Die Meinungsfreiheit hochzuhalten, ist eine grosse Geste, aber sie kostet auch nicht viel, wenn man selbst nicht direkt betroffen ist. Wem es wirklich ernst damit ist, der sollte auch im eigenen Land für sie einstehen. Das würde dann so aussehen (und wird leider nicht passieren):
«The Guardian» spielte eine zentrale Rolle in der Snowden-Affäre und publizierte auch Informationen über den britischen Geheimdienst GCHQ. Die Behörden nahmen Ermittlungen auf und zwangen die Tageszeitung, Harddisks mit den Geheiminformationen unter Aufsicht zu zerstören.
Auch Deutschland hat sich in der Snowden-Affäre nicht eben mit Ruhm bekleckert. Obwohl die NSA sogar die Kanzlerin abgehört hat, befand es Berlin nicht für nötig, den Whistleblower zu befragen.
Obamas Justizminister Eric Holder versuchte eine Zeit lang, einen Reporter der «New York Times» zu zwingen, seine Quellen offenzulegen. Es ging um eine verpfuschte CIA-Aktion im Iran, die James Risen öffentlich machte. Bis heute schützt er seinen Informanten.
Pedro J. Ramírez gründete 1989 die spanische Tageszeitung «El Mundo». 2014 musste er als Chefredaktor abtreten, weil «El Mundo» Regierungschef Rajoy mit einem Korruptionsskandal in Verbindung brachte.
Der autokratisch regierende ungarische Premierminister Viktor Orbán hat die Pressefreiheit in seinem Land empfindlich eingeschränkt. Ein von ihm teilweise kontrolliertes Gremium fungiert als Medienregulator, dessen Entscheide nur beschränkt juristisch angefochten werden können.
Robert Frycz, Gründer einer Satirewebsite über den polnischen Präsidenten Bronisław Komorowski, wurde 2012 wegen Präsidentenbeleidigung verurteilt.
Und selbst bei uns gibt es Grund, sich aufzuregen: Etwa, dass Enthüllungen häufig Untersuchungen wegen Amtsgeheimnisverletzung nach sich ziehen. Oder dass in Bundesbern Hunderte, wenn nicht Tausende PR-Leute angestellt sind, beim Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter (EDÖB) aber nur ein paar wenige. Ein Verfahren zur Durchsetzung des Öffentlichkeitsgesetzes dauert entsprechend mehrere Jahre.
Und zum Schluss noch dies: Selbst die Steinzeit-Monarchie Saudiarabien vermag noch negativ zu überraschen ...
Zehn Jahre Haft, umgerechnet 270'000 Franken Busse und 1'000 Peitschenhiebe: So lautet das Urteil gegen den liberalen saudischen Blogger Raif Badawi. Sein Verbrechen: Beleidigung des Islams. Weil er 1'000 Peitschenhiebe aufs Mal nicht überleben würde, bekommt er sie in wöchentlichen Tranchen von 50 verabreicht.