortschrittlichen Theologen müssen? Muss ich mir das von Ihnen vorschreiben lassen?
Ich lebe als Katholik meinen Glauben an einen liebenden Gott. Über die Fegefeuer einschüchterungs Stories bin ich längst hinweg.
Eine Personifizierung des Bösen wird erst zwingend angesichts eines Guten Gottes. Ohne diese Dualisierung kann das Christentum nicht funktionieren, trotz aller "modernen" Theologen.
Man kann sagen: je monotheistischer eine Religion, je dualistischer das Welt- und Jenseitsbild.