Ich bin baff. Jetzt gibt es tatsächlich seit Ende März den OWN-Token, benannt nach Michael Owen, dem ehemaligen Real-, Liverpool- und Manchester-United-Spieler.
Das Talent wurde nach einem Sensationstor an der WM 1998 gegen Argentinien als 18-Jähriger über Nacht berühmt und gehypet. Seine Karriere nahm, vor allem wegen zahlreicher Verletzungen, einen weniger glücklichen Verlauf.
In gewisser Hinsicht steht Owens Schicksal sinnbildlich für die Kryptoindustrie. Der Hype ist riesig und das Talent unbestritten, im Moment aber ächzt die Industrie vor allem unter den groben Fouls.
Wieso braucht es einen separaten Coin, um Merchandise zu kaufen? Eine hirnrissigere Idee für einen eigenen Token kann man fast nicht formulieren.
Wieso brauchte es nach der Fork von Bitcoin Cash auch noch Bitcoin Gold, Bitcoin Diamond und Bitcoin Private? Interessanterweise steht hinter der Bitcoin-Private-Fork derselbe Mann, der auch ZCash Classic von ZCash abspaltete und den Whale-Coin erfand.
Es ist, man kann es getrost ausdeutschen, reine Abzocke.
Wieso nimmt eine Softwarefirma vier Milliarden ein und erfrecht sich danach, kein ausgereiftes Produkt abzuliefern? Die Abzock-Signale zeigen auch hier tiefes Rot. Raffgier ist erst die Vorstufe.
Die Chancen, dass Projekte wie Bitcoin Diamond den Status von reinen Spekulationsobjekten jemals verlassen und einen gesellschaftlichen Nutzen hervorbringen, sind gleich null. Trotzdem. Bitcoin Diamond hat im Moment einen Wert von über 300 Millionen Dollar. Für nichts.
Die Chance, dass diese Projekte ganz wenige Leute reicher, viele aber ärmer machen, ist dafür umso höher. Nicht nur in Sachen Bullshit macht die Krypto-PR-Maschinerie langsam dem amerikanischen Präsidenten Konkurrenz.
War die Auseinandersetzung zwischen Bitcoin- und Bitcoin-Cash-Maximalisten zu Beginn noch amüsant, nervt das tägliche Gezeter mittlerweile nur noch: «Vitalik hat im Fall die Smartcontracts nicht erfundenmimimi». Auch zwischen Bitcoin-, Ethereum-, IOTA- und Ripple-Maximalisten fliegen die Fäuste.
Nein.
Leider fliegen die Fäuste nicht. Das hätte wenigstens Unterhaltungswert.
Nein. In der Krypto-Welt beisst man sich keine Ohren ab. «Vitalik Butterins Go-Spiel ist ohne Strategie und ohne Plan und damit die grösste Beleidigung», twitterte letzte Woche sinngemäss ein hochangesehener Bitcoin-Entwickler. So mimimit man in der Nerd-Welt. Das ist dann quasi Materazzi-Niveau.
Und was ist mit Tether los? Wie lange kann das auf den Virgin-Islands registrierte Unternehmen Tether Holdings Limited noch weiter undurchsichtig geschäften?
Die Blockchain und die neuen Möglichkeiten sind eine wunderbare Sache. Und ja, ich bin mir bewusst, dass Dezentralisierung seine Probleme mit sich bringt und jede Medaille eine Kehrseite hat – nichts geht ohne Störgeräusche. Im Moment sind diese aber derart laut, dass die Vorfreude auf die neuen Möglichkeiten einfach niedergeschrien wird.
Deshalb braucht es einen reinigenden Crash. Januar Faktor zehn bitte. Dass meine Investitionen ins Minus geraten würden, ist mir egal. Auch die Häme der Nocoiner – egal. Leid täte es mir für die vielen naiven Spekulanten, die im Januar eingestiegen sind. Ihnen wünsche ich für einen solchen Fall «eiserne Hände».
Ich bin mir bewusst, dass auch der schönste Krypto-Tsunami nicht sämtlichen Dreck aus der Industrie spült. Aber wenigstens so viel, dass man das Meer der neuen Möglichkeiten wieder deutlicher erkennen kann.