In einer kürzlich beim US-Handelsbeauftragten eingereichten Stellungnahme hält der mächtige Verband der US-amerikanischen Filmindustrie fest, dass das Urheberrecht der Schweiz völlig unzureichend sei. Dies berichtet das auf Filesharing spezialisierte Newsportal Torrentfreak.
Das Land im Herzen Europas habe zwar Pläne, seine Gesetze zu aktualisieren, doch stellten die vorgeschlagenen Änderungen keine wesentliche Verbesserung dar.
Urheberin der Stellungnahme ist die Motion Picture Association of America, kurz MPAA. Ein Zusammenschluss der grössten Hollywood-Studios, der die Interessen der weltweiten Film- und Fernsehindustrie vertritt (siehe Box, unten).
Während die Europäische Union in den letzten Jahren hart daran gearbeitet habe, die Copyright-Gesetze zu verschärfen, gehe die Schweiz ihren eigenen Weg.
Torrentfreak hat die vom 30. Oktober datierende Stellungnahme veröffentlicht. Darin steht unter der Überschrift «Schutz des Geistigen Eigentums»:
Und es kommt noch heftiger:
Öffentlicher Druck seitens der Hollywood-Studios und der weltweiten Filmindustrie ist nichts Neues. Jahr für Jahr kritisiert die MPAA das aus ihrer Sicht zu lasche Schweizer Urheberrecht.
Nun wird die geplante Revision des Urheberrechtsgesetzes (URG) ins Visier genommen. Voraussichtlich im ersten Halbjahr 2019 wird das Eidgenössische Parlament darüber befinden.
Der Gesetzesentwurf weise erhebliche Mängel auf, kritisiert die MPAA. Der Bundesrat weigere sich, «grundlegende Elemente der international anerkannte Anti-Piraterie-Gesetzgebung» in das Schweizer Recht zu integrieren.
Nach dem vorgeschlagenen Gesetz solle es legal bleiben, dass Menschen «raubkopierte Inhalte privat herunterladen oder streamen», fasst Torrentfreak zusammen.
Das neue Gesetz zementiere das (bislang in der Schweiz geltende) Verständnis, dass bei der privaten Nutzung auch illegale Quellen zulässig seien. Stattdessen verlangt die MPAA, dass Kopien aus nicht-autorisierten Quellen nicht mehr toleriert werden.
Zugangssperren seien nicht möglich, kritisiert die MPAA zudem und fordert stattdessen, die Internet-Provider in den Kampf gegen Online-Piraterie einzubeziehen.
Der Bundesrat wolle ein klares Zeichen gegen die Internetpiraterie setzen, widerspricht Emanuel Meyer vom Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE). Es handle sich um eine ausgewogene Vorlage, die den verschiedenen Anliegen der interessierten Kreise angemessen Rechnung trage.
Sie berücksichtige die wesentlichen Anliegen der Produzenten, auch wenn diese nicht alle ihre Forderungen erfüllt sehen, erklärt der Jurist, der beim IGE die Abteilung Rechtsdienst Urheberrecht und verwandte Schutzrechte leitet.
Weiter verweist Meyer auf die Medienmitteilung des Bundesrates vom November 2017. Darin hiess es:
Die amerikanische Unterhaltungsindustrie habe gelernt, dass es funktioniere, «die immer gleichen und wiederholten Forderungen zu stellen», kommentiert der Schweizer Rechtsanwalt und Digitalexperte Martin Steiger. «In vielen Ländern war dieses Vorgehen erfolgreich und die amerikanische Unterhaltungsindustrie konnte ihre Maximalforderungen durchsetzen.»
In der laufenden URG-Revision zeigt sich, dass der erarbeitete Kompromiss (AGUR12) nicht halte, sondern weitere Forderungen möglich seien:
Zudem gibt es handfeste gesamtwirtschaftliche Gründe, die Hollywood in die Hände spielen könnten: Ein Freihandelsabkommen der Schweiz mit den USA sei wieder denkbar, sagt Steiger. «Bei einem solchen Abkommen würden das Urheberrecht und sonstige Immaterialgüterrecht eine wichtige Rolle spielen.»
Bei der Landwirtschaft möge ein Kompromiss möglich sein, doch werde es kein Freihandelsabkommen mit den USA geben, wenn «die amerikanischen Maximalforderungen» darin nicht verankert würden.
Die US-Unterhaltungsindustrie sei zudem auf EU-Ebene sehr erfolgreich mit ihren Forderungen nach einem weiter verschärften Urheberrecht. So sollen in der EU bekanntlich Upload-Filter eingeführt werden.
Das EU-Parlament hat im August dieses Jahres einer Verschärfung des europäischen Urheberrechts zugestimmt.
Ziel ist es, Rechteinhaber von Erzeugnissen wie Texten, Musik oder Bildern besser zu schützen. So soll es nicht mehr so einfach sein, urheberrechtlich geschütztes Material ohne Weiteres im Internet zu verbreiten.
Hauptbestandteil der umstrittenen Reform sind sogenannte Upload-Filter. Demnach müssen in Zukunft alle Online-Plattformen, auf denen sich grosse Mengen von nutzergenerierten Inhalten befinden, Massnahmen treffen, um Copyright-Verletzungen zu verhindern.
Dies würde zwar nicht das Ende von YouTube bedeuten, kommentiert Rechtsanwalt Steiger, es würde aber zu einem weiteren Wandel von YouTube zu einer Plattform für grosse Anbieter aus der Unterhaltungsindustrie führen. Dies wiederum wäre ein Nachteil für die Kulturschaffenden wie auch für die Kunst- und Meinungsfreiheit.
Der Verband der US-Filmindustrie will nicht nur, dass die Schweiz private Downloads und Streaming aus offensichtlich illegalen Quellen härter bekämpft. Kritisiert wird am URG-Entwurf auch, dass keine Einschränkungen beim sogenannten «Catch-up TV» vorgesehen seien.
Tatsächlich gibt es aber einen parlamentarischen Verstoss, das Replay-TV einzuschränken, also die Vorspul-Funktion beim zeitversetzten Fernsehen. Sie wird genutzt, um Werbung zu überspringen, was die TV-Sender in eine schwierige Lage bringt, weil sie dadurch Einnahmen verlieren.
Die Rechtskommission des Nationalrats will in ihrem Vorschlag zur URG-Revision strengere Regeln für Replay-TV aufstellen. Sie will im Gesetz verankern, dass die Sender direkt mit den Kabelunternehmen über die Möglichkeit zum Überspringen von Werbung verhandeln können.
Konsumentenschützer kritisieren dies heftig. Mit der Begründung, Replay-TV drohe dadurch das Aus.
Die Inhalte-Produzenten ihrerseits kritisieren, es sei weltweit einzigartig, dass TV-Sender nicht direkt mit den TV-Verbreitern über das Replay-TV verhandeln könnten.
(via Torrentfreak)