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Krypto-Betrüger verraten ihre Geheimnisse – und drohen

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Krypto-Betrüger verraten mir im Chat ihre Geheimnisse – und drohen mir

04.08.2018, 13:2205.08.2018, 07:45
Christina Zur Nedden / watson.de
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Hallo Krypto-Freunde!

Lang, lang ist's her, dass ich euch mit Krypto-News versorgt habe. Schuld bin natürlich nicht ich, sondern der Krypto-Winter. Ja genau, es ist Sommer – aber in Krypto-Land passierte lange nichts, sagen jedenfalls die Krypto-Influencer. Ian Balina ist so einer.

Der Krypto-Investor und Influencer, dem tausende Wannabe-Krypto-Kings aufs Wort folgen, verkündete Ende Mai auf seinem YouTube-Kanal, dass «Sparkster» seine neue Lieblingswährung sei.

Für Sparkster gab es einen sogenannten ICO, kurz für Initial Coin Offering, was eine Art Crowdfunding ist, um eine Währung auf den Markt zu bringen. Dabei gibt es ein Finanzierungsziel, Interessenten können die Währung kaufen und dann hoffen, sie gewinnbringend wieder zu verkaufen, wenn die Welt sich darauf stürzt.

Balinas Empfehlung verursachte einen Hype auf Sparkster. Mehr Leute wollten die Währung vorab kaufen, als vom «Crowdfunding» vorgesehen. Auf Telegram entstanden unzählige Sparkster-Gruppen, in denen Leute hofften, in sogenannten «Crowdsales» ein paar SPRK zu ergattern. 

Moment, was war nochmal Telegram?
Telegram ist eine Alternative zu WhatsApp. Der Chatdienst ist bei Krypto-Tradern beliebt, denn sie können sich anonym austauschen und private Deals abschliessen. In Folge 2 von Krypto-Kolumna trat ich einer sogenannten «Pump and Dump Gruppe» auf Telegram bei, die Insider-Trading mit Kryptos macht.

Und wonach schreit das Ganze förmlich? Richtig, nach Betrügern! Und genau mit denen unterhielt ich mich Anfang Juli etwas intensiver. Das Ergebnis? Sie erzählten mir zwar ihre Geheimnisse, drohten mir am Ende aber auch. Aber der Reihe nach:

Betrüger 1: «Michael Myers»

Kurz bevor die Währung auf den Markt kommen sollte, bin ich in einer Sparkster-Telegram-Gruppe mit 61'000 Mitgliedern unterwegs. Da chattet mich ein User namens Michael Myers an. Ich ahne schon, dass er mich betrügen will (Michael Myers?!), aber man hat ja sonst nichts zu tun.

MM: Willkommen bei Sparkster!
Ich: Hi.
MM: Wie war dein Tag?
Ich: Gut.
MM: Schön. Bist du an einem privaten Vorverkauf von Sparkster-Tokens interessiert?
Ich: Lol, den gibt es nicht. Wenn, dann gab es den schon vor Monaten.
MM: Da bist du falsch informiert, weil sich der Crowdsale verzögert, haben wir den privaten Vorverkauf wieder geöffnet.

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Er schickt mir einen Link zu seinem Wallet, wo er angeblich Sparkster-Tokens hält. Als ich drauf klicke, sehe ich, dass seine Tokens «Spark» heissen. Nice try. Schlechter Fake. Er will, dass ich ihm ETH-Coins schicke, um seine fake Coins zu bekommen. Ich lasse mir nichts anmerken.

Ich: Klar, gerne kaufe ich dir was ab.
MM: Sag mir, wenn du die ETH geschickt hast.
Ich: Wie viel?
MM: Alles bis zu 20 ETH (das sind rund 8000 Euro!) geht, minimum sind 0,5.
Ich: Wann bekomme ich meine Tokens?
MM: Sie werden sofort von meinem Wallet abgeschickt.
Ich: Ich schicks dir jetzt.

Was sind ETH-Coins?
ETH steht für Ethereum und ist eine Blockchain-Plattform (die digitale Infrastruktur hinter vielen Währungen). Daneben hat Ethereum eine eigene Kryptowährung namens Ether (ETH). Mit dieser Währung werden viele kleinere und vor allem neue Währungen (ICOs) bezahlt. ETH ist also das gängigste Art, neue Währungen wie SPRK zu erwerben. 
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Betrüger 2: «Frank Hughes»

Während dieses Gesprächs werde ich zufällig von jemandem namens «Frank Hughes» angeschrieben. Er versucht, mir Fantom-Tokens (ebenfalls eine beliebte, schwer zu kriegende ICO-Währung) zu verkaufen. Seine Methode scheint dieselbe zu sein, er zeigt mir sein Wallet mit den Tokens. Ich bin sicher, dass sie auch gefälscht sind. 

Hier kommt Frank Hughes' Fake-Angebot:

FH: Hey Mann, ich habe viele Fantom-Tokens die ich unter dem ICO-Preis verkaufen muss, um ein paar Schulden zu begleichen. Wenn du interessiert bist, kann ich dir das beweisen. Liebe Grüsse. Freue mich, mit dir Geschäfte zu machen.
Ich: Beweise es.
FH: Klar (schickt seine Wallet-Adresse). Was ist deine?
Ich: Was meinst du, was ist meine?
FH: Deine Ethereum-Adresse
Ich: Warum?
FH: Willst du einen Deal machen?

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Ich sage Frank, dass ich ihm nicht glaube und er gibt auf und entschuldigt sich sogar, dass er versucht hat, mich reinzulegen. Danach verrät er mir, dass er mit seiner Fake-Token-Methode angeblich schon 12 ETH (rund 5000 Euro) diese Woche gestohlen hat. 

Ich: Ihr seid aber ganz schön schlau, das muss ich euch lassen.
FH: Lol, ja 12 ETH diese Woche.
Ich: Wirklich? Wow.
FH: Ja, sorry, dass ich versucht habe, dich reinzulegen. Die meisten Leute sind Inder, die keine Ahnung haben.
Ich: Fühlst du dich nicht schlecht, Leuten das Geld zu klauen?
FH: Ja, aber dieses Gefühl verschwindet nach einer Weile.
Ich: Haha, ich hoffe ihr Betrüger verschwindet eines Tages.
FH: Ja Mann, ich mach das nur bis ich 10'000 (Dollar) habe.

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Wieso erstellen diese Typen Fake-Tokens?

Zurück zu Betrüger Nr.1, Michael Myers. Ich bin neugierig, wieso er gefälschte Tokens an seine Opfer schickt, denn zuerst hätte ich ihm die ETH-Coins schicken müssen und danach hätte er sich einfach aus dem Staub machen können. Stattdessen schickt er Fake-Coins. Was für ein Aufwand, eine Fake-Währung zu erstellen! Ich frage nach:

Ich: Darf ich dich etwas fragen? Aber versprich mir, dass du nicht sauer wirst und verschwindest.
MM: Ja, sag schnell.
Ich: Ich habe mit einem Kollegen von dir gesprochen, der mir Fantom-Tokens verkaufen wollte. Er war sehr ehrlich zu mir. Sein Username ist Frank Hughes. Ich weiss, dass ihr Typen Fake-Wallets erstellt, damit Leute euch ETH-Tokens schicken und ihr ihnen eure Fake-Tokens dafür zurückschickt. Ich bin nicht dumm. Meine Frage ist: Warum schickt ihr euren Opfern Fake-Tokens? Warum nehmt ihr nicht die
ETH-Tokens und geht? Ich bin nicht sauer, es ist eine ehrliche Frage, weil ich euren Betrug sehr clever finde. 
MM: Ich werde dir alles erzählen.

Wie macht man einen Fake-Token?
Einen eigenen Token kann man laut mehrerer Tech-Medien in weniger als 20 Minuten erstellen. Das liegt daran, dass das Ethereum-Netzwerk Open Source ist und somit jeder freien Zugang hat. Falls euch das wirklich interessiert, könnt ihr hier nachlesen, wie das geht. 
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Ich bin gespannt, doch die Information ist anscheinend nicht umsonst: Er fragt mich nach 0,5 ETH-Tokens (213 Euro) als Bezahlung für sein Geständnis ... 

MM: 0,5 ETH, ja oder nein. Für die Info.
Ich: Ich war nur neugierig. Wieso sollte ich 250 Dollar zahlen für eine Info, die mir nichts nützt. Ich würde nie jemanden betrügen.
MM: Tja, ich weiss, wo du wohnst
Ich: Wie bitte?
MM: Habe ich gestottert?
Ich: Was willst du mir damit sagen?
MM: Gib mir ETH.
Ich: Oder was?
MM: :) Bezahle.

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...und droht mir, als ich ihm das Geld nicht schicken will

Ich: Drohst du mir jetzt?
MM: 5 Minuten, 5 Minuten. Schick es jetzt.
Ich: Oder was passiert?
MM: Das überlasse ich deiner Fantasie. Schickst du es jetzt? Ja, oder nein? 4 Minuten, oh 3 Minuten.
Ich: Ich warte ab, bis wir bei 0 sind.
Er: Ok viel Spass. KLOPF​

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Michael Myers weiss natürlich nicht, wo ich wohne, und hat offenbar eine Schraube locker. Er wird aber auch nichts über seine Betrugsmethode verraten. Also, versuche ich die Wahrheit aus Frank Hughes herauszubekommen. Und siehe da, er redet. 

Ich: Darf ich dich etwas fragen? Wieso verschickst du Fake-Tokens an deine Opfer? Warum machst du dich nicht einfach mit den ETH aus dem Staub?
FH: Ah, darauf habe ich eine sehr gute Antwort. Schau, oft trauen mir die Leute nicht. Deswegen schicke ich ihnen vor dem Deal Fake-Tokens. Dann trauen sie mir, weil ich in Vorleistung gegangen bin. Mit manchen Leuten kann man nur schwer verhandeln. Und wenn sie mich auch betrügen, mache ich einfach mehr Fake-Tokens. Fake Tokens kosten mich gar nichts. Ich habe 99 Milliarden in einem Wallet. Oft habe ich Kunden, die schon einmal bei mir gekauft haben, oder sie empfehlen mich an ihre Freunde. 

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Betrüger wie Frank und Michael haben Dutzende Fake-Accounts auf Telegram. Werden sie blockiert, erstellen sie einfach einen neuen. Genauso einfach ist es anscheinend, Fake-Währungen zu erstellen. Ich bin verblüfft. Und dann fragt Frank mich doch noch nach einem Gefallen für seine Ehrlichkeit:

FH: Kannst du mir einen Gefallen tun? Schreib: «Kann ich bitte 2 Millionen Tokens für 5 ETH bekommen?» Ich muss einen Screenshot davon machen und ihn an jemanden schicken. Du kannst es danach löschen. Danke.
Ich: Warte mal, wobei soll ich denn hier mitmachen?
FH: Ich brauche nur einen Screenshot. Dein Name wird nicht mal darin auftauchen, nur die Nachricht. Bitte.

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Es reicht mir, ich habe keine Lust selbst zum Betrüger zu werden und verabschiede mich.

watsons.de-Krypto-Vermögen am Ende Juli 2018
Unsere 0,01197294 Bitcoin und 0,16129352 Ether sind nur noch 142 Euro wert :-(. Am 23. Mai hätten wir noch 156 Euro für unsere Coins bekommen.

Auch bei Ripple läuft es nicht besser: Der Wert unserer 158 Ripple-Coins ist von 81 Euro auf 62 Euro gefallen.

watsons Gesamt-Krypto-Vermögen beträgt am 24. Juli  204 Euro. Also haben wir ganze 33 Euro verloren, denn beim letzten Mal hatten wir noch 237 Euro!
Was machen wir mit dem Geld?
watson.de spendet das Krypto-Vermögen (oder das, was davon übrig ist) Ende des Jahres an einen Verein für Spielsüchtige.

Kryptoindustrie kann Stromversorgung an ihre Grenzen bringen

Video: srf/SDA SRF
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48 Kommentare
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So en Ueli
04.08.2018 13:45registriert Januar 2014
Spannender Bericht.
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Ueli der Knecht
04.08.2018 13:41registriert April 2017
Es ist etwa so wie Murmeln tauschen...
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Grave
04.08.2018 15:16registriert April 2015
Sag mal, bin ich der einzige oder gibt es auch noch andere die diese sganze krypto-gaga nicht verstehen ? Und dem ganzen noch weniger trauen ?
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