Rund 68'400 Besucher strömten dieses Jahr an die Electronic Entertainment Expo (kurz E3) in Los Angeles, um Infos über neue Releases der verschiedenen Spielehersteller zu erhalten und die Spiele gegebenenfalls gleich selber anzuzocken.
Die Stimmung ist gut, überall wird wild über Spiele diskutiert: «Was denkst du über das ‹Mario+Rabbids›-Game?», «Wirst du dir ‹Sea of Thieves› kaufen?», «Ich hoffe, sie versauen es nicht».
Dass der letzte Satz öfter fällt, verdeutlicht, dass so mancher Gamer vorsichtig geworden ist. Zu oft wurden an der E3 aus Mücken Elefanten gemacht. Bestes Beispiel dafür ist «No Man's Sky», welches an der E3 2014 präsentiert wurde und einen massiven Hype ausgelöst hat.
Und wer wäre nicht gehyped? Ein unendliches Universum? Multiplayer? Einzigartige Welten entdecken? Selbst wenn Entwickler Sean Murray hier nicht schamlos gelogen hätte (es gab keinen Multiplayer), das Spiel konnte nur enttäuschen.
Für die Entwickler ging die Rechnung aber auf. 2016 war «No Man's Sky» neben Spielen wie «The Witcher 3: Wild Hunt» und «Fallout 4» eines der meist verkauften Spiele auf Steam.
Die Geleimten waren die Spieler, welche das Spiel vorbestellt hatten und nicht das erhielten, was ihnen versprochen wurde.
Es ist ja nicht so, dass die Spielehersteller nicht wüssten, dass sie die Spieler enttäuschen. Das Marktforschungs-Unternehmen Gartner Inc. hat fünf Phasen des Hype-Zyklus definiert.
In einer ersten Phase wird ein Fachpublikum auf ein Game aufmerksam. Dann springen immer mehr auf den Hype-Train auf, zahlreiche Berichte widmen sich dem Thema, übertriebene Erwartungen werden aufgebaut und *plop*.
Plötzlich platzt die Hype-Blase, man wird mit dem realistisch Machbaren konfrontiert und fällt hinab ins Tal der Enttäuschungen. Die Aufmerksamkeit für das Produkt lässt nach, doch weil man jetzt realistischere Vorstellungen für die Vorteile hat, kann man sich langsam wieder damit versöhnen.
Das Problem ist aber nicht unbedingt dieser Zyklus, das Problem ist, dass die Game-Studios ein Interesse daran haben, diesen «Gipfel der überzogenen Erwartungen» möglichst hoch zu halten. Das ist gut für die Berichterstattung und kurbelt den Vorverkauf an. Dafür ist der Fall in die Enttäuschung danach umso grösser.
An der E3 merkt man förmlich, wie mit allen Mitteln versucht wird, Hype künstlich zu generieren. An der Microsoft-Konferenz zum Beispiel sind die vorderen Reihen für Fans reserviert, die sogar bei einer Durchsage jubeln, in der es heisst, man solle doch bitte auf Fotografie mit Blitz verzichten.
Während der Konferenz muss immer alles «einen Schritt weiter» und «zum ersten Mal gemacht worden» sein. Microsoft hat offenbar ein Problem damit, richtige Knüller-Games zu finden, welche die Leute auf ihre Konsole locken. Aber muss man deswegen neue «Minecraft»-Texturen wirklich so ankündigen, als sei der Messias persönlich vom Himmel herabgefahren, um Shader zu installieren?
Ein weiteres beliebtes Mittel, um vor der E3 bereits Hype aufzubauen, ist, die Leute im Unklaren zu lassen, was man genau ankündigen wird. Während das Ganze in einer positiven Überraschung münden kann, bringt es eine unglaubliche Erwartungshaltung mit sich, dass jetzt jedes Jahr ein absoluter Knüller enthüllt werden muss.
Das kann dann so enden wie in der Bethesda-Konferenz: Denn Bethesda hatte das Gefühl, sie müssten ebenfalls eine Pressekonferenz abhalten, obwohl sie ausser «Wolfenstein II» und ein paar für Virtual Reality rezyklierte Games praktisch nichts vorzustellen hatten. Leider sind dann viele enttäuscht, denn es hätte ja auch eine neue coole Franchise oder gar überraschende Ankündigungen zu einem «The Elder Scrolls 6» sein können.
Und es geht mir jetzt nicht darum, diese Games schlecht zu machen. Im Gegenteil: Viele Spiele, die in den letzten Jahren von der Community als Enttäuschung gewertet wurden, sind eigentlich gut spielbar – sogar «No Man's Sky». Das Problem ist nur, dass die Spiele als etwas dargestellt werden, was sie nicht sind und was sie auch nicht sein können.
So lange die Industrie so viel Geld macht, indem sie unseren Hype ankurbelt, wird sich daran wohl leider auch wenig ändern. Das Einzige, was wir dagegen tun können, ist realistisch zu bleiben und die Games nicht wegen einem vagen Versprechen vorzubestellen.