Der Menstruationszyklus ist im Sport noch immer ein Tabuthema. Die Forschung zeigt, dass ein grosser Einfluss auf die Leistung besteht. Bis heute mangelt es vielen Frauen an Informationen und Aufklärung. Tatsächlich hilft sportliche Aktivität, Menstruationsbeschwerden zu verringern.
Die britische Sport-Wissenschaftlerin Georgie Bruinvels forscht zum Thema und hat dem amerikanischen Frauenteam geholfen, die Fussball-WM 2019 zu gewinnen. Dazu stimmten die Profi-Fussballerinnen ihren gesamten Trainingsplan und die Ernährung auf ihren Zyklus ab.
Die Smartphone-App, die es auch für Amateur-Sportlerinnen gibt, ermöglicht, im Einklang mit dem Zyklus zu trainieren und gibt Tipps zur richtigen Ernährung. Damit trägt die App massgeblich dazu bei, Verletzungen zu vermeiden.
Man will sich gar nicht vorstellen, wie sich der brasilianische Fussballstar Neymar auf dem Platz winden würde, wenn er (auch noch) Menstruationsbeschwerden hätte.
Und wie wäre wohl das epische Wimbledon-Finale zwischen Roger Federer und Novak Djokovic verlaufen, wenn eines der Tennisasse gerade seine Tage gehabt hätte ...
Blut. Viel Blut.
Das kommt den meisten Frauen (und Männern) in den Sinn, wenn es ums Thema Menstruation geht. Doch noch immer halten selbst moderne Zeitgenossinnen die Periode für ein zu persönliches Thema, um offen darüber zu sprechen.
Was dem «starken Geschlecht» erspart bleibt, ist für Fussballerinnen normal – und nicht der Rede wert. Viele schlucken die Pille, weil sie darin die einzige Möglichkeit sehen, die Periode zu unterdrücken und Beschwerden zu umgehen.
Wenn sie keine Hormonpräparate nutzen, müssen Frauen in Trainings und bei Wettkämpfen mit Schmerzen, mangelnder Energie und Stimmungsschwankungen rechnen. Doch das wollte Georgie Bruinvels nicht mehr hinnehmen.
Die promovierte Sport- und Bewegungstherapeutin, die als Marathonläuferin Erfolge feiert, hat mit einer Arbeitskollegin beim Sport-Tech-Startup Orreco die «FitrWoman»-App entwickelt. Das ist eine Gratis-Anwendung fürs iPhone und für Android-Geräte, die hilft, die Auswirkungen der Menstruation auf Training und Wettkampf zu beeinflussen.
Die fürs iPhone und für Android-Smartphones verfügbare App hilft Sportlerinnen, Training und Wettkämpfe den verschiedenen Abschnitten des Menstruationszyklus anzupassen. So soll sich die Leistung steigern und das Risiko von Verletzungen durch hormonelle Veränderungen senken lassen.
Täglich liefert das Programm Daten über den körperlichen Zustand. So kann die Sportlerin anhand von zugeschnittenen Informationen entscheiden, welches Training optimal ist, wenn sich der Hormonspiegel entsprechend verändert hat. Und welche Nahrung dabei hilft, das Energieniveau zu halten, und den Blutzuckerspiegel nicht absinken zu lassen.
Die Mitglieder der englischen Hockey-Frauenmannschaft lassen ihren Zyklus schon seit den Olympischen Spielen 2012 in einem Kalender erfassen, wie der «Guardian» berichtet. Bei der Analyse stiess der Kraft- und Konditionstrainer auf ein Muster, wann Weichteilverletzungen auftraten.
Das geht natürlich per App einfacher.
Die US-Frauenfussballmannschaft nahm die Forschungen von Dr. Bruinvels auf und nutzte sie während des WM-Turniers in Frankreich, wie die «Times» berichtete.
Ein britischer Trainer, der mit dem US-Team zusammenarbeitet, konnte sich in ein entsprechendes Programm einloggen, um zu sehen, wo die Spielerinnen im Menstruationszyklus standen. Dies ermöglichte es, die Ernährung individuell anzupassen, um die Leistungsfähigkeit zu maximieren.
Die Mutter von Tennis-Profi Andy Murray hörte von der erfolgreichen Anwendung der Methode und setzt sich nun dafür ein, dass Georgie Bruinvels auch den Tennisspielerinnen hilft.
Georgie Bruinvels betont, es sei wichtig, den ganzen Menstruations-Zyklus zu betrachten: Also den 28-tägigen (oder auch etwas längeren) Rhythmus, und nicht nur die Periode, also die Zeit, die als Regelblutung bezeichnet wird.
Die App hilft herauszufinden, wie der natürliche Hormonspiegel und die Leistungsfähigkeit zusammenhängen. Gerade weil sich der Frauenkörper während des Zyklus wegen der Hormone ständig verändert, beeinflusst dies massiv die Leistungsfähigkeit und wie sich die Sportlerin fühlt.
Wichtige Erkenntnisse:
Es gilt festzuhalten, dass der Zyklus bei jeder Frau anders verläuft. Die Schlüsselzeiten, in denen Symptome auftreten, seien oft individuell, sagte Bruinvels. «Du musst sie bestimmen, aber sie sind normalerweise in jedem Zyklus gleich.»
In der Regulation eines Menstruationszyklus spielten viele verschiedene Hormone eine Rolle. Und viele dieser Hormone hätten auch einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit.
Das erkläre, warum die eine Sportlerin möglicherweise in ihrer ersten Zyklushälfte eine bessere Kraft-Leistungsfähigkeit aufweise und ihre Kollegin mehr in der zweiten Zyklushälfte. Diese Unterschiede machten es fast unmöglich, innerhalb einer Gruppe allgemeingültige Aussagen zu treffen.
Der Fitness-Tracker-Hersteller Strava hat im April dieses Jahres die ersten Ergebnisse einer weltweiten Umfrage unter sportlich aktiven Frauen veröffentlicht. Geleitet wurde die Studie, an der auch Nutzerinnen der FitrWoman-App teilnehmen konnten, von Georgie Bruinvels. Leider gibt es keine Angaben zur Schweiz, doch sollen auch die Erkenntnisse aus unserem nördlichen Nachbarland aufhorchen lassen.
Damit zu den positiven Erkenntnissen:
Damit kommen wir zu einem negativen Punkt, der nicht nur Frauen betrifft, sondern die Gesellschaft als Ganzes: Es mangelt an Aufklärung – und dies auf allen Ebenen.
Georgie Bruinvels sagt, sie wolle mit ihrer Arbeit die Diskussion anstossen über Bewegung, den Menstruationszyklus und andere Faktoren des Lebensstils. Frauen müssten die Möglichkeit bekommen, mit ihrem Körper zu arbeiten, nicht gegen ihn.
Bleibt anzumerken, dass Menstruation-Tracking mit dem Smartphone ab diesem Herbst zum Massenphänomen werden könnte. Dann lanciert Apple mit iOS 13 eine entsprechende Funktion fürs iPhone.
Hunderte Millionen Frauen erhalten die Möglichkeit, ihren Zyklus detailliert zu erfassen und optional eine Prognose zu erhalten zur Periode und den fruchtbaren Tagen. Wobei (vorläufig) keine Sport-Tipps vorgesehen sein sollen.
Apple schreibt dazu: