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Warum du wie Apple-Top-Shot Phil Schiller zu Mastodon wechseln solltest

Apple Fellow Phil Schiller ist seit Januar 2023 bei Mastodon im Fediverse aktiv.
Phil Schiller erkundet die Möglichkeiten der freien, unabhängigen Social-Media-Dienste. Bild: watson / Screenshot: tapbots.com
Analyse

Warum du es wie dieser Apple-Top-Shot machen und zu Mastodon wechseln solltest

Beim iPhone-Konzern hat man anfängliche Bedenken bezüglich der freien und unabhängigen Social-Media-Alternative abgelegt. Und der App-Store-Boss Phil Schiller betätigt sich als Pionier. Aber was ist mit dir?
31.01.2023, 08:5531.01.2023, 17:24
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Es ist niemand zu alt, eine neue Technologie zu entdecken und sich mutig in noch unbekannte Gefilde zu stürzen: Das stellt derzeit Phil Schiller unter Beweis.

Das Apple-Urgestein, mittlerweile 62, hat diesen Monat beim freien, unabhängigen Social-Media-Dienst Mastodon ein Profil eröffnet. Dies, nachdem Apples App-Store-Chef im letzten November sein Twitter-Profil deaktiviert hatte.

Beitrittsdatum: 10. Januar 2023.
Beitrittsdatum: 10. Januar 2023.screenshot: @pschiller@mstdn.social
«Lasst uns gut sein zueinander.»
Phil Schiller, im Mastodon-Profilbeschrieb

Inzwischen meldet sich Schiller mit Postings zu diversen Themen bei Mastodon zu Wort. Und er erhält auch – wie das im Fediverse üblich ist – freundlich gemeinte Ratschläge, wie er seine Social-Media-Aktivitäten verbessern kann.

Obwohl Schiller den Grund nie bestätigte, verliess er Twitter in der gleichen Woche, in der Elon Musk öffentlich Apple attackierte. (Musk deutete da an, dass der iPhone-Konzern das Schalten von Werbung auf «seiner» Plattform eingestellt habe – was sich nachträglich als Fehlbehauptung erwies.)

In einem seiner ersten Toots (Postings) bedankte sich der Apple-Topmanager für den herzlichen Empfang. Inzwischen hat sein Mastodon-Profil 19'000 Follower.
In einem seiner ersten Toots (Postings) bedankte sich der Apple-Topmanager für den herzlichen Empfang. Inzwischen hat sein Mastodon-Profil 19'000 Follower.screenshot: mastodon

Interessanterweise war einer von Schillers ersten Beiträgen auf Mastodon so etwas wie eine Werbebotschaft – für eine App namens Ivory. Das ist eine Mastodon-App, die von den Entwicklern der populären Tweetbot-App stammt.

Hier gilt es in Erinnerung zu rufen, dass Twitter unter Elon Musk Dritt-Apps neuerdings den Zugriff auf Twitter-Programmierschnittstellen (API) verweigert. Dieser Schritt bedeutete das Aus für populäre Apps wie Tweetbot.

Apples früherer langjähriger Marketing-Chef war 2020 von der Unternehmensführung unter Tim Cook in den Rang eines «Apple Fellow» gehoben worden.

«Diesen Status genossen vor Schiller bereits andere aktive und ehemalige Apple-Mitarbeiter. Einer davon ist Alan Kay, der von 1984 bis 1997 in Cupertino tätig war. Der mittlerweile 80-jährige Computerpionier gilt unter anderem als einer der Väter des objektorientierten Programmierens und prägte die Architektur grafischer Benutzeroberflächen wie der von macOS.»

Der altgediente Techmanager übe bei Apple nach wie vor eine wichtige Funktion aus, ruft heise.de in Erinnerung. So sei er trotz des eher symbolischen «Fellow»-Titels noch immer für die Leitung des App-Stores und die Veranstaltungen des Konzerns (Apple-Events, also Keynotes) zuständig.

Schillers Mastodon-Nutzung zeige, dass sich Apple zunehmend für den Twitter-Konkurrenten erwärme, konstatiert das deutsche IT-Newsportal. Entwickler bekannter Twitter-Anwendungen seien derzeit dabei, auf die freie Alternative Mastodon umzusatteln, nachdem Twitter selbst ein faktisches Verbot von Dritt-Apps im Januar eingeführt hatte.

Worauf wartet Apple?

Dass am Apple-Hauptsitz in Cupertino gewisse Vorbehalte bezüglich Mastodon und dem Fediverse existierten, zeigt die Geschichte des unabhängigen Software-Entwicklers Thomas Ricouard. Als der ehemalige Googler und Medium-Angestellte aus Paris sein Open-Source-Projekt «Ice Cubes» im App-Store lancieren wollte, stiess er auf breite Ablehnung.

Siebenmal hintereinander wurde seine App von Apples App-Review-Team, der Einlasskontrolle zum App-Store, abgewiesen. Zur Begründung hiess es, sie biete nur Links, Bilder und aus dem Internet zusammengetragene Inhalte – also genau das, was ein Mastodon-Client tun sollte ...

Dann schaltete sich der Apple-Blogger John Gruber ein. Der bekannte Techblogger, der in seiner Talkshow regelmässig hochrangige Apple-Gäste wie Software-Chef Craig Federighi oder Schillers Nachfolger, den Marketing-Chef Greg Joswiak, empfängt, bezeichnete die Entscheidung des Review-Teams in seinem Blog als «völlig unsinnig».

In ungewohnter Schärfe nannte Gruber die für die App-Ablehnung verantwortlichen Rezensenten ahnungslos und bürokratisch, berichtete heise.de. Nur zwei Stunden später habe Apple die App dann plötzlich doch für den App Store freigeschaltet. Dort ist sie nun kostenlos verfügbar.

PS: Noch gibt es kein offizielles Apple-Profil bei Mastodon. Den entsprechenden Account @apple hält der Mastodon-Erfinder Eugen Rochko für den US-amerikanischen Konzern in Verwahrung, wie heise.de schreibt.

Phil Schiller war und ist die erste Person aus Apples oberstem Führungsgremium, die bei Mastodon ein persönliches Profil eingerichtet hat. Ob Tim Cook, der sich wiederholt gegen den Überwachungskapitalismus à la Facebook und Co. geäussert hat, bald mit gutem Beispiel folgt?

Worauf wartest du?

Ob viele Unternehmen Twitter definitiv verlassen und stattdessen bei Mastodon Präsenz markieren, ist fraglich.

Sicher ist: Um eigene praktische Erfahrungen zu sammeln und mitreden zu können, empfiehlt sich das Einrichten eines persönlichen Mastodon-Profils.

Sicher ist aber auch, dass Akteure aus der Politik, aus Medienorganisationen, Universitäten, Stiftungen, gemeinnützigen Organisationen und NGOs ihre (geschäftlichen) Beziehungen zu Twitter dringend überdenken sollten.

Twitter ist keine Mastodon-Alternative, sondern eine Gefahr für die Demokratie und ein schwer kalkulierbares Reputationsrisiko für Unternehmen.

Der amerikanische Techjournalist und Autor Dan Gillmor brachte es auf den Punkt: Elon Musk habe mit seinem Verhalten auf Twitter seine Verachtung für die Meinungsfreiheit im Allgemeinen und den Journalismus im Besonderen gezeigt. Der Multimilliardär zeige damit auch, warum es töricht sei, sich auf zentralisierte Plattformen zu verlassen, um wertvolle Informationen zu erstellen und zu verteilen.

Und an diejenigen gerichtet, die noch zögerten, der Social-Media-Plattform den Rücken zu kehren, warnte er:

«Diejenigen, die sich weiterhin in diesem Rahmen bewegen, werden keine andere Wahl haben, als Musks Strategie zu unterstützen und zu fördern. Selbst wenn du den ganzen Tag damit verbringst, ihn auf Twitter zu bekämpfen, hilfst du Musk und seinesgleichen zu gewinnen, weil sie davon leben, angegriffen zu werden. Sie gewinnen, indem sie dich zwingen, ihre Argumente zu negieren, denn wenn du dich in den sozialen Medien mit ihren Argumenten auseinandersetzt, trägst du auch zur Verbreitung ihrer Argumente bei.»
quelle: framelab.substack.com

Quellen

Die wichtigsten Begriffe rund um das Fediverse

1 / 16
Die wichtigsten Begriffe zu Mastodon und dem Fediverse
Vergiss Twitter! Diese Begriffe zur europäischen Social-Media-Alternative Mastodon bringen nicht nur Elon Musk ins Schwitzen ...
quelle: keystone / gregory bull
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15 Kommentare
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Ichwillauchwassagen
30.01.2023 19:40registriert Mai 2019
Na dann los, Watson.
Weg mit dem Vogel oben und her mit dem Vierbeiner.
Jetzt macht ja sogar jemand von Apple mit.
Ist Zeit, dem Musk den Rücken zu kehren.
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