Gut, der Begriff «Schachtel» ist vielleicht angesichts einer Bauhöhe von 30 und einer Seitenlänge von 15 Zentimetern eine kleine Untertreibung. Es ist schon ein recht massiver Klotz, der stramme 4,4 Kilo auf die Waage bringt. Doch gemessen am Konkurrenten PS5 ist die Xbox Series X – kurz XSX – geradezu dezent.
Noch dezenter fällt ihre kleine Schwester, die Xbox Series S – kurz XSS – aus. Über die «Budget-Xbox» müssen wir später noch sprechen. Das Understatement steht der laut Hersteller «leistungsstärksten Xbox aller Zeiten» jedenfalls gut zu Gesicht, zumindest in aufrechter Position. Die XSX lässt sich auch im Querformat positionieren, dann erinnert sie aber doch etwas an einen schwarzen Schuhkarton. Ausserdem liegt der als beleuchtetes Xbox-Logo gestattete Start-Button dann auf der Seite. Hochkant aber hat die XSX etwas Geheimnisvolles und macht sich insgesamt recht gut im heimischen Entertainment-Ensemble.
Für eine «Schachtel» ist die XSX auch viel zu gut verarbeitet. Der unauffällige Discschacht fügt sich nahtlos ins minimalistische Design ein. Auf der Oberseite findet sich ein nach innen gewölbtes Belüftungsgitter, hinter dem ein im Normalbetrieb kaum hörbarer grosser Ventilator seine Runden dreht. Nur beim Einlesen von Games- oder Video-Discs wird es kurz etwas lauter. Unsere Film-Blu-rays und UHDs werden übrigens, nachdem noch kurz ein Software-Player heruntergeladen wurde, problemlos abgespielt.
Dank der optional installierbaren Apps von diversen Diensten wie Spotify, Netflix oder Disney+ ist die Xbox endlich zu der Multimediastation geworden, die wir uns immer gewünscht haben. Dank Abwärtskompatibilität stehen uns ausserdem jede Menge Xbox-One- und Xbox-360- sowie eine Handvoll Xbox-Classic-Titel zur Verfügung. Im Wesentlichen sind es die gleichen Titel, die auch schon auf der Xbox One gelaufen sind.
Der Rückgriff aufs Archiv ist auch bitter nötig. Denn sagen wir es, wie es ist: Das Start-Line-up ist, sofern man Exklusiv-Titel als Massstab nimmt, schon mehr als mau. Die Highlights bestehen ausschliesslich aus Cross-Gen-Titeln wie «Yakuza: Like a Dragon» (Sega) oder «Assassin’s Creed: Valhalla» (Ubisoft), von denen die neue Hardware naturgemäss nicht ans Limit gebracht wird. Schliesslich müssen diese Titel ja auch noch auf der vorigen Konsolen-Generation laufen.
Dass beide Beispiele – deren spielerischer Wert unbestritten ist – ausgerechnet aus gefühlt endlosen Langzeitserien stammen, verstärkt den seltsamen Eindruck von Kontinuität. Es wirkt ein bisschen so, als wäre das alles nur ein Update der aktuellen Konsolen-Generation und nicht der Launch einer völlig neuen Hardware.
Dabei hat die neue Xbox eigentlich einiges zu bieten: 4K und ein strahlenden Bild dank «High Dynamic Range» sind nun Standard, Spiele mit flexibler Bildrate laufen nun aber mit mindestens 60 und bis zu 120 FPS, DirectX Raytracing sorgt für mehr Dynamik und grafische Brillanz und sogar SDR-Spiele erstrahlen ohne weiteres Zutun der ursprünglichen Entwickler in HDR. Das mag nicht für reihenweise offene Münder sorgen, doch positiv bemerkbar macht sich der Performance-Boost schon jetzt. Zumal man sich schon mal auf künftige Titel freuen darf, bei denen die XSX ihre ganze Rechenleistung von 12 Teraflops ausspielen kann.
Das hört sich nun alles nach viel Zukunftsmusik an. Was habt ihr tatsächlich von der fortschrittlichen Technik?
Da sind zum einen die auf ein Minimum reduzierten Ladezeiten. Bei «Yakuza: Like a Dragon» etwa hat das zur Folge, dass man keinerlei Chance hat, die auf dem Ladebildschirm eingeblendeten Tipps zu lesen. Ein weiteres Highlight ist die «Quick-Resume»-Technologie. Sie sorgt dafür, dass man – bei Spielen, die das unterstützen – jederzeit praktisch ohne Verzögerung dort weiterspielen kann, wo man zuletzt aufgehört hat, wenn man mehrere Spiele gleichzeitig am Laufen hat. Will man mal eben nach stundenlangem Grinden bei «Monster Hunter World» (Capcom) zur Entspannung ein oder zwei launige Rennen gegen Kumpels in «Forza Horizon» fahren, ist der fliegende Wechsel nun nur noch ein Frage von Sekunden.
Das ist schon grossartig, und wir wollen nie, nie, nie wieder in die Zeit zurück, wo wir beim Neustart oder Wechseln von Spielen eine gefühlte Ewigkeit den Ladescreen angestarrt haben!
Verantwortlich für die rasend schnellen Ladezeiten ist unter anderem der interne SSD-Speicher. Bei der XSX ist er ein Terabyte gross, bei der XSS muss man sich mit 512 Gigabyte begnügen (netto knapp 350 GB). Da die kleine Schwester noch nicht einmal ein optisches Laufwerk besitzt, ist das deutlich zu wenig. Bleiben wir kurz bei der «Budget-Version».
Optisch gefällt uns die kleine weisse Box sehr gut. Als Empfänger für Streaming-Dienste taugt sie zudem uneingeschränkt. Als Stand-alone-Konsole ist sie wegen des geringen Speicherplatzes aber auf keinen Fall zu empfehlen. Zwar könnt ihr, wie auch bei der grossen Schwester, externen Speicher dazukaufen. Aber dann wäre auch der Spareffekt dahin, der im Grunde das einzige Argument für die 200 CHF günstigere Variante ist. Zudem meckern schon jetzt einige Entwickler, dass sich die XSS als technischer Flaschenhals erweisen könne, wenn ihre Spiele auch auf der weniger leistungsstarken Konsole lauffähig sein sollen. Vielleicht wollt ihr sie euch ja aber als kleine Multimediastation zum nächtlichen Weiterzocken fürs Schlafzimmer leisten.
Aber auch bei der XSS wird man absehbar mit dem Speicherplatz knausern müssen – immerhin fressen aktuelle Titel gerne mal Gigabyte im dreistelligen Bereich. Das gilt übrigens auch für ältere Titel, die man von der Disc installiert. Wenn man bedenkt, dass beispielsweise für die PC-Version des «Microsoft Flight Simulator», der auch auf der XSX spielbar sein wird, eine eigene 1-TB-SSD empfohlen wurde, wird das Speicherdilemma deutlich.
Abhilfe schaffen Microsofts eigene Speichererweiterungen von Seagate, beispielsweise die optional angebotene Speicherkarte, die dem Speicherplatz der XSS mal eben verdoppelt. Dafür werden allerdings rund 250 Franken fällig: ganz schön happig. Immerhin kann man auch 3.21-Laufwerke anderer Hersteller verwenden. Wie sich das wiederum auf die Ladezeiten auswirkt, muss sich noch zeigen.
Auf der wie immer etwas chaotischen Startseite ist trotz der fehlenden Launch-Sensationen schon jetzt einiges los. Wer seine neue Xbox mit Hilfe der kostenlosen Handy-App für iOS und Android einrichtet, kann sein altes Xbox-Konto samt aller Einstellungen und Spiele direkt übertragen.
Im Store finden sich neben den Games mehrere Dutzend Apps, über die sich Streamingdienste wie Spotify, DAZN oder Amazon Prime, aber auch frische Wallpapers auf die Konsole holen lassen. Und natürlich den Game-Pass, den Microsoft inzwischen auch plattformübergreifend, also für Xbox und PC anbietet: Mit seinem attraktiven Line-up ist der hauseigenen Abo-Dienst eines der wichtigsten Kaufargumente für die Microsoft-Hardware.
Der Controller kommt, passend zur Konsole, in mattem Schwarz und besitzt neben den beiden Joysticks ein oktagonales D-Pad und geriffelte Griffflächen, die den Haltekomfort merklich erhöhen. Nach eigener Aussage haben die Designer das Eingabegerät an eine grössere Anzahl an Handgrössen angepasst und dabei insbesondere kleinere Hände berücksichtigt. Durch die «Anpassung an Hände, die denen eines durchschnittlichen 8-Jährigen ähneln», habe man die Zugänglichkeit für Millionen von Menschen verbessert, ohne das Handling für Leute mit grösseren Händen negativ zu beeinflussen. Das können wir aus eigener Anschauung bestätigen.
Zur View- und Menü-Taste ist direkt darunter noch eine Share-Taste gekommen, mit der ihr eure Screenshots und Videoclips direkt in die Cloud, genauer gesagt auf One Drive oder die sozialen Netze befördert – eine gute Idee! Mit dem nur sanft überarbeiteten Design und dem neuen D-Pad ist der neue Controller so etwas wie ein Hybrid aus dem regulären Xbox-One- und dem Elite-Controller.
Vielleicht gefällt der einen oder dem anderen der neue Controller so gut, dass er ihn auch auf anderen Plattformen einsetzen will. Hier geht Microsoft den schon in vorigen Generationen eingeschlagenen Weg und lässt ihn uns plattformübergreifend auf XSX, XSS, Xbox One, Windows 10, Android und iOS einsetzen. Umgekehrt sind die Microsoft-Konsolen offen für Peripherie von Drittanbietern. Dazu gehören unter anderem die High-end-Devices von Razer, die bereits eine «Designed for Xbox»-Produktreihe angekündigt hat.
Praktisch nicht vorhanden Ladezeiten, grafisch verbesserte Bestandstitel und Klassiker machen Lust auf die neue Microsoft-Konsole. Habt ihr den Schritt zu 4K aber bereits mit der Xbox One X gemacht, habt ihr kaum Gründe, jetzt schon umzusteigen.
Doch mehr als ein Dutzend hochkarätige Microsoft-Studios mit Brands wie «Halo» und «Forza» und nicht zuletzt der von Microsoft kürzlich aufgekaufte Entwickler und Publisher Bethesda werden absehbar liefern. Das müssen sie aber auch unbedingt, wenn sie mit der neuen Hardware mittelfristig erfolgreich sein wollen. Die XSS ist aus unserer Sicht aber leider nicht viel mehr als ein nettes Zusatzgerät für Leute, die sich das leisten können, aber keine echte Alternative.