Nicht alle Messenger-Apps sind gleich...bild: watson/Web Share
Kommentar
Willst du den neuen WhatsApp-AGB zustimmen? Dann solltest du zuvor diesen Chat lesen
WhatsApp setzt ein Ultimatum: Entweder die neuen AGB akzeptieren, oder den Messenger wechseln. Dieser fiktive Chat-Verlauf zeigt, warum Threema und Signal derzeit viele neue User gewinnen.
WhatsApp-Nutzer kennen es: Seit Wochen erscheint beim Öffnen der App die Aufforderung, den neuen Nutzungsbedingungen zuzustimmen.
«Als Teil der Facebook-Unternehmen erhält WhatsApp Informationen von anderen Facebook-Unternehmen und teilt auch Informationen mit anderen Facebook-Unternehmen.»
Nutzungsbedingungen WhatsApp
Und wer sich weigert? Nach dem 15. Mai 2021 wird WhatsApp zunächst wie gewohnt funktionieren, aber nach einigen Wochen ist endgültig Schluss. Dann wird diese Erinnerung permanent angezeigt und die App wird nur noch stark eingeschränkt nutzbar sein.
Mit diesem Hinweis versucht WhatsApp seine User zu überzeugen.screenshot: watson
WhatsApp sagt nun klipp und klar:
«Nach Ablauf einiger Wochen wird diese Erinnerung permanent angezeigt. Sobald du eine permanente Erinnerung bekommst, wird deine Funktionalität von WhatsApp eingeschränkt, bis du die Änderungen akzeptierst.»
WhatsApp
Wer sich weigert, kann nach ein paar Wochen nicht mehr auf die Chatliste in der App zugreifen. Das heisst, dass nur noch neue Nachrichten über die Benachrichtigungen gelesen bzw. beantwortet werden können.
Danach ist ganz Schluss:
«Nach ein paar Wochen eingeschränkter Funktionalität wirst du keine Anrufe oder Benachrichtigungen mehr erhalten. WhatsApp schickt dann keine Nachrichten oder Anrufe mehr an dein Handy.»
WhatsApp
Auch wenn du den neuen AGB schon zugestimmt hast, es gibt gute Gründe weniger datenhungrige Alternativen wie Threema oder Signal zu nutzen. Vielleicht kommt dir ja dieser fiktive Chat-Verlauf bekannt vor...
Hey, ich lösche WhatsApp nun definitiv.
Warum denn das? 😱
WhatsApp ändert seine Nutzungsbedingungen und die Datenschutzrichtlinie. Bestimmt hast du diese Meldung auch gesehen 👇
Hast du schon auf «Zustimmen» geklickt?
Kann schon sein... 🤷
Und falls nicht, machst du es bis spätestens am 15. Mai?
Klar, sonst kann ich WhatsApp ja nicht mehr nutzen...
Was ändert sich eigentlich?
Eigentlich nicht viel. WhatsApp teilt schon jetzt gewisse Daten mit Facebook, zum Beispiel die registrierte Telefonnummer. Daran ändert sich nichts. Aber WhatsApp kann Daten aus WhatsApp-Profilen mit Daten aus Facebook- oder Instagram-Profilen verknüpfen und so ein umfassendes Bild seiner Nutzer erstellen.
In Europa und somit auch in der Schweiz wird Facebook die von WhatsApp erhaltenen Nutzerdaten allerdings vorerst nicht für personalisierte Werbung nutzen, sagen sie...
Dann ist ja alles gut...
Schau mal das an 👇
Threema und Signal sind besonders datensparsam.
Das Problem bei WhatsApp sind nicht primär die neuen Nutzungsbedingungen. Heikel ist, dass WhatsApp schon seit Jahren viel mehr persönliche Daten als andere Messenger-Apps abgreift und einige davon mit Facebook teilt, obwohl sie ursprünglich versprochen haben, dies nicht zu tun.
Welche Bedeutung WhatsApp dem Datenschutz beimisst, lässt sich also daran ablesen, wie viele Informationen die App ausliest und teils an Facebook weitergibt. Threema und Signal hingegen sind so konzipiert, dass so wenige Daten wie möglich anfallen.
Aber immerhin sind Nachrichten über WhatsApp verschlüsselt, oder?
Ja, WhatsApp und Facebook wissen nicht, was wir schreiben, da die Nachrichten verschlüsselt sind. Aber es geht dem Konzern gar nicht um die Inhalte der Nachrichten. Stattdessen geht es Facebook um Metadaten und die Dinge, die der Konzern daraus schliesst: Wer kommuniziert mit wem? Wer nutzt welche Geräte? Wer nutzt die App wie häufig und wie lange?
WhatsApp kennt also trotz verschlüsselter Kommunikation deine:
📞 Kontakt-Informationen (E-Mail, Handynummer)
👥 Kontakte (Namen und Handynummern deiner Kontakte im Adressbuch)
📍 Standort-Informationen (via IP-Adresse, GPS, Bluetooth-Signale, WLAN-Zugangspunkte, Beacons und Funkzellentürme)
💰 Nutzungs-Informationen (wie du WhatsApp nutzt, wie du mit anderen interagierst, z.B. auch wenn du mit einem Unternehmen interagierst sowie Zeitpunkt, Häufigkeit und Dauer deiner Aktivitäten oder auch wann du WhatsApp zum letzten Mal genutzt hast)
🕵️♂️📱 Geräte- und Verbindungsdaten (Geräte-ID, also eine eindeutige ID für Werbezwecke plus weitere Informationen zu deinem Gerät und Betriebssystem, Browser, Batteriestand, Signalstärke, Mobilfunk- oder Internetanbieter, Sprache und Zeitzone, IP-Adresse etc.)
⚙️ Diagnosedaten (Absturzberichte etc.)
🛍️ Einkaufs-Historie (in einigen Ländern)
💳 Zahlungsmethoden (in einigen Ländern)
Und darüber hinaus zahlreiche weitere unverschlüsselte Metadaten der gesendeten Textnachrichten!
Meta? Was?
Metadaten sind unverschlüsselte Daten, die beim Chatten und Telefonieren quasi nebenher anfallen. Zum Beispiel: - deine Benutzer-ID sowie die Uhrzeit, zu der du eine Nachricht gesendet hast - wann du online bist - wie häufig und wie lange du die App nutzt - wie du WhatsApp nutzt (Handy, PC, etc.) - oder wo du WhatsApp nutzt
Ok... und jetzt?
Aus unverschlüsselten Metadaten lassen sich Bewegungsprofile, Beziehungsprofile oder gar psychologische Profile ableiten, die allenfalls künftig für Werbung auf WhatsApp genutzt werden. Ausserhalb von Europa will Facebook die Metadaten von WhatsApp-Nachrichten nun auch für personalisierte Werbung auf Facebook und Instagram nutzen.
Na ja, ich habe nichts zu verbergen. Mein Leben ist so langweilig, sollen die doch meine Daten haben 🤷
WhatsApp bzw. Facebook könnten alle gespeicherten Informationen kombinieren. Daraus liessen sich dann weitere Informationen über dich ableiten:
- 👥 mit wem du wann und wo Kontakt hattest
- 🏠 wo du wohnst
- 👩🏻💼 wo du arbeitest
- 🛏️ wann du wach bist oder wann du schlafen gehst
- 👩⚕️ zu welchem Arzt du gehst
- 💔 wie es dir vermutlich im Moment geht
Schau dir mal dieses Video an. Hier wird vieles verständlich erklärt. 👇
Interview mit Datenschutzexpertin Katharina Nocun.Video: Vimeo/Jörg Schieb
Metadaten sind für Firmen wie Facebook Gold wert. Klar, aktuell sagt WhatsApp, man speichere nicht, wer, wem Nachrichten sendet. Man führe im Moment auch keine Werbung im Messenger ein, aber das kann sich ändern...
In Indien und Brasilien ist es bereits möglich Geld über WhatsApp zu senden. Läden können Produkte direkt in WhatsApp verkaufen. So weiss der Messenger wohl bald auch, wer was kauft und wer sich was leisten kann 👇
WhatsApp wird zum Bezahl-Dienst und Online-Shopp.
ok... 😳
Und was macht WhatsApp mit diesen Informationen?
Facebook erstellt von seinen Nutzern eine Art Steckbrief (sogenanntes Profiling). Diese Daten ermöglichen Unternehmen zielgerichtete, personalisierte Werbe-Anzeigen zu schalten. So verdient Facebook sein Geld.
Facebook weiss aber noch weit mehr über dich!
Wie das?
Nicht nur WhatsApp, auch der Mutterkonzern Facebook und die dazu gehörenden Apps Facebook Messenger und Instagram sammeln Metadaten. Facebook kann diese Daten verknüpfen und dir zuordnen.
Kein Problem. Ich nutze weder Facebook, Messenger noch Instagram.
Tja, selbst wenn du diese Apps nicht nutzt, kennt dich Facebook besser als du glaubst!
Wie das?
Facebook ist in vielen Apps und Webseiten (unsichtbar als Tracker) integriert.
Facebook weiss, wann du diese Webseiten besuchst und für was du dich interessierst.
Selbst wenn du nie bei Facebook angemeldet warst, sammelt Facebook Daten über dich. Denn Facebook erstellt heimlich sogenannte Schattenprofile von Nichtmitgliedern. Das ist z.B. möglich, wenn Freunde von dir ihr Adressbuch, wo deine Kontaktdaten drin stehen, bei Facebook hochgeladen haben.
Na ja, ich bin eigentlich ganz froh, wenn ich passende Werbung erhalte und nicht irgendwelche Anzeigen, die mich null interessieren.
Viele Menschen dulden Tracking im virtuellen Raum, weil es unsichtbar ist. Aber überleg mal, wie es wäre, wenn du in einem Café sitzt und der Inhaber ständig protokolliert, wann du kommst, mit wem du dort bist, worüber ihr sprecht etc., nur um dir passende Angebote für das nächste Getränk machen zu können. Fändest du das auch toll?
Eher nicht...
Oder würdest du einer fremden Person dein entsperrtes Smartphone geben und sagen: «Ich bin damit einverstanden, dass du alles durchsuchst?»
Zu argumentieren, dass man keine Privatsphäre brauche, weil man nichts zu verbergen habe, ist so, als würde man sagen, dass man keine Meinungsfreiheit brauche, weil man nichts zu sagen habe.
Okay, aber wie entgehen wir WhatsApps Datenhunger? Müssen wir jetzt wieder SMS schreiben?
Nein! 😀
Es gibt Alternativen.
Threema und insbesondere Signal funktionieren sehr ähnlich wie WhatsApp. Die Nachrichten sind ebenfalls verschlüsselt, es werden aber keine Daten für Werbezwecke gesammelt, es ist kein zwingender Adressbuch-Zugriff erforderlich und die Apps sind Open Source, das heisst der Quellcode ist öffentlich einsehbar.
Der Unterschied zwischen Threema und WhatsApp einfach erklärt 👇
Anonymität ist für Privatsphäre, was Verschlüsselung für Sicherheit ist.
Bei Threema ist die Kommunikation sogar vollständig anonym möglich, da man, anders als bei Signal, nicht mal eine Telefonnummer angeben muss.
Signal wiederum sieht fast eins zu eins wie WhatsApp aus. Das macht den Umstieg besonders einfach 👇
Signal ist genau so einfach zu nutzen wie WhatsApp.
Aber haben Threema und Signal die gleichen Funktionen wie WhatsApp?
Bis auf wenige Ausnahmen: Ja.
Auch bei Threema und Signal möglich:
Text- und Sprachnachrichten ✔️
Bilder und Videos versenden ✔️
Sprach- und Videoanrufe ✔️
Gruppenchats (inkl. Erwähnungen) ✔️
Zitieren von Nachrichten ✔️
Am Computer nutzbar ✔️
Aber Threema ist nicht gratis...
Na ja, ein Smartphone kostet 200 bis über 1000 Franken.
Dein Handy-Abo kostet wohl mindestens 20 Franken pro Monat.
Threema kostet dich einmalig 3.00 Franken.
Schon, aber wie soll ich sicher sein, dass Threema oder Signal eines Tages nicht doch auch meine Daten sammeln?
Eine absolute Sicherheit gibt es nicht, aber das Risiko ist derzeit gering: Hinter Signal steht eine Stiftung, die keine kommerziellen Interessen verfolgt. Die App wird durch Spenden finanziert. Bei Threema zahlen Private einmalig drei Franken, für Firmen und Schulen gibt es ein Abo-Modell. Du hast also die Wahl: Du zahlst mit Geld oder deinen Daten.
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
zuercher123
12.05.2021 18:09registriert August 2016
Ja die elendigen Schnüffler. Sogar Watson hat ne Menge Tracker im Einsatz, Safari blockt hier 17 Stück, das sind sogar mehr als bei 20min (11) und Blick (9).
Nach IT-Flop: Zürcher Finanzkontrolle untersucht Beschaffung der Justizsoftware
Die Zürcher Finanzkontrolle wird das Projekt für die problembehaftete Beschaffung einer neuen Software für den Justizvollzug untersuchen. Die Zürcher Justizdirektion hat den Prüfbericht nach aufgekommener Kritik bestellt, wie sie am Donnerstag mitteilte.
Sogar Watson hat ne Menge Tracker im Einsatz, Safari blockt hier 17 Stück, das sind sogar mehr als bei 20min (11) und Blick (9).
98% meiner Kontakte nutzen Whatsapp. Too big to stop quasi.