Die meisten Computer- und Videogames sind als reines Soloabenteuer angelegt, auf zumeist kompetitive Mehrspieler-Modi zugeschnitten oder kombinieren beides miteinander. «The Last Oricru» ist anders. Das am 13. Oktober für PC und Konsole erscheinende Action-RPG kannst du auf Wunsch auch komplett allein spielen, den Fokus legt das tschechische Entwicklerstudio Gold Knights jedoch auf eine kooperative Kampagne für zwei Spieler. Natürlich funktioniert das gemeinsame Spiel auch online – wenn bedauerlicherweise nur innerhalb derselben Plattform. Am meisten Spass aber macht «The Last Oricru» im lokalen Splitscreen-Modus, den wir ausführlich für dich ausprobiert haben.
«The Last Oricru» versetzt dich in eine mittelalterlich anmutende Fantasy-Welt, in der drei Fraktionen um die Vorherrschaft kämpfen. Da wären etwa die von Königin Hadriana angeführten Naboru und das von ihnen versklavte Rattenvolk der Ratkins, das sich nun aus den Fesseln seiner Unterdrücker befreien will. Im Hintergrund spielt jedoch auch eine mysteriöse Alien-Rasse eine bedeutende Rolle, die zwar deplatziert wirkt, aber immerhin spannende Fragen aufwirft. Klar ist, dass dein Hauptheld Silver den Ausserirdischen seine Untersterblichkeit verdankt. Wie auch immer sie genau funktioniert, sorgt sie ähnlich wie in «Dark Souls» dafür, dass dein Alter Ego nach einem Tod wiederaufersteht – aber auch all deine Feinde mit Ausnahme der Bosse.
Du kämpfst hier primär mit Schild und Schwert sowie Kriegshämmern, Lanzen und anderen Nahkampf prügeln, nutzt aber auch eine Mana-Leiste zum Wirken von Magie. Für bestimmte Waffen kannst du damit aktiv einen Feuer- oder Blitzüberzug aktivieren. Mit Zauberstäben ist zudem das Abfeuern elementarer Geschosse oder auch Heilung möglich. Den Schwerpunkt legst du bei der Entwicklung des Haupthelden Silver jedoch selbst, machst ihn zum starken Krieger mit fetter Rüstung, zum hoch agilen Schwertschwinger oder eher zum Magier. Die Vielfalt ist gross, die ebenfalls an «Dark Souls» angelehnte Steuerung und das Treffer-Feedback aber deutlich schwächer als im offenkundigen Vorbild. Das ist aufgrund anderer Stärken aber ähnlich verschmerzbar wie die stilistisch gelungene, aber technisch mittelmässige Grafik.
Du beginnst «The Last Oricru» immer als Soloabenteuer, kannst nach dem kurzen Prolog aber den Rest komplett gemeinsam mit einem Mitspieler angehen. Das geht auch online, wenn auch leider nur innerhalb derselben Plattform, die Entwickler empfehlen aber den Couch-Koop im geteilten Bildschirm. Dieser Empfehlungen schliessen wir uns an, denn wie auch in «Mario Kart 8» direkt neben dem Mitspieler zu sitzen, macht das Zusammenspiel einfach noch etwas unterhaltsamer. Der Nachteil: abhängig von der Grösse des Monitors und der Entfernung zu ihm kommt man im Splitscreen leichter durcheinander, wenn der Blick auf die Bildschirmhälfte des Sidekicks wandert. Lediglich bei PC-Spielern mit ultrabreitem Display dürften damit wenig Probleme haben.
Dein Koop-Buddy spielt indes keinen komplett eigenen Helden, sondern so etwas wie ein Hologramm von dir. Im Rahmen des komfortablen Drop-in-Drop-out-Systems erhält dein Mitspieler exakt so viele Lernpunkte, wie sie deinem aktuellen Charakterlevel entsprechen und kann sie frei auf die Attribute verteilen. Du und dein Mitspieler sind also prinzipiell immer gleich stark, weshalb die Spielbalance nicht leidet oder ein stark unterlevelter Begleiter nicht ständig stirbt wie in «Diablo 3». Allerdings nimmt der beitretende Spieler anders als du keinen Fortschritt mit. Er kann das Spiel also später nicht allein an dem Punkt fortsetzen, an dem er die Partie verlassen hat. Durchaus nachvollziehbar, aber dennoch wenig verlockend für den beitretenden Spieler.
Der Hologramm-Ansatz bedeutet zudem, dass du dein eigenes Inventar mit dem beitretenden Spieler teilst. Auf ein von dir ausgerüstetes Schwert oder ein sonstiges ausrüstbares Item kann der Koop-Partner also nicht zugreifen, so lange du es nicht freigibst, und umgekehrt. Auch das schränkt die Freiheiten ein, fördert aber die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, da du dich auch bei der Ausrüstung mit deinem Mitspieler absprechen musst. Es gibt auch einige spezielle Tools im Koop, wie das Amplifier-Schild. Dabei schaltet der Träger entsprechend statt auf die Gegner auf den Mitspieler auf. Befindet sich der Spieler mit besagtem Schild zwischen dir und dem Feind, werden magische Attacken dadurch erheblich verstärkt, was selbst die TP-Leiste der Bosse schnell schrumpfen lässt.
Wie üblich in Koop-Spielen habt ihr ausserdem den Vorteil, einander wiederbeleben zu können. Solange nicht beide kurz nacheinander zu Boden gehen, kann man sogar unabhängig voneinander am letzten Rastpunkt respawnen und, ohne dass sich der Boss zwischenzeitlich regenerieren kann, in einen laufenden Bossfight zurückkehren. Zu einfach wird «The Last Oricru» dadurch nicht, da ihr nur dann wieder volle Trefferpunkte und die maximale Anzahl an Heiltränken erhaltet, wenn beide sterben oder freiwillig rasten. Falls das Spiel dir so zu schwer ist, kein Problem: «The Last Oricru» bietet auch eine einfachere Schwierigkeitsstufe.
Falls du zu den Gamern zählst, die Spiele im Regelfall nur einmal durchzocken und dafür eine hohe Spielzeit erwarten, wird dich «The Last Oricru» nicht vollends glücklich machen. Lediglich rund 15 Stunden soll ein Durchgang laut Entwickler ungefähr dauern, wobei Hersteller in diesem Punkt meist eher über- als untertreiben. Dafür bringt «The Last Oricru» ein recht hohes Mass an Non-Linearität mit. Das bedeutet nicht, dass du in der Kampagne völlig andere Schauplätze betreten wirst. In den Levels erwarten dich aber teils völlig andere Feindkonstellationen, Bosse oder auch mal eine von den Ratkins mit Katapulten verteidigte Brücke. Musst du die in diesem Fall über Schleichpfade unterqueren, geht es in einem anderen Durchgang womöglich direkt oben drüber. Du triffst zudem auf andere NPCs oder musst auch mal verstärkt kleinere Sprungpassagen vergleichbar mit Plattformen bewältigen. Nach einem Durchgang hast du also längst noch nicht alles gesehen.
Was genau dich in den Levels erwartet, hängt stark von deinen Entscheidungen ab. Bereits im Prolog kannst du es dir unter Umständen sogar mit gleich allen drei Fraktionen (vorerst!) vergeigen. Auf einer Festung im ersten Akt massakrieren sich Naboru-Krieger und Ratkins dann etwa gegenseitig, was dir und deinem potenziellen Begleiter zum Teil aber sogar das Leben erleichtert. Aber beide Seiten sind dir gegenüber dann eben auch feindlich gesinnt, attackieren also auch dich. Ein anderes Beispiel: Im späteren Verlauf beauftragt dich die Naboru-Königin damit, einen Ratkin-General auszuschalten, solltest du dich mit ihrer Fraktion verbündet haben. Eben diesen Kampf erlebst du als Verbündeter der Ratkins lediglich in einer Zwischensequenz und musst dich später stattdessen mit einem starken Krieger der Naboru anlegen. Eure Entscheidungen führen aber nicht simpel zu Pfad A oder B. Es gibt etliche Abstufungen und Möglichkeiten, sich später doch mit einer der Fraktionen wieder besser zu stellen. Mit der Königin ist gar eine Romanze möglich, wenn ihr die «richtigen» Entscheidungen trefft.
Kurzum: «The Last Oricru» ist keine Schönheit und auch in anderen Bereichen nicht perfekt. Spass haben wir aber dennoch am Entscheidungssystem und den Kämpfen. Insbesondere wenn du einen Mitspieler für den Splitscreen-Koop hast, solltest du dem Action-RPG in jedem Fall eine Chance geben.