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Lieber Roger Köppel! Sigmund Freud hat angerufen, er möchte gerne seine Ansichten von 1900 zurück haben ... 

Vorsicht: Frau!
Vorsicht: Frau!Bild: shutterstock
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Lieber Roger Köppel! Sigmund Freud hat angerufen, er möchte gerne seine Ansichten von 1900 zurück haben ... 

04.09.2014, 15:2212.09.2014, 11:34
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Aber erst einmal von vorn. Roger Köppel, seines Zeichens Chefredaktor der «Weltwoche», hat einen Aufsatz zum Thema Mann und Trieb mit dem prägnanten Titel «Begehren» verfasst. Erstaunlicher- und auch löblicherweise handelt es sich dabei um ein In-Schutz-Nehmen Geri Müllers und dessen Drang, sich seinem weiblichen Chat-Gegenüber hinzugeben. Wir alle wissen ja, in welcher Form das geschah. 

Köppel, der doch eher an der rechten Aussenseite des Politregenbogens entlangschrammt, verteidigt also einen von links aussen, weil er es für richtig hält. Finde ich gut. Ganz ehrlich. 

Eigentlich. 

Wenn man den Artikel dann aber durchliest, kommen einem als Frau (und ich nehme an auch manchem Mann) abwechselnd Tränen des Amüsements und der Konsternierung. Mir zumindest. Nebst der Tatsache, dass man den Text schon rein strukturell kaum lesen kann, weil das Wort «Begehren» in den acht kurzen Abschnitten ganze 23 Mal vorkommt, beinhaltet er Aussagen, die selbst eine Grossmutter bei den Amish wohl dazu bringen würde, Köppel zu raten, mal ein bisschen zu chillen. 

«Die Liebe ist eine Höllenmacht!» – Uiiiii!

Da stehen Dinge wie «Die Liebe ist eine Höllenmacht» – UIIIIII – und «Die meisten Männer bringen sich rechtzeitig in Sicherheit, indem sie sich vor der extremen Hitze, die von der begehrten Frau ausgeht, verkriechen.» Die extreme Hitze, die von der begehrten Frau ausgeht? Seriously? Wo hat er das gelesen? In der «Enzyklophädie der Thiere» von 1727? Und Männer müssen sich vor uns überhitzten Frauenzimmern in Sicherheit bringen – warum? Weil wir sie sonst nach dem Akt verspeisen wie Gottesanbeterinnen in Agent Provocateur? 

Nun, grundsätzlich kann ich solche Aussagen ja noch halbwegs nachvollziehen. Herr Köppel gehört anscheinend zu der Sorte Mann, die sich sehr stürmisch und mit Leib und Seele einer Frau hingeben können/wollen/müssen, und obwohl ich mir das bildlich nicht vorstellen kann/will/muss, ist das sehr okay. 

Die tiergewordene Fleischeslust in Form der Frau

Die Verallgemeinerungen sind aber doch recht arg. So sagt er auch, der begehrende Mann sei seinen Trieben komplett ausgeliefert und befinde sich in einem Rausch, der von Lockstoffen der Frau ausgelöst werde. Haha. «Lockstoffe». Da ist sie wieder, die tiergewordene Fleischeslust in Form der Frau. Natürlich sind da Pheromone, die wir ausscheiden, aber das tun Männer auch. Es ist ja nicht so, als hätten wir eine Sex-Lock-Zauberdrüse, die den Mann zunebelt und ihn willenlos macht. 

An dieser «Komplett-Ausgeliefert-Theorie» stört mich vor allem die gänzliche Loslösung von Verantwortung seitens des Mannes und auch, dass der Mann dargestellt wird wie ein hilfloses kleines Hündli, das halt einfach dem Hundeguezli hinterherschwänzelt (Pun intended), weil es nun mal in seiner Natur liegt. So simpel ist kein Mann und ich finde Aussagen wie «Nicht der Mann, die Frau beherrscht charismatisch die Unterwelt der Intimität. Männer, die das Gegenteil vermuten, werden irgendwann durch die Wirklichkeit brutal eines Besseren belehrt» fast ein bisschen beleidigend für die Männer. Es stellt sie als komplette Opfer dar und das ist – in meinen Augen – absoluter Schwachsinn. 

Und dann ist da noch dieses Meisterwerk an gebündelter Weisheit: «Das Begehrtwerden durch den Mann ist die stärkste Droge, ist das stärkste Aufputschmittel der Frau. Mathematisch formuliert: Das weibliche Selbstvertrauen ist die Summe des männlichen Begehrens im Quadrat.»  

Äh. Nein. 

Selbstverständlich ist begehrt zu werden etwas Schönes und selbstverständlich trägt es auch zum Selbstvertrauen bei, wenn einen Männer gut finden. Sehr sogar. Es gibt aber, lieber Herr Köppel, schon noch das eine oder andere, was auch zu unserem Selbstwert beiträgt. Auch wir finden Erfüllung im Beruf, im Sport, in zwischenmenschlichen Beziehungen, die nicht von Sex gesteuert sind. 

Wir haben nebst unserer Geschlechtsteile doch auch noch Gehirne und Herzen.

Fazit: Die Reduktion des Mannes auf das, was in seiner Hose passiert, und die Reduktion der Frau darauf, ebendiesen Hoseninhalt zu steuern, finde ich für einen Mann von Roger Köppels Intelligenz fast ein bisschen traurig. Und obwohl die Natur und unsere Geschlechtsorgane bestimmt grossen Einfluss auf uns haben, haben wir doch alle auch noch Gehirne und Herzen. Männer und Frauen gleichermassen. 

Am Ende schreibt Herr Köppel dann noch: «Der Mann ist schwach in seiner Eigenschaft als begehrendes Tier, weil ihn die Natur so gebaut hat. Frauen, die das ausnützen, sind keine Heldinnen. Sie missbrauchen nur die Macht, die ihnen die Natur in die Wiege legte.» 

Wow. Ich geh’ dann mal den Scheiterhaufen anzünden …

Yonni Meyer
Sie gilt als Schweizer Facebook-Phänomen: Yonni Meyer schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen – direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt.

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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oskar
04.09.2014 19:14registriert August 2014
guter artikel! ich hoffe köppel schickt ihnen kein naktselfie, nur weil sie eine frau sind und sich mit ihm befassen
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Kastigator
04.09.2014 16:24registriert April 2014
Gut beobachtet und schön geschrieben. Es ist doch immer wieder so amüsant wie erschreckend, wie sehr sich Weitrechtsbündige den Islamisten annähern (die sie doch derart zu hassen vorgeben, in Wirklichkeit aber so sehr beneiden): Auch bei denen muss die Frau sich möglichst vollständig verhüllen, weil die Männer sich sonst nicht mehr beherrschen können ...
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Zeit_Genosse
05.09.2014 08:05registriert Februar 2014
Sich dem Motor der Triebe zu nähern und das Begeheren als evolutionäre Kraft einordnen zu wollen, bedeutet tief in das Menschsein einzudringen und die Kellertreppe zu Mann und Frau hinabzusteigen. Dort unten begegnet Köppel der Triebfeder des Zusammenseinwollens und der Elemente der Triebhaftigkeit, die unser Leben stärker berinflusst als wir es zugeben. Ihre Auseinandersetzung mit dem Text bleibt an der oberflächlichen Perspektive und ordnet das von der Optik, dass der Mensch ein kultiviertes und emanzipiertes Wesen ist. Die Realität zeigt doch auch, dass die Triebe zwischendurch den Keller verlassen und irrational auf Frau und Mann wirken. Nur so lassen sich die vielen unterschiedlichen Episoden von Mann und Fra erklären. Manchmal will oder kann der Trieb nicht gezähmt werden und galoppiert in die Richtung des sich mit allen Mitteln Verschmelzenwollens. Da wollte der Herr Chefredaktor vermutlich hin mit seinen Überlegungen. Kurz: Triebe sind fähiger Gehirne auszuschalten als umgekehrt. Das es dabei nicht immer appetittlich zugeht, lesen wir täglich und schweigen über unsere eigene Triebhaftigkeit, weil wir die Kellertüre gerne verschlossen halten.
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