Tatsächlich fand das Community-Treffen anlässlich des sechsten Geburtstags des beliebten Mobile Games erstmals in Berlin statt. Drei Jahre mussten Fans in Deutschland wegen der Pandemie auf Zusammenkünfte dieser Art warten, fast alles spielte sich in dieser Zeit rein digital ab. Dabei verstiess Entwickler Niantic sogar gegen seine eigenen Prinzipien, um den Gamern während der Lockdowns und anderer Einschränkungen ein besseres Spielerlebnis zu ermöglichen.
Für den Spielehersteller geht es bei «Pokémon GO» nicht nur um Spielmechaniken, sondern Prinzipien, die geradezu missionarisch wirken, wenn man den Worten von Philip Marz, Product Marketing Lead für «Pokémon GO» in EMEA, folgt: «Es gibt drei Kernprinzipien, auf denen ‹Pokémon GO› beruht: Das sind Bewegung, Entdeckung und Interaktion in der realen Welt. All diese Dinge waren nur sehr eingeschränkt möglich in der Pandemie. Das heisst, wir mussten Änderungen vornehmen, die teilweise so tiefgehend waren, dass wir komplett abgerückt sind von der Mission, der wir uns verschrieben haben.»
Was Marz damit ausdrücken will, ist, dass «Pokémon GO»-Spieler während der Hochphase der Coronakrise wegen der vielen Einschränkungen im öffentlichen Leben eben nicht das tun konnten, was sie am liebsten tun: nach draussen gehen, Pokémon jagen, neue Freunde treffen. Dafür passte der Entwickler ein paar Features des Spiels an, damit Fans auch von zu Hause aus zocken konnten. Dabei habe das Unternehmen, erklärt Marz, zum Beispiel den Interaktionsradius mit den Wegpunkten erhöht bzw. verdoppelt und die Laufzeit von Rauch verlängert, um sicherzustellen, dass man auch von zu Hause aus ein angenehmes Gameplay hat.
In dieser Periode habe Niantic bewusst einen Rückschritt gemacht bei den Punkten Entdeckung und Bewegung. Doch diese Zeit neigt sich dem Ende zu, zum Pokémon GO Fest in Berlin wurden bis zu 60'000 Besucher erwartet, am Freitag meldete der Veranstalter, dass man «fast ausverkauft» sei.
Und so geniessen die Fans die Möglichkeit, endlich wieder geballt als Community unter freiem Himmel ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: der Pokémon-Jagd. Ausgerüstet mit mehreren Handys, oft verkabelt mit leistungsstarken Powerbanks, damit unterwegs der Saft nicht ausgeht, spazieren die Besucher durch den Britzer Garten im Süden Berlins.
Dabei trifft man nicht nur auf deutschsprachige Spieler – im Gegenteil! Die Community ist international aufgestellt und wir sprechen u. a. mit drei Freunden aus Belgien (Brüssel). Nico (32), Abdi (28) und Kevin (32) bleiben vier Tage in der Bundeshauptstadt. Sie freuen sich, endlich mal wieder in grösserer Zahl auf Gleichgesinnte zu treffen – schon vor der Pandemie waren sie in Sachen «Pokémon GO» auf Reisen, das Spiel motiviert sie, andere Orte zu besuchen. Auch, weil sie von der freundlichen Community begeistert sind. Der Britzer Garten gefällt ihnen gut – aber warum haben sich die Organisatoren eigentlich entschieden, das Fest in Berlin und nicht, wie zuletzt, in Dortmund auszutragen?
«Eine Veranstaltung wie das Go Fest hat aufgrund der Komplexität einen Anforderungskalender, den der Park oder das Venue mitbringen muss», erklärt Philip Marz und fährt fort: «Der Westfalenpark war grossartig und wird gemacht für Veranstaltungen dieser Art. Hier war es nun so, dass wir uns auf die Suche gemacht haben nach einer Destination, die es uns ermöglicht, dass Spieler aus aller Welt einfach teilnehmen können. Der Ursprung des Britzer Gartens, wie auch des Westfalenparks, geht zurück auf die Bundesgartenschau – und hier finden wir perfekte Gegebenheiten für die Dinge, die wir hier einbringen wollen, mit der Verschmelzung der Welten.»
Das scheint vortrefflich zu gelingen – wohin man im Britzer Garten schaut, trifft man auf entspannte, freundliche Menschen, oft auch ganze Familien, die ohne Stress Pokémon fangen, sich austauschen und dabei frische Banden knüpfen. So zum Beispiel Monika (60, Hamburg) und Barbara (59, München), die sich vor dem Fest nicht kannten und erst am Eingang kennengelernt haben. Jetzt ziehen sie gemeinsam als Team durch den Park – das Spiel hat sie zusammengebracht. Dagegen waren Neil (35) und Jelena (29) aus Edinburgh (Schottland) schon vorher ein Paar – auch sie sind extra für das Event das gesamte Wochenende über in Berlin. Für sie ist es ebenfalls nicht die erste Veranstaltung dieser Art, sie mögen es, vom Spiel motiviert, neue Städte zu erkunden.
Allerdings kritisiert Neil, dass Niantic durch eine Verteuerung die Möglichkeit eingeschränkt hat, Freunde per Fern-Raid-Feature quasi mit auf die Reise zu nehmen.
Der Entwickler sieht aber durch die vielen Öffnungen keinen Grund mehr, noch länger «von unserer Mission abzuweichen», erläutert Marz. «Wir möchten ganz bewusst, dass die Leute nach draussen gehen und auf sichere Art und Weise miteinander interagieren und die Welt entdecken. Da ist Remote Raid nicht zwingend ein Tool, das dazu beiträgt.»
Und Edgar träumt derweil zu Hause erschöpft, aber glücklich von weiteren Ausflügen ins heilige Pokémon-Land – dort, wo sich Pikachus und Gluraks Gute Nacht sagen.