Mehrere zehntausend Menschen haben am Samstag in Köln gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinen Besuch in der deutschen Domstadt protestiert. Bereits am Mittag versammelten sich laut Polizei rund 30'000 Demonstranten. Sie wollten durch die Innenstadt zu einer Kundgebung marschieren. «Stoppt den Diktator Erdogan», forderten die Teilnehmer auf Plakaten. Manche skandierten sogar «Mörder» und «Faschist».
Zugleich trafen auf der anderen Rheinseite mehr als zehntausend Anhänger des türkischen Regierungschefs ein. Manche hatten schon seit den frühen Morgenstunden ausgeharrt. Vor der Lanxess-Arena, in der Erdogan sprechen sollte, drängten sich unübersehbare Menschenmassen.
Erdogan wollte am Abend – ungeachtet der massiven Kritik deutscher Politiker – eine Rede vor seinen Landsleuten halten, wenige Wochen vor der Präsidentenwahl in der Türkei. «Erdogan, du bist nicht willkommen», machten die Demonstranten auf Transparenten deutlich. Aufgerufen zu dem Protest hatte die Alevitische Gemeinde.
14:13 People singing Bella Ciao at demo against #Erdogan visit in #Cologne, #Germany. #Erdowahn #antireport #UgurKurt pic.twitter.com/OAz1bLgpaM
— Enough is Enough! (@enough14) 24. Mai 2014
Veranstalter beider Lager und die Polizei hatten sich auf rund 30'000 Anhänger und 30'000 Gegner des Ministerpräsidenten eingestellt. Sie wurden auch aus europäischen Nachbarländern wie Frankreich, Belgien, Österreich und den Niederlanden erwartet. Die Polizei war mit Hundertschaften vertreten, um Zusammenstösse zwischen beiden Gruppen zu verhindern.
Viele Demonstranten warfen dem türkischen Regierungschef vor, Menschenrechte einzuschränken und Minderheitenrechte zu missachten. Die Meinungsfreiheit in der Türkei werde immer weiter beschnitten.
Dass sich Erdogan keine zwei Wochen nach dem schweren Grubenunglück von Soma mit 301 Toten nun Zeit für einen Deutschland-Trip nehme, sei unverzeihlich, meinten viele. «Der Umgang mit der Katastrophe ist schrecklich. Die Menschen trauern, und Erdogan macht Propaganda in Köln», kritisierte Taylan Can, einer der Demonstranten. Offiziell sollte Erdogan zum zehnjährigen Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) sprechen, die als verlängerter Arm seiner Partei AKP gilt.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland und die meisten anderen gehen aber davon aus, dass Erdogan Wählerstimmen sammeln will. Denn es gilt als wahrscheinlich, dass er im August für das Präsidentenamt in der Türkei kandidieren wird. Dabei können erstmals auch fast 1,5 Millionen Türken in Deutschland ihre Stimme abgeben. (dhr/sda/dpa)