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Vorgestern publizierte meine geschätzte Freundin Michèle Binswanger im «Tages-Anzeiger» einen Artikel über Propaganda in Form von Provokation. Sie bezog sich damit auf das jüngst veröffentlichte «Weltwoche»-Cover, das Sepp Blatter zum Schweizer des Jahres erhebt und seinen doch eher unrühmlichen Niedergang als «dornenvollen Kampf für eine bessere Welt» bezeichnet.
An und für sich müsste jeder klar denkende Mensch darob einen Lachkrampf bekommen. Als ich das Bild das erste Mal sah, dachte ich «Hat der «Postillon» eine gedruckte Weihnachtsausgabe? Wie passend!»
Nein. Das war tatsächlich die Dezemberausgabe der «Weltwoche» und das einzige Ziel war, zu provozieren. Zu diesem Schluss kommt auch Binswanger.
Nun ist es natürlich tatsächlich so, dass so ein Titelbild im Anschluss durch die Presse geht, sich alle darüber den Mund zerreissen und auch alle Medien darüber berichten – so auch ich. Hier. Und damit bin ich bei Thema, über das ich eigentlich schreiben will: Die Plattform-Frage.
Sie sind Ihnen bestimmt auch schon begegnet: Artikel über ebensolche Aktionen wie die der «Weltwoche». Oder über Menschen wie Donald Trump. Oder Paris Hilton. Inhalte, die in sich grotesk oder anstössig sind und bei denen es nur um «Fame» geht. Hauptsache, man redet drüber. Auch in der Politik ist das immer wieder Thema. Sobald über die SVP oder die Juso geschrieben wird, folgt irgendwann unweigerlich der Satz: «Gebt denen doch nicht auch noch eine Plattform!» Gemeint ist damit, dass man dem Provokateur mit Berichten über sein Verhalten in gewisser Weise hilft.
Aber stimmt das? Ist das Berichten über dessen negative Seiten trotzdem gute Werbung für das Ursprungsprodukt? Oder, wie man auf Neudeutsch so schön sagt: Is all publicity good publicity?
Fakt ist zum Beispiel: Es gibt ein psychologisches Phänomen, das sich «Mere Exposure» nennt, der «Effekt des reinen Kontakts». Er bedeutet, dass durch blosse Darbietung von Personen oder Dingen die Einstellung des Menschen zu ebendiesen Personen oder Dingen positiv beeinflusst wird. So zeigt die Forschung unter anderem, dass man durch reine Vertrautheit mit einem Menschen diesen für attraktiver und sympathischer hält. ABER: Voraussetzung ist, dass die Bewertung bei der erste Darbietung nicht negativ war. Dann wird die Abneigung bei weiteren Begegnungen immer grösser.
Das würde also im Fall einer «Weltwoche» bedeuten, dass diejenigen, die ihr sowieso schon positiv gesinnt waren, sie nach einer solchen Aktion noch toller finden, sie allen andern jedoch umso mehr zum Hals raushängt. Ist das im Sinne der Lesergewinnung? Und ist das überhaupt das Ziel?
Die Plattform-Diskussion, also die Frage, ob man Leuten, die absichtlich provozieren, verletzen oder anecken, eine Plattform bieten soll, finde ich eine überaus spannende.
Einerseits will man dem Provokateur die von ihm so sehr gesuchte Aufmerksamkeit nicht geben, andererseits muss man über solche Entgleisungen halt doch berichten (können).
Bestes Beispiel ist einmal mehr «Mr. Haarmatratze» Donald Trump. Der Mann gibt Dinge von sich, dass sich jedem mit nur einem Funken Herz und Verstand die Zehennägel zusammenrollen. Seine Aussagen sind so widerwärtig, dass man sie, wie Michèle Binswanger richtig feststellt, teilt, um sicherzustellen, dass man in seiner Ungläubigkeit ob so viel Unmenschlichkeit nicht allein ist. Und so verbreiten sie sich. Es stimmt, Trump ist gegenwärtig überall.
Nun würde man rein intuitiv ableiten, dass die Verbreitung solcher Statements zu einem negativen Bild Trumps führen müsste. Und in meinem Umfeld ist das auch so. Wie könnten Lügen und Verhetzungen auch dem Ruf nützen?
Der Mann hat aber nach wie vor phänomenale Poll-Ergebnisse. Klar, die USA sind anders als wir hier, aber nicht so anders. Bekommen die US-Amerikaner diese Geschichten gar nicht zu Gesicht oder sind sie tatsachenresistent? Und sind das auch die Leser der «Weltwoche»?
Die Logik würde uns diktieren, dass negative News auch negative Gedanken provozieren sollten. Es wäre also für niemanden förderlich, mit grotesken Aktionen wie dem Blatter-Cover, dem «Titelblatter», aufzufahren, weil es schlicht nicht glaubwürdig und meiner bescheidenen Meinung nach auch einfach etwas doof ist. Wenn «bad News» auch einfach «bad News» wären, müsste das Magazin nun Leser verlieren. Aber tut es das?
Sind Provokateure trötzelnde Kinder, die man einfach trötzeln lassen soll? Oder darf die ursprüngliche Motivation des Senders uns nicht davon abhalten, unmenschliches, dummes oder auch gefährliches Verhalten zu thematisieren und anzuprangern, in der Hoffnung, dass der Ruf halt doch etwas leidet?
Ist das Risiko, dass man mit Berichten über «Böses» unweigerlich Leute für die «böse Seite» mitrekrutiert? Oder darf, oder muss man das Böse als Böses (was dann wieder von der Perspektive abhängt) entlarven?