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Papa ist super. Und Papa auch.

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Gedanken zur Diskussion über die Aufnahme von Pflegekindern durch homosexuelle Paare.
25.12.2014, 11:5525.12.2014, 15:02
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Vorgestern erschien im «Tagesanzeiger» ein Artikel darüber, dass in Genf zurzeit ein Engpass bezüglich Paaren besteht, die Pflegekinder bei sich aufnehmen wollen. Dieser Druck besteht anscheinend schweizweit, weshalb die Stadt Zürich neue Wege geht und offen auch auf homosexuelle Paare zugeht.

Und obwohl ich an und für sich eine grosse Verfechterin der Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare bin und Fortschritt in diesem Belang durchaus begrüsse, kommt diese Nachricht mit der einen oder anderen Prise bitteren Salzes.

Grundsätzlich darf dieses kontroverse Thema selbstverständlich von jedem so verstanden werden, wie er/sie das will. Meinungsfreiheit olé. 

Aber. Grosses Aber. Das Verständnis bzw. die Interpretation hat in diesem spezifischen Fall massiven Einfluss auf das Leben, ja, gar die Rechte einer ganzen Bevölkerungsgruppe. Wir reden hier von zwischen drei und zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung, die entweder homo- oder bisexuell sind. Das sind zwischen 200'000 und 650'000 Menschen, für die einfach mal eine andere Gesetzgebung gilt als für den Rest. Ich finde das an sich schon völlig abstrus.

Selbstverständlich entbrannte eine wilde Diskussion unterhalb des Tagi-Artikels. Gut so! So wichtig! Die Themen, obwohl immer wieder die gleichen, sind eine nähere Betrachtung wert. 

Was mich am meisten erstaunt an den Argumenten gegen die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare ist deren Selektivität. Um meinen Standpunkt besser darlegen zu können, hier ein Beispiel: 

Ein homosexuelles Männerpaar adoptiert in Kalifornien ein kleines Mädchen, was dort legal ist. Es kehrt zurück in die Schweiz und darf das Kind hier nun grossziehen. Nur schon das ist widersinnig, ist aber eine Tatsache bei unterschiedlichen Gesetzgebungen in unterschiedlichen Nationen, nicht nur beim Adoptionsgesetz. Nun stirbt der eine Adoptivvater unerwartet an einem Herzinfarkt, was seinen Partner zu einem alleinerziehenden Wittwer macht. «Ich bin alleinerziehender Wittwer» lässt nun spannenderweise den Homo-Gegnern die Tränen in die Augen schiessen. «Jö nein, der Arme, ganz allein mit diesem kleinen Mädchen. Aber sie hat’s bestimmt gut bei ihm, denn sie ist nun sein Ein und Alles auf der Welt.» Wird der Alleinerziehender-Wittwer-Aussage jedoch noch das kleine Adjektiv «schwuler» vorangesetzt, werden die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, man muss die Stirn in sehr tiefe Runzeln legen ob dem Mangel einer «weiblichen Identifikationsfigur» und man macht sich auf einmal Sorgen, ob denn aus diesem kleinen Mädchen jemals etwas Rechtes (haha, Wortspiel) werden kann. 

Aus dieser unterschiedlichen Beurteilung liesse sich ableiten, dass ein schwuler Vater per se schlechter ist als ein heterosexueller Vater. Die beiden unterscheiden sich jedoch nur durch ihre Sexualität. Das einzige, was daran gefährlich sein könnte (in den Augen von jemandem, der Homosexualität ablehnt), wäre, dass das Kind seinem Vater die sexuelle Gesinnung abschaut – und dass das nicht der Fall ist, ist offensichtlich. Würde das Kind seine Sexualität von seinen Eltern «lernen», gäbe es nämlich einen homosexuellen Prozentsatz innerhalb der Bevölkerung von genau 0,0 Prozent. Will heissen: All die schwulen und lesbischen Kinder werden von Heteropaaren gezeugt. Just sayin'. 

Genauso unfair ist, dass Homosexuelle nun, da ein Engpass herrscht, als Pflegeeltern in Betracht gezogen werden. Den Überschuss können sie dann schon haben, wenn man es böse formulieren will. Das ist sowohl den homosexuellen Paaren wie auch den zu pflegenden Kindern gegenüber arg diskriminierend und verletzend. 

Einige Kommentatoren äusserten, dass Kinder doch eher in einem liebevollen homosexuellen Haushalt aufwachsen sollten als in einem missbrauchenden heterosexuellen. Wahrscheinlich gut gemeint und durchaus auch wahr, aber noch immer sehr diskriminierend, heisst eine solche Aussage eigentlich doch nichts weiter, als dass homosexuelle Eltern das kleinere Übel sind. Das kleinere Übel als Kindesmissbrauch oder -vernachlässigung. Bravo. In meinen Augen sind liebevolle Eltern gar kein Übel – und diese Tatsache ist unabhängig von der Sexualität ebendieser Eltern.

Religiöse Argumente kamen wenige, aber sie kamen. In diesem Zusammenhang erstaunt es mich immer wieder, wie gewisse (!) Christen zwar die Nächstenliebe für sich gepachtet haben – diese dann aber nicht für alle Menschen gilt. Also für alle ausser die, die nicht sind wie sie. Hm. Gott hat zwar alle Menschen geschaffen und liebt sie auch allesamt, in den Martin darf sich der Peter dann aber doch nicht verlieben, auch wenn er und auch Martin und auch seine Gefühle für Martin doch von Gott geschaffen wurden. Verstehe ich nicht. Muss ich wahrscheinlich auch nicht. Auch hier darf man das sehen, wie man will – man darf seine Religion aber nicht als Ausrede benutzen, Homosexuelle zu diskriminieren, denn das ist gemäss Schweizer Gesetzgebung verboten (Art. 8 der Bundesverfassung verbietet Diskriminierung aufgrund der Lebensform). 

Schliesslich waren da die alten Bekannten wie «Die Natur sieht Mann und Frau als Eltern vor» und «Bei Tieren gibt's auch keine Homosexualität». Meines Erachtens beides gleichermassen fraglich. 

Natürlich können nur ein Mann und eine Frau ein Kind zeugen – aber das können auch ein schwuler Mann und eine lesbische Frau sein. Meinen Uterus kümmert es nicht im Geringsten, ob ich auf Männlein oder Weiblein stehe, wenn da ein Spermium angeschwommen kommt. Die Hardware ist da unabhängig von der Software. 

Ausserdem kommt Homosexualität im Tierreich sehr wohl vor (bisher bei ca. 1500 Arten beobachtet, u.a. bei Enten, Pinguinen, Giraffen, Walen und Delfinen) und auch da stärken solche Pärchen die Gemeinschaft, helfen bei der Aufzucht der Kleinen usw. Wäre sie, die Homosexualität, also so widernatürlich, müsste sie, weil sie ja nicht der direkten Fortpflanzung dient, in den letzten paar Millionen Jahren doch bereits verschwunden sein (bei Zwei- und bei Vierbeinern), nicht? Das ist jedoch nur eine These und ich lasse mich gerne korrigieren.

Dass ein offenerer Umgang mit diesem Thema über Nacht passieren wird, ist unwahrscheinlich. Aber die Diskussion darüber ist ein guter und wichtiger und (in meinen Augen) überfälliger Schritt. Noch ist die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare verboten – ab 2016 wird jedoch die Stiefkindadoption leiblicher Kinder legal. 

Auch kleine Schritte führen zum Ziel. Ich bin zuversichtlich.

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Yonni Meyer
Yonni Meyer schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen – direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt. 

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4 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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deBatino
25.12.2014 12:00registriert November 2014
danke. nur danke :)
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roofer
25.12.2014 13:49registriert Dezember 2014
Absolut richtig. Auch homosexuelle Paare müssen gegenüber dem Gesetz gleich behandelt werden ohne Wenn und Aber. Das mußte mal gesagt werden. Danke Yonni !!!!!
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sleeper
25.12.2014 18:23registriert April 2014
Bei der Diskriminierung von Homosexuellen geht mir immer wieder das Messer in der Tasche auf. Meinungsfreiheit ist wichtig und jeder sollte sagen dürfen, was er/sie will. Aber die Gesetzgebung sollte lediglich der Logik folgen und diese lässt keine Schlüsse zu, aus welchen Homosexuelle in irgendeiner Weise benachteiligt werden können. Aber persönlich verspühre ich die Hoffnung, dass wir immerhin auf dem Weg zur Gleichberechtigung sind.
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