Seit 2009 ist Eric Tveter der starke Mann bei UPC Cablecom. Seit letztem Jahr lenkt er auch die Geschäfte von UPC in Österreich. Im Interview mit dem «Standard» erklärt der 56-jährige Amerikaner mit norwegischen Wurzeln und Wohnsitz im Kanton Zürich, wie er Cablecom gegen die heimische Konkurrenz und insbesondere gegen Giganten wie Google, Apple, Amazon und Netflix positionieren will.
Tveter hat in den letzten Monaten die vorher eigenständigen Cablecom-Gesellschaften in der Schweiz und Österreich zusammengeführt. Im Interview äussert er sich zum Zusammenschluss, der rund 250 Arbeitsplätze kosten wird: «Ziel der Zusammenführung war, eine Einheit von relevanter Grösse zu formen. Im Medien- und Telekomgeschäft tritt man gegen globale Player wie Google, Apple, Amazon und Netflix an», sagt Tveter. Grösse sei entscheidend, da Telefonkonzerne – gemeint ist wohl nicht zuletzt Swisscom – vielfach grösser seien und «meist fünf- bis siebenmal mehr Marketingbudget» hätten.
Letzten Herbst schlug Cablecom Rivale Netflix ein Schnippchen: Nur wenige Tage vor Netflix' Marktstart in der Schweiz präsentierte man einen eigenen Streamingdienst. Wie beim US-Vorbild bezahlt der Kunde bei MyPrime ein Monatsabo und schaut dafür unbeschränkt Filme und Serien – wobei die Auswahl im Vergleich zu Netflix bescheiden ausfällt.
Wie viele Menschen MyPrime zehn Monate nach dem Start nutzen, will UPC Cablecom auf Anfrage nicht verraten. Eine Aussage von UPC-Chef Tveter lässt aber hellhörig werden: Auf die Frage, ob man MyPrime auch in Österreich lancieren werde, antwortet er: «Wenn wir unsere eigene Plattform starten, dann ist das MyPrime. Aber wir verhandeln derzeit mit anderen Abruf-Anbietern.» Und dann präzisiert Tveter: «Wir könnten Netflix auf unsere Plattform nehmen. Virgin Media, unsere britische Schwesterfirma, arbeitet hier zum Beispiel mit Netflix zusammen. Wir stehen gerade – auf weltweiter Ebene – in Verhandlungen mit Netflix.»
Was bedeuten diese Andeutungen nun konkret? «Es ist noch zu früh, um zu sagen, wie genau eine mögliche Zusammenarbeit mit Netflix aussehen könnte. Mit der Nutzung von MyPrime sind wir sehr zufrieden», lässt die Firmenzentrale verlauten. Trotzdem: Nach uneingeschränktem Vertrauen in den eigenen Streaming-Dienst klingt die Äusserung des Firmenchefs nicht.
UPC Cablecom lässt sich bei den Nutzerzahlen von MyPrime nicht in die Karten blicken. Man könne keine aktuellen Abozahlen nennen, heisst es.
Keine Antwort ist oft auch eine Antwort. Fakt ist: Netflix bietet mehr Serien, attraktivere Exklusivinhalte sowie mehr und aufwändigere Eigenproduktionen an. Cablecom hat als Antwort eine eigene Comedyserie – den Achtteiler «Fässler-Kunz» – produzieren lassen. «Das hat uns in der Schweiz sehr gut gegenüber Netflix positioniert», sagt Tveter. Netflix hat allerdings weit mehr Möglichkeiten, hochkarätige Serien zu produzieren.
Einen Erfolg konnte UPC Anfang Juni dank der Kooperation mit Sony Pictures Entertainment vermelden. Der Deal bringt weitere Blockbuster und Top-Serien ins MyPrime-Angebot.
Bei Netflix weiss insbesondere die Benutzerfreundlichkeit der Webseite und Apps zu gefallen. Dies ist auch Tveter bewusst, wenn er im Interview mit dem «Standard» sagt: «Es zeigt sehr gut die Bedeutung der Bedieneroberfläche, und wir haben daraus einiges für unsere TV-Plattform Horizon gelernt, die 2013 in der Schweiz gestartet ist und die wir laufend verbessern. Mit einfacher Bedienung und Navigation kann man Kunden sehr gut binden.»
In den USA läuft Netflix den etablierten Kabelsendern gerade den Rang ab. Vor allem Junge kündigen den TV-Anschluss, da sie ihre Lieblingsserien über Streaming-Dienste wie Netflix und Hulu schauen. «Ja, manche Kunden entscheiden sich für andere Plattformen», räumt Tveter im Interview ein. Auf Nachfrage sagt UPC Cablecom: «Die Kündigungsraten sind in einem absolut akzeptablen Rahmen.»
Das könnte sich ändern, wenn Netflix seinen Bekanntheitsgrad auch bei uns steigert und der Netflix-Knopf prominent auf der TV-Fernbedienung zu finden ist, wie dies in den USA bereits der Fall ist. Netflix könnte damit einen Vorteil gegenüber Konkurrenzdiensten bekommen, weil der Service für die Nutzer nur noch einen Knopfdruck entfernt ist – statt ihn im Menü suchen zu müssen.
Zehn Monate nach dem Start in der Schweiz muss man festhalten: Netflix läuft, sogar sehr gut. Im zweiten Quartal 2015 hat Netflix weltweit 3,3 Millionen neue Abonnenten dazu gewonnen und kommt nun auf 65,55 Millionen Kunden.
«Nur» 900'000 der Neu-Abonnenten stammen aus den USA, zum grossen Wachstum steuern vor allem Australien und Europa bei – vermutlich auch die Schweiz. Wie viele Abonnenten konkret aus der Schweiz stammen, verrät das Unternehmen nicht. Gemäss einer repräsentativen Umfrage hatte Netflix im Februar, fünf Monate nach Markteintritt, bereits rund 180'000 Schweizer Nutzer. Branchenexperten schätzen, dass Netflix in der Schweiz bis Ende Jahr 236'000 Abonnenten zählen wird.