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Das Federstück – ein Stück Fleisch wie ein Schweizer Berg

Ein Stück Fleisch, das an die Geografie erinnert: Das Federstück hat unterschiedliche Schichten.
Ein Stück Fleisch, das an die Geografie erinnert: Das Federstück hat unterschiedliche Schichten.Bild: karin messerli

Das Federstück – ein Stück Fleisch wie ein Schweizer Berg

09.07.2015, 11:3809.07.2015, 12:59
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michael lütscher, karin messerli

Zwei grosse, eindrückliche Brocken Fleisch liegen in der Auslage beim Metzger. Schön marmoriertes, also mit vielen feinen Fettadern durchzogenes Entrecote. Und ein Teil vom Federstück: Es ist nicht mit Adern, sondern dicken Schichten von Fett versehen – das klassische Siedfleisch. 

Das Entrecote stammt aus den USA, von einem Rind, das ohne den dort häufigen Hormoneinsatz gemästet wurde, wie der Verkäufer versichert. Das Federstück ist Natura Beef, kommt also von einem Rind aus Mutterkuhhaltung aus der Schweiz. 

Welches Stück nehmen?

  • Rindfleisch aus Übersee wird per Schiff transportiert, was seine CO2-Bilanz nicht allzu sehr belastet. Die feine Fett-Marmorierung lässt darauf schliessen, dass das Tier zumindest vor der Schlachtung mit Mais gefüttert wurde – also mit menschlichem Essen. 
  • Natura-Beef-Rinder hingegen fressen zu mindestens 90 Prozent Gras. Die oft vorgebrachte und berechtigte Kritik am Fleischkonsum, dass Rindern menschliche Nahrung verfüttert würde, zielt in diesem Fall ins Leere. Dies umso mehr, als ein Grossteil der Natura-Beef-Rinder dort weidet, wo kein Getreideanbau möglich wäre: in hügeligem und steilem Gelände. Auf zwei Dritteln der Schweizer Landwirtschaftsfläche ist deshalb nur Viehwirtschaft möglich. 

Fazit:

Das Federstück ist also das ökologischere Stück Fleisch. Und mit seiner archaischen Struktur auch das interessantere. Und nebenbei: das viel günstigere. Das Kilogramm kostet 15 Franken und 50 Rappen. Die Wahl ist also eindeutig.

Ein stattliches Stück: Das Siedfleisch ist bereit für den Grill.
Ein stattliches Stück: Das Siedfleisch ist bereit für den Grill.Bild: karin messerli
«Die Struktur des Fleisches erinnert mich an Geografie-Exkursionen. Wobei mir das hier eindeutig besser gefällt.»
Michael Lütscher

Unser Stück wiegt 3,1 Kilogramm und ist geschichtet wie eine Crèmeschnitte. Zuunterst lange wie breite (Rippen-)Knochen. Darüber Muskelfleisch. Dann eine Schicht aus Fett und Bindegewebe. Dann nochmals Fleisch, und zuoberst nochmals eine Schicht weisses Fett. 

Fleisch langsam garen

Es ist klar: So einen Brocken kann man nicht kurz grillieren. Man muss ihn langsam garen. Drei bis vier Stunden, so schätzen wir, wird es schon brauchen. Das ist gerade noch möglich in einem simplen Kugelgrill. Diesen beheizt man in diesem Fall nicht mit Holzkohle, sondern mit Holzkohlebriketts. Diese sind dichter und brauchen folglich länger, bis sie zu Asche verglühen. Nämlich drei bis vier Stunden. 

Drei Stunden grillieren: Dafür braucht man Holzkohlebriketts.
Drei Stunden grillieren: Dafür braucht man Holzkohlebriketts.Bild: karin messerli
Indirektes Grillieren: Zwischen die Briketts gehört die Abtropfschale, halb gefüllt mit Wasser und einem Zweig Oregano.
Indirektes Grillieren: Zwischen die Briketts gehört die Abtropfschale, halb gefüllt mit Wasser und einem Zweig Oregano.Bild: karin messerli

Langsam grillieren bedeutet auch: Man legt ein Stück nicht direkt über die Glut. Sonst würde es verkohlen. Man teilt die glühenden Briketts auf dem Feuerrost zu zwei Haufen und lässt in der Mitte Platz für eine grosse Abtropfschale. Diese füllt man zur Hälfte mit Wasser: Erstens damit sich das Fett, das aus dem Fleisch heruntertropfen wird, nicht entzündet, zweitens damit im Grill Feuchtigkeit herrscht, die das Fleisch vor dem Austrocknen und Verbrennen schützt. 

In welchem Zustand kommt das Federstück auf den Grill?

Michael: «Ich würde es so, wie es ist, auf den Rost legen, allenfalls mit Olivenöl bepinseln, damit es nicht an den Stäben festklebt und nicht austrocknet.» 

Karin: «Du bist ein Purist. Ich würze es. Ich reibe es mit einem Rub ein.» (siehe Box)

Roter Rub

Zutaten
4 EL grobflockiges Salz (Maldon Sea Salt)
3 EL Rohrzucker
2 EL Paprika edelsüss
1 EL Cayenne-Pfeffer

In einem Einmachglas schütteln (darin lässt sich der Rest auch aufbewahren und später beispielsweise für Spareribs verwenden). Aufs Fleisch geben und dieses damit einreiben.
Dieses Fleisch braucht etwas Salz und Pfeffer: So wird es eingerieben.
Dieses Fleisch braucht etwas Salz und Pfeffer: So wird es eingerieben.Bild: karin messerli

Die watson-Grillblogger

Karin Messerli hat die Leidenschaft fürs Fleisch im Blut: Sie ist die Enkelin eines Metzgers. Die Foodstylistin hat mehrere Kochbücher verfasst, zahlreiche Magazine und Beilagen zum Thema Essen produziert und war lange Kochredaktorin der «Annabelle».



Michael Lütscher ist Essensredaktor bei der «Schweizer Familie» und Sachbuchautor («Schnee, Sonne und Stars» über die Geschichte des Wintertourismus; «Eine Stadt, ein Verein, eine Geschichte» über den FC Zürich). Liebt das Feuer und Fleisch am Knochen.

Auf Facebook findest du die beiden hier

Karin setzt sich durch

Das Federstück landet eingerieben auf dem Grill. Und darüber kommt der Deckel, wie bei einem Kochtopf. Der Grill wird so zum Backofen, aber die glühende Holzkohle verpasst dem Fleisch die Röstaromen, die wir so lieben. 

Abdeckung nach oben, Knochen auf den Rost: Federstück auf dem Grill. 
Abdeckung nach oben, Knochen auf den Rost: Federstück auf dem Grill. Bild: karin messerli

Die richtige Temperatur erhalten

Nun gilt es, die richtige Temperatur zu erhalten. Ideal beim langsamen Garen wären 110 bis 120 Grad. In einem Kugelgrill mit rotglühender Kohle ist es allerdings viel heisser. Einziges Mittel, um die Temperatur zu regeln, ist die Luftzufuhr. Man muss die Schieber auf dem Deckel also fast, aber nicht ganz schliessen und das Thermometer im Auge behalten (wer einen Kugelgrill ohne eingebaute Temperaturanzeige hat, kann ein Fleischthermometer in die Klappe stecken). Der Grill reagiert auf die Verminderung (oder die Erhöhung) der Luftzufuhr erstaunlich schnell. 

Wie viele Briketts?

Noch ein Wort zur Menge der Briketts: Im Falle eines drei Kilogramm schweren Fleischstücks reicht ein voller Anzündkamin nicht. Man muss auf die glühenden Briketts im Grill noch eine Schicht legen, bevor man den Rost auflegt. Darauf dann das Federstück – Knochen nach unten, damit sie das Fleisch schützen, Fett nach oben, damit es das Fleisch befeuchtet, wenn es schmilzt. 

Wir sind bei der Temperaturkontrolle nur mässig erfolgreich: Sie pendelt sich zwischen 170 und 180 Grad ein, obwohl der Schieber grösstenteils geschlossen ist. Nach eineinhalb Stunden beginnt ein Räuchlein aus den Schlitzen aufzusteigen – begleitet vom wunderbaren Geschmack gebratenen Fleisches. 

Das Fleisch ist aufgegangen: Nach zwei Stunden berührt das Stück den Deckel.
Das Fleisch ist aufgegangen: Nach zwei Stunden berührt das Stück den Deckel.Bild: karin messerli

Und ein kurzes Heben des Deckels zeigt: Das Federstück geht auf wie ein Brot im Ofen. So sehr, dass es den kuppelförmigen Deckel an dessen höchster Stelle berührt. Jede Stunde werfen wir einen Blick auf die Temperaturanzeige und den Grill. Alles ok. Nach drei Stunden ist das Stück braun geworden, es schwitzt und duftet und hat sich ein Stück weit von den Knochen zurückgezogen. 

Nach drei Stunden: Das Federstück ist mürbe.
Nach drei Stunden: Das Federstück ist mürbe.Bild: karin messerli

85 Grad Innentemperatur zeigt das Thermometer an. Bei 70 Grad ist Fleisch durch, aber solche Stücke sind auch von Bindegewebe durchzogen, das zäh und gummig ist – ausser es wird bei mindestens 75 Grad gegart. Wir lassen es noch zehn Minuten ohne Deckel auf dem Rost ruhen. 

Dann wird es aufs grosse Holzbrett geschoben. 

Jetzt die Frage: Wie zerschneiden? Natürlich, quer zu den Fasern. Bloss, in welche Richtung zeigen diese? Räumliche Vorstellungskraft ist gefordert. 

Wie zerschneiden?

Karin: «Als erstes lösen wir die Knochen aus. Dann kann man es besser schneiden.» 

Michael: «Dann schneiden wir es quer durch. Der Länge nach geht schon aus praktischen Gründen nicht: Es ist zu lang.» 

Vom Knochen lösen ist für einmal einfacher getan als gesagt. Die drei Rippen auf der Unterseite des Stücks fallen auf ein leichtes Stossen mit der Gabel hin widerstandslos ab. Und liegen wie geputzt da. Nur in den Zwischenräumen und an der Unterseite klebt eine Schicht von Fett und Bindegewebe, das knusprig geworden ist. Mmh. 

Die Fettschicht in der Mitte hat sich verflüssigt, der Rub hat die Ränder rot gefärbt.  
Die Fettschicht in der Mitte hat sich verflüssigt, der Rub hat die Ränder rot gefärbt.  Bild: karin messerli

Nun ist ein langes und vor allem sehr scharfes Messer gefragt. Denn das Fleisch leistet kaum Widerstand. Es ist weich und zart, die Fettschicht hat sich aufgelöst. Verflüssigt sie sich beim Siedfleisch in die Suppe, so tränkt sie hier das Muskelfleisch, das entsprechend saftig ist. 

Karin: «Köstlich. Une revelation.» 

Michael: «Wunderbar. Du hattest Recht mit dem Marinieren. Nur schon wegen den roten Rändern, die jede Tranche einrahmen.» 

En Guete!
En Guete!Bild: karin messerli

Karin: «Was lange währt, wird gut. Diese Muskeln waren stark im Einsatz, das Fleisch wurde lange gegart.» 

Michael: «Die obere Schicht ist etwas trocken geworden, vielleicht war die Temperatur zu hoch. Oder die Fettschicht zu wenig dick.» 

Karin: «Ich bin begeistert.» 

«Knochen sind etwas Archaisches, etwas Sinnliches und auch Kindliches. Man nimmt sie in die Hände, nagt sie ab und schleckt sich anschliessend die Finger ab.»
Karin Messerli
Was übrig bleibt: die Rippen.
Was übrig bleibt: die Rippen.Bild: karin messerli

Michael: «Die Struktur des Fleisches ist interessant. Die Fasern der unteren Schicht sind vertikal, die der oberen horizontal. Dazwischen das Bindegewebe. Die Geologie des Fleisches. Das erinnert mich an Geografie-Exkursionen. Wobei mir das hier eindeutig besser gefällt.» 

Das Ende.
Das Ende.Bild: karin messerli

Karin: «Knochen sind etwas Archaisches, etwas Sinnliches und auch Kindliches. Man nimmt sie in die Hände, nagt sie ab und schleckt sich anschliessend die Finger ab.»

Und hier die Grillanleitung für das Federstück in 12 Bildern

What's on the Grill, Teil 2: Das Federstück

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Grillblog, Teil 2: Das Federstück
Das Federstück: Bis es so aussieht, braucht es ein paar Stunden Geduld.
quelle: karin messerli
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