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Es liegt vor mir, das MP01 Mobile Phone. Ein bisschen riecht es nach Revolution. Ein Gerät, zwei Kabel, alles schwarz, alles kurz. Understatement. Telefonieren, SMS schreiben, ein paar Kontakte im Adressbuch. Fertig. Das war's auch schon. Reduce to the max.
Ein letztes Mal streiche ich mit meinen Fingern über den Bildschirm meines iPhones, um sinnlose Apps zu öffnen und wieder zu schliessen. Vielleicht ist es Abschiedsschmerz, vielleicht eine letzte verzweifelte Tat im Delirium der Sucht.
Ich schalte mein iPhone ab. Dann versuche ich fünf Minuten lang, meine Mikro-SIM-Karte in die Halterung und die Halterung wiederum in dieses Ding zu stecken. Kapituliert die Einfachheit vor der digitalen Realität? Ich will es ausschalten, da fragt es mich nach dem PIN. Ach, es will mich doch.
Das Logo von Punkt, der Firma, die dieses Gerät entworfen hat, lacht mich höhnisch an. Das war's schon, du totally addicted person. Was sollte denn ein Telefon können, ausser telefonieren und Kurznachrichten schicken? Eben. Punkt.
Ich fühle mich unwohl. Alle paar Minuten drücke ich auf irgendeinen Knopf, in der Hoffnung, dass das Telefon mit mir spricht, irgendwelche Alarme sendet, WhatsApp-Nachrichten, Aktualisierungsbitten, Liebe. Aber da ist nur das grosse, schwarze Loch der Realität. Wer hält diese Ruhe heute noch aus?
Natürlich erhalte ich keine Nachrichten mehr. Keiner meiner Freunde schreibt mir noch SMS.
Natürlich, ich bin überzeugt, wenn ich ihnen sagen würde, dass ich nun für immer offline bin, und man mich nur telefonisch oder per Nachricht erreicht, würden die Leute das begreifen. Sie würden mich dann auf anderen Wegen erreichen. Menschen sind Gewohnheitstiere, sie werden konditioniert. Man erzieht sie dazu, schlaflose Nächte auf Twitter zu verbringen.
Warum sollte man sie nicht dazu erziehen können, einen wiedermal anzurufen?
Das MP01 Mobile Phone will nicht einfach ein altes Telefon sein, wie wir sie alle noch irgendwo in Schubladen liegen haben. Es ist die Zukunft des Simplify your Life: Ein Handy, modern, Design, für alle, die der digitalen Sucht noch nicht erlegen sind. Oder sich verzweifelt von ihr befreien wollen.
Mein eigenes Telefonbuch ist leer. Keine Kontakte importiert. Ich müsste jede Nummer manuell eingeben, wie früher. Was früher selbstverständlich war und überhaupt kein Problem, lässt mich nun faul in mich zusammensacken.
Nummern eingeben? No way. Ich weigere mich. Verschwendete Lebenszeit. Wie viele Stunden ich in meinem Leben schon sinnlos auf meinem Smartphone rumgestrichen habe, verdränge ich mal eben kurz.
Die Firma sagt: Bei Marktreife könne man Nummern importieren. Immerhin. Und immerhin hat das Telefon automatisch erkannt, welche Uhrzeit und welches Datum wir haben. Wie, ist mir ein Rätsel. Modernste Technik, wohl.
Es macht mich nervös, dass ich meine Emails nicht dabei habe. Ich kann nirgends nachschauen, wie die Person doch schon wieder heisst, mit der ich mich beruflich nach dem Mittagessen treffe. Ich kann das Gleis, auf dem mein Zug fährt, nicht mehr aufrufen, bevor ich überhaupt im Bahnhof bin. Um es dann noch fünf weitere Male aufzurufen, weil ich vergessen habe, welche Nummer das Gleis hat. Weil ich ja immer nachschauen kann.
Leerer Kopf, volles Smartphone.
Nach ein paar Stunden, nach ein, zwei Tagen Entzug wird es plötzlich ruhiger. Ich habe mich angepasst an meine neue Realität. Was man selten tut, das fehlt einem auch immer seltener.
Ich habe eine emotionale Bindung zu diesem kleinen Design-Ding aufgebaut.
Dieses Telefon ist das, was die guten alten Telefone sind: Stabil, verlässlich, reduziert. Mit langer Akkuzeit und Knöpfen, auf die man drückt. Nur, dass wir im Jahr 2015 sind, und dieses Gerät uns in unserer stillen Melancholie dort abholt, wo wir denken:
Immer dieses chatten, phonen, whatsappen, surfen: Wozu?
Manchmal wollen wir doch die Welt wieder so erfahren, wie sie vor zehn Jahren noch war. Für viele eine unmögliche, unwirkliche Vorstellung.
Vielleicht hilft dieses Telefon, genau das zu tun: Zurück zum Einfachen zu gehen, ohne, dass man dabei aussieht, als habe man dieses digitale Zeitalter nie gekannt.
Natürlich habe ich mein iPhone wieder eingeschaltet. Ich habe meine WhatsApp-Messages gelesen, mein Facebook gecheckt, meine Emails, meine Apps, meine Aktualisierungen, meine Einkaufsliste, meine To-do-Liste.