Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat die gemeinsame Verantwortung Deutschlands und Russlands für die Lösung von internationalen Krisen wie in Syrien oder in der Ukraine unterstrichen. Merkel sagte, sie sei bereit, mit Putin daran zu arbeiten.
Zugleich warnte Merkel vor einer humanitären Katastrophe in Syrien. Immerhin gingen offensichtlich die Kampfhandlungen zurück. Nötig seien aber eine Verfassungsreform und Wahlen. Russland ist die Schutzmacht des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, den der Westen eigentlich von der Macht weghaben will.
Putin seinerseits rief Europa zur Hilfe beim Wiederaufbau in Syrien auf. «Es ist wichtig, die humanitäre Komponente des syrischen Konflikts auszuweiten, vor allem humanitäre Hilfe für das syrische Volk.» Man müsse den syrischen Regionen helfen, in die Flüchtlinge aus dem Ausland heimkehren könnten.
Dabei gehe es nicht nur um Rückkehrer aus Europa, sondern auch um Millionen Flüchtlinge aus den Nachbarländern Jordanien, Libanon und Türkei. «Das ist potenziell eine grosse Last für Europa.»
Der russische Präsident liess sich die Gelegenheit nicht entgehen und unterstrich einmal mehr die Zuverlässigkeit russischer Gaslieferungen. Diese würden durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die direkt von Russland nach Deutschland führt, noch verbessert.
Eine Fortsetzung des Gas-Transits durch die Ukraine auch nach dem Bau der neuen Pipeline schloss er nicht aus. «Die Hauptsache ist, dass dieser Transit durch die Ukraine, der Tradition hat, wirtschaftlichen Anforderungen entspricht», fügte er hinzu.
Putin verwies darauf, dass Deutschland einer der wichtigsten Handelspartner Russlands sei. Ohne die EU-Sanktionen anzusprechen sagte er, dass das Handelsvolumen im vergangenen Jahr um 22 Prozent zugenommen habe. Deutsche Investitionen hätten 18 Milliarden US-Dollar ausgemacht. Deutsche Unternehmen machten in Russland einen Umsatz von 50 Milliarden Dollar mit rund 270'000 Beschäftigten.
Der russische Präsident ist bemüht, Werbung in eigener Sache zu machen, denn es gibt für Europa noch andere Möglichkeiten als die russische Pipeline.
Merkel reist nächste Woche in die ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Insbesondere in Aserbaidschan geht es um eine alternative Pipeline nach Europa, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern.
Merkel kritisierte zudem, dass in der Ukraine nach wie vor ein instabiler Waffenstillstand herrscht. Im Gespräch ist eine internationale Friedenstruppe der UNO, doch die Meinungen gehen dabei auseinander. Auch Putin hielt fest, dass man auf dem Weg zu einer politischen Lösung des Konfliktes nicht vorankomme. Ohne weiter darauf einzugehen, sagte er die Minsker Vereinbarung müsse umgesetzt werden.
Der deutsche Aussenminister Heiko Maas sieht Chancen für eine solche Uno-Friedensmission. Noch lägen die Vorstellungen, wie diese Mission gestaltet werden solle, weit auseinander. «Deshalb verhandeln wir genau darüber mit Kiew und Moskau», sagte der SPD-Politiker der «Welt am Sonntag». Deutsches Ziel bleibe es, die Ukraine zu stabilisieren, einen Waffenstillstand und eine Entflechtung durchzusetzen.
US-Präsident Donald Trump findet an diesem Vorhaben natürlich keinen Gefallen. Er hat wiederholt kritisiert, dass Deutschland aus Russland in grossem Umfang Gas bezieht. Offenbar will Trump, dass Deutschland und Europa mehr Gas aus den USA beziehen. Zudem dürfte Trump die positive Handelsbilanz Deutschlands mit Russland ein Dorn im Auge sein, zumal er seinerseits zuletzt die Sanktionen gegen Russland verschärft hat.
Merkel und Putin hatten sich bereits Mitte Mai im russischen Badeort Sotschi am Schwarzen Meer getroffen. Anschliessend hatte Merkel Ende Juli den russischen Aussenminister Sergej Lawrow und Generalstabschef Waleri Gerassimow in Berlin empfangen – ein ungewöhnlicher Vorgang.
Dass jetzt schon wieder ein bilaterales Treffen stattfindet, wird als Zeichen der Entspannung gesehen. Die Beziehungen waren seit der russischen Annexion der Krim vor vier Jahren schwer angeschlagen. (sda/dpa/vom)