Eigentlich geht es dem Unternehmen Electronic Arts sehr gut: Im ersten Geschäftsquartal 2021 erzielte es Nettobuchungen von 1,34 Milliarden Dollar. Trotz eines leichten Rückgangs lag man mit dieser Summe immer noch über den Erwartungen der Analysten. Als wichtiger Einnahmen-Garant stellten sich erneut Live-Dienste und Mikrotransaktionen wie etwa in «Apex Legends» und «FIFA» heraus. Bei «FIFA Ultimate Team» stieg die Anzahl der gespielten Partien um 48 Prozent und «Apex Legends» verzeichnete gar einen neuen Spielerrekord.
Die aktuellen Erscheinungen wie «Mass Effect: Legendary Edition» oder auch «It Takes Two» erreichten deutlich bessere Verkaufszahlen als zunächst angenommen. Auch das nach der Akquise von Codemasters unter der Flagge von Electronic Arts veröffentlichte «F1 2021» war ein finanzieller Erfolg. Der Ausblick auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft mit «Battlefield 2042», «FIFA 22» und weiteren Spielen ist also mehr als rosig. Und dennoch ziehen immer wieder dunkle Wolken über das Unternehmen hinweg: mal wegen überzogener Spielepreise, mal wegen aufdringlicher Mikrotransaktionen. Electronic Arts ist so etwas wie der Dr. Jekyll und Mr. Hyde der Spieleindustrie.
Electronic Arts kämpft seit Jahrzehnten mit Image-Problemen – und das nicht erst seit Mikrotransaktionen und «FIFA Ultimate Team». Ein Grund: Das Aufkaufen und baldige Schliessen bekannter und vor allem beliebter Entwicklerstudios. Die Liste reicht hier von Bullfrog Productions («Dungeon Keeper) bis hin zu Visceral Games («Dead Space») und Maxis («Die Sims»). Dazu wirft die Community Electronic Arts immer wieder das Horten populärer Lizenzen vor: «Dungeon Keeper» wird an dieser Stelle als einer der beliebtesten Titel genannt, aus denen nichts gemacht wurde.
Der grösste Kritikpunkt bleibt aber der Faktor der Gewinnmaximierung. Als ein an der Börse notiertes Unternehmen ist Electronic Arts den Aktionären und den Investoren gegenüber zu guten Zahlen verpflichtet. Und diese schrieb man zuletzt vor allem aufgrund der massiven Einnahmen durch Live Services bzw. Mikrotransaktionen wie «FIFA Ultimate Team». Im ersten Quartal 2021 verdiente das Unternehmen damit fast 1,1 Milliarden Dollar. Neben Mikrotransaktionen spielten hier vor allem die explodierenden Spielerzahlen von «Apex Legends» mit hinein und man hofft, diese Entwicklung durch «Battlefield 2042» noch weiter zu steigern. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum verdiente man mit «Full Games» – also dem klassischen Verkauf von Spielen – lediglich 250 Millionen US-Dollar.
Kurzum: Ohne Live-Services bzw. Mikrotransaktionen geht’s nicht. Zugleich jagt in diesem Bereich ein Skandal den nächsten. Erst im März 2021 flog unter dem Hashtag #EAgate ein Insider-Handel mit den begehrten «Ultimate Team»-Karten zu «FIFA 21» auf. Ein Mitarbeiter von Electronic Arts verkaufte diese zu horrenden Preisen. Ohnehin geriet «Ultimate Team» in den letzten Jahren immer stärker in die Schlagzeilen und wurde zunehmend als «Glücksspiel» kritisiert. Electronic Arts geriet ins Fadenkreuz der Politik und wurde u.a. in den Niederlanden zu einer Strafe von 10 Millionen Euro verdonnert. Man versuchte diese Vorwürfe zuletzt durch die Implementierung von Vorschau-Packs in «FIFA 21» zu entkräften. Spieler können so den Inhalt der In-Game-Pakete sehen, ehe sie diese tatsächlich kaufen. In der Community stiess diese Funktion auf breite Zustimmung. Ob sie aber ihren Weg in «FIFA 22» findet, ist bislang noch unklar.
Und wo wir gerade bei «FIFA 22» sind, auch hier sorgte Electronic Arts – fernab von «Ultimate Team» – für Diskussionen: Denn es gibt kein kostenloses Upgrade von der alten auf die neue Konsolen-Generation. Nur Käufer der über 100 CHF teuren Ultimate Edition erhalten diese Funktion. Kaufst du die Standard-Edition für PlayStation 4 und holst dir später eine PlayStation 5, musst du das Spiel nochmal kaufen, um Zugriff auf Next-Generation-Features wie die HyperMotion-Animationen zu erhalten. Dahinter steckt natürlich das Pushen der teureren «Ultimate Edition». Denn darin stecken u.a. 4'600 FIFA-Points für das «Ultimate Team» – als «Anreiz» für das berüchtigte Groschengrab.
Aber es ist nicht alles schlecht! Inzwischen zeichnet sich in bestimmten Bereichen eine Trendwende ab. Nach dem Erfolg von «Mass Effect: Legendary Edition» legt man etwa bei EA Motive den Publikumsliebling «Dead Space» neu auf. Bis heute gehört das seiner Zeit von Visceral Games entwickelte Action-Spiel zu den absoluten Horror-Vorzeigespielen. Seit Jahren schreit die Community förmlich nach einer Neuauflage. Jetzt ist sie da, auch wenn es bis zum Release einige Zeit dauern wird. Einen offiziellen Erscheinungstermin besitzt das Spiel noch nicht.
Dazu fördert Electronic Arts seit Jahren aktiv Accessibility-Optionen und auch kleine Independent-Studios. Am 10. September 2021 erscheint «Lost in Random» als Teil des EA-Originals-Programms. In der Präsentation im Vorfeld des Spiels scherzt Klaus Lyngeled, Head of Developement bei Zoink: «Ich sehe in Electronic Arts nur einen grossen Sack voll Geld … nein, das war nur ein Scherz. [...] Sie sind einfach gut darin, eine Produktion zu pushen, aber auch sie zu leiten und zu beraten.» Olov Redmalm, Creative Director und Lead Writer für «Lost in Random» ergänzt, dass man alle kreativen Freiheiten genoss und dass es immer wieder produktive Meetings mit dem Team hinter EA Originals gab.
Einen weiteren Pluspunkt sammelte das Unternehmen durch die Freigabe von Accessibility-Patenten. Egal ob Mitbewerber oder kleines Indie-Studio – sie alle können nun auf von Electronic Arts erarbeitete Technologien zur Barrierefreiheit in Video- und Computerspielen zurückgreifen. Man möchte so die Community noch stärker zusammenführen. Und genau hier zeigt sich die ambivalente Firmenstrategie am besten: Electronic Arts mäandert zwischen Gewinnmaximierung und Community-Nähe. Ein Drahtseilakt, der auch irgendwann zum Absturz führen kann. Gerade wenn das Geschäft mit den Mikrotransaktionen und Live-Services mal nicht mehr funktionieren sollte.