Schreie, Blut, Schmerzen. Ich bin mitten im Krieg.
Ich kauere dicht gedrängt mit anderen Soldaten in einem Boot. Patronenkugeln fliegen mir um die Ohren, heftige Explosionen sorgen für Chaos. Neben mir sackt ein Kamerad mit blutüberströmtem Gesicht zusammen. Noch mehr Kugeln finden noch mehr Opfer. Das Massaker will kein Ende nehmen. Dann muss ich rennen. Rennen um mein Leben. Ich versuche dem Kugelhagel am Strand auszuweichen. Ich kauere mich hinter zerstörten Fahrzeugen und Leichen. Neben mir taumelt ein verwirrter Soldat übers Schlachtfeld und murmelt unverständliche Worte. Weiter hinten werden andere brutal von Patronen durchsiebt.
Meine Beziehung zu «Call of Duty» hat in den letzten Jahren gelitten. Den Erstling habe ich 2003 geliebt. Nicht wegen Heldengedöns und Hurra-Patriotismus, sondern wegen seiner fast perfekten Spielbarkeit. Da flutschte irgendwie einfach alles. Auch wenn Krieg per se Widersinnig ist, hatte ich Spass mit dem Ding.
In den Jahren danach haben wir uns aber irgendwie auseinandergelebt. Die Reihe hatte durchaus die Berechtigung sich weiterzuentwickeln. Was sie auch tat. Doch ich konnte immer weniger mit der Marke anfangen. Als es dann im letzten Jahr auch noch ins Weltall ging, war ich komplett raus. Natürlich habe ich es arbeitstechnisch gespielt, aber es war eine Qual. Als zum ersten Mal dann durchsickerte, dass das neue «CoD» wieder zu seinen Kriegswurzeln zurückkehren würde, war ich hocherfreut.
In «Call of Duty: WWII» steht der Zweite Weltkrieg im Fokus. Die stringente Kampagne beginnt am D-Day. Von der Normandie aus schlage ich mich durch Europa und besuche bekannte Orte, um den Kontinent von den Nationalsozialisten zu befreien. Elf knackige Missionen hat die Kampagne zu bieten, die ich in der Rolle von Militarist Ronald Daniels absolviere.
Ich bin zwar stets von einigen Kameraden umgeben, die mir auch ihre virtuelle Freundschaft vor allem in den famosen Zwischensequenzen aufdrücken wollen, doch sind wir ehrlich: In einem Ego-Shooter dominiert das Ego. Es gibt zwar nette Möglichkeiten zur Interaktion (Munition oder Medizin abholen), aber auf dem Schlachtfeld hilft dir einfach kein Schwein.
Kenner von Weltkriegsshootern sind zwar mit vielen Szenarien bereits vertraut, doch das Spiel sorgt glücklicherweise immer wieder für eine kleine spieltechnische Überraschung. Vor allem der Abschnitt in Paris liess mich staunen. Ohne hier zu viel zu verraten: Das hätte ich ja so überhaupt nicht kommen sehen!
Generell wird die Abwechslung in diesem neuen «CoD» gross geschrieben: Um das Nazi-Deutschland zu befreien, nimmt man regelmässig in Vehikeln Platz. Diese Fahrmissionen sind zwar eine sehr willkommene Abwechslung, wurden aber fast allesamt viel zu übertrieben inszeniert. So sehr, dass man sich fast in einem «Uncharted»-Spiel wähnt und nach Nathan Drake Ausschau hält. Das ist jedoch durchaus ertragbar. Die «CoD»-Reihe hat beim Realismus immer schon ein Auge zugedrückt und das Plakative in den Vordergrund gestellt.
Wunderschön und total retro finde ich die Neuerung, dass sich meine Gesundheit jetzt nicht mehr von alleine regeneriert, sondern dass ich mich aktiv mit Medikits heilen muss. Das bringt zusätzliche Dynamik ins Kriegstreiben. So war das früher bei den Videospielen nun mal, liebe jüngeren Leserinnen und Leser. Eine wunderschöne Hommage an die ersten Kriegsshooter.
Dass Krieg unsinnig ist, wird auch hier oft mit ausufernden Gewaltexzessen und diversen Ansprachen versucht zu vermitteln. Doch der moralische Zeigefinger zwischen den Zeilen will nicht richtig funktionieren. Der Hurra-Patriotismus und starke Stereotypen-Helden stehen auch hier wie gewohnt im Fokus.
Ist die Kampagne durchgespielt, wartet natürlich der Mehrspielermodus. Zig verschiedene Karten stehen zur Verfügung, wo man sich richtig schön austoben darf. Dabei wird eigentlich nicht viel Neues präsentiert. Angreifen, verteidigen, kooperieren und alles, was man halt so anstellen darf. Der neue Football-Modus, wo ein Ball (!) in die gegnerische Basis getragen werden muss, ist zwar spassig aber auch total kurios und wirkt als Fremdkörper. Wer generell ein «CoD» kauft, um sich mit anderen Spielern zu duellieren, macht hier aber gar nichts falsch. Alles vorhanden, alles solide, aber das Rad wird definitiv nicht neu erfunden.
Ach ja, der Nazi-Zombie-Modus ist ganz nett geworden. Man jagt halt Zombies, die wellenartig in einem kleinen Städtchen oder in anderen begrenzten Arealen herumtorkeln. Punkt. Das ist schon alles. Damit kann man sich die Zeit vertreiben, muss man aber nicht. Wer kuriosere Nazi-Kreaturen wegballern möchte, greift sowieso zum neuen «Wolfenstein». Voilà.
Fazit: «Call of Duty: WWII» ist audiovisuell ein richtiges Brett geworden. Es rumst und bumst gewaltig. Die Soundkulisse ist eine Wucht. Und bei der Wahnsinns-Optik muss man sich vor allem in den Zwischensequenzen öfters die Augen reiben. Sind das echte Schauspieler auf dem Bildschirm oder sehen wir hier höchstpersönlich das Werk des Animationsgottes? Auch der Umfang kann sich sehen lassen. Die Kampagne ist erstaunlich knackig und abwechslungsreich geworden. Und wer jetzt denkt, er habe schon alles in den Weltkriegsshootern erlebt, darf sich von diesem Titel sehr gerne überraschen lassen. Ansonsten gilt die Formel auch hier: Wo «CoD» draufsteht, ist halt auch «CoD» drin. War so, ist so, bleibt so.
«Call of Duty: WWII» ist erhältlich für Playstation 4, Xbox One und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.