Und schon wieder darf man sich in einer postapokalyptischen Welt austoben. Die offene Spielwelt von «Rage 2» muss sich aber Kritik gefallen lassen, während der Actionpart durchaus überzeugt, sofern man sich auf das Spiel einlässt und sich geduldig hochlevelt. Aber der Reihe nach…
Vor vielen, vielen Jahren hat einst ein Asteroid fast die gesamte Menschheit auf der Erde ausgelöscht. Nach der Apokalypse zogen blutgierige Banden herum und es herrschte schlicht die nackte Anarchie auf der Erdoberfläche. In der Vergangenheit sorgte die sogenannte Obrigkeit für zusätzliches Leid, wurde jedoch wieder zurück unter die Erde getrieben. Doch jetzt sind die Bösen wieder da und wollen den Rest der Menschheit unterjochen. Noch stärker und mit einer Mutanten-Armee ausgerüstet, steht eine grosse Säuberung bevor.
Angeführt wird die wilde Horde von General Cross. Dieser Oberschurke ist mehr Maschine als Mensch. Der Typ wurde mit einer neumodischen Technik richtig schön aufgemotzt und stampft mit einem Roboterkostüm durch die Welt und dürstet nach der absoluten Macht.
Als letzter weiblicher oder männlicher Ranger des Ödlands muss diese neu erstarkte Obrigkeit natürlich gestürzt werden. Dazu braucht es einen Masterplan und die Mithilfe von drei illustren Weggefährten. Diese drei Mitstreiter (ein alter Krieger, ein noch älterer Wissenschaftler und eine Bürgermeisterin) muss man zunächst aufsuchen und diverse Missionen für sie erledigen, bis man sich schliesslich vereinen kann, um dem bösen General eins auf den Deckel zu hauen.
Bevor es zum Showdown kommt, muss man seinen eigenen Charakter ordentlich aufleveln und ganz viele Waffen und Fähigkeiten sammeln. Im Fokus liegt dabei ein Hightech-Anzug, mit dem man im Verlauf des Spiels ganz viel anstellen kann, sofern man ihn verbessert.
Dazu muss man die über das Ödland verteilten Archen aufsuchen. Das sind alte Technik-Stätten, die einst den Menschen Schutz boten und auch als Hort der Wissenschaft dienten. Dort kann man jeweils eine neue Anzugsfähigkeit freischalten und auch mal die eine oder andere Waffe vorfinden. Wer also höher springen, die Gegner mit Wucht an die Wand drücken oder den schnellen Raketen ausweichen möchte, muss seinen Anzug technisch aufpolieren lassen.
Natürlich darf man auch seine einzelnen Fähigkeiten, die Waffen und allerlei Schnickschnack wie den Wingstick (ein dreiarmiger Bumerang) verbessern. Generell kann man so gut wie fast alles aufmotzen. Dazu benötigt es Punkte, Utensilien und sonstiger Sammelkram, die man brav verdienen oder sammeln muss und auch mal bei einem Händler wieder verkaufen darf.
Um sich im Ödland fortzubewegen, gibt es natürlich auch fahrbare Untersätze. Zu Beginn des Spiels bekommt man gleich ein eigenes Kraftfahrzeug, das man auch jederzeit, wenn man zu Fuss unterwegs ist, anfordern kann. In der Spielwelt trifft man aber auch auf viele andere Vehikel, die man einfach klauen kann. Natürlich sind diese mehr oder weniger bewaffnet und haben eine Boost-Funktion, um noch schneller Staub in der Wüste aufzuwirbeln. Im späteren Spielverlauf darf man auch in die Lüfte steigen, um grössere Distanzen zurück zu legen. Der Gyrokopter macht's möglich.
Die Story tritt im Spielverlauf mehr und mehr in den Hintergrund. Auch wenn der Held, die Heldin eine bestimmte persönliche Motivation mit auf den Weg bekommt, der narrative Faden wird dabei immer dünner.
Doch bis man die wirklich spektakulären Waffen bekommen und die brachialen Funktionen des Anzugs freigeschaltet hat, um ordentlich auf den Putz zu hauen, ist man schon fast am Ende der Hauptgeschichte angelangt. Denn erst im letzten Drittel darf man sich richtig austoben. Zwar kann man schon auch in den ersten Stunden loslegen und die Baller-Gefechte sind von besonders schöner Intensität, aber das Spiel offenbart sein wahres Gesicht und die vielen Action-Möglichkeiten erst gegen Ende der etwa 15-stündigen Kampagne.
Hat «Rage 2» denn nun eine schöne, offene Spielwelt? Ja und nein. Das Ödland ist gross, weitläufig und in verschiedene Gebiete unterteilt. Es gibt die obligaten Wüsten, Gebirge und andere Gegenden, wo zerklüftete Felsen vorherrschen. Sogar ein Dschungel-Abschnitt wurde reingepackt, um wenigstens noch ein bisschen Farbe ins Spiel zu bringen.
Auch wenn alle Gebiete unterschiedlich daherkommen, sie sind langweilig und monoton, sowohl in ihrer Struktur als auch in ihrer Farbgebung. Und allesamt sind sie leer. Will heissen, dass in dieser postapokalyptischen Welt nicht viel passiert. Auch in den Städten und Lagern, wo man sich meistens auf die Suche nach Personen macht, ist nicht viel los. Mit Menschen kann man sich selten unterhalten. Gibt es dann doch ein Schwätzchen könnte der Inhalt nicht trivialer sein.
Auf dem Weg zu den einzelnen Missionen passiert man vielleicht mal ein feindliches Vehikel oder kann mit jemandem ein Autorennen starten. Aber ansonsten gibt es keinerlei interessante Elemente zu entdecken. Feindliche Gefechtstürme stürmen, Blockaden durchbrechen, Lager erobern oder Tankstellen in die Luft jagen, sind zwar möglich, laufen aber immer nach dem gleichen Schema ab: Angreifen, ballern und alles in die Luft jagen. Geschlichen wird in diesem Spiel sowieso nicht.
Die Optik mag auch nicht immer zu überzeugen. Während einige Zwischensequenzen noch ganz ordentlich geworden sind, sehen viele Innenleves und darin herumstehende Figuren sehr unschön aus. Verwaschene Texturen und Animationen aus der letzten Konsolen-Generation erfreuen nicht gerade das Auge des Grafikfetischisten.
Dafür sieht die Ödnis gerade bei der Dämmerung ganz schick aus und versprüht einen schön düsteren postapokalyptischen Charme. Kommt es im Spiel zu brachialer Action, zeigt sich die Optik auch wieder von ihrer schönsten Seite. Wenn es ordentlich kracht, wenn Gegenstände und Gebäude explodieren, wenn Gegner durch die Luft fliegen und alles zerfetzt wird, sieht das alles wahnsinnig gut aus.
Fazit: «Rage 2» bietet knackige und sehr intensive Shooter-Action, die sich jederzeit perfekt spielt und einlädt, mit den vielen Anzug- und Waffen-Möglichkeiten zu experimentieren. Bis man jedoch über die wirklich brachialen Fähigkeiten verfügt, braucht es Geduld. Doch dann will man gar nicht mehr aufhören. Die offene Spielwelt ist zwar gross und weitläufig, aber sie ist so gut wie leer und hat ausser den Standard-Aufgaben nichts zu bieten. Auch fehlt es der Geschichte an Substanz, so dass man schnell mal abschaltet und sich nur noch auf die Action konzentriert. Dort überzeugt «Rage 2» auf der ganzen Linie.
«Rage 2» ist erhältlich für Playstation 4 (getestet), Xbox One und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.
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