Digital
Social Media

Krank, aber schlank: Auf Instagram zelebrieren Frauen ihre Essstörung

Krank, aber schlank: Auf Instagram zelebrieren Frauen ihre Essstörung

04.08.2016, 12:0504.08.2016, 13:13
Mehr «Digital»

Instagram ist der Ort für hübsche Fotos. Doch der Schönheitswahn zeigt sich dort auch von seiner hässlichen Seite. Abgemagerte Frauen inszenieren mit erschreckenden Bildern ihre Essstörung. Instagrams Richtlinien zum Schutz scheitern am Erfindergeist der Nutzerinnen.

Beine, so dünn wie Streichhölzer. Dutzende Fotos von Beinen, so dünn wie Streichhölzer. «Ich wünschte, das wäre ich», steht darunter. Oder: «Ich möchte weinen, sie ist so perfekt.» Die Hüftknochen stehen hervor – weit hervor. Auf Instagram glorifizieren Mädchen und junge Frauen ihre Essstörung, eifern sich gegenseitig nach, stacheln sich mit immer extremeren Fotos an.

Bild
screenshot: instagram

«Pro-Ana» nennt sich das – kurz für Pro-Anorexie. «Pro-Ana», das ist eine Bewegung von Magersüchtigen oder Bulimiekranken im Netz. Die Mitglieder leiden in der Regel selbst an einer Essstörung. Ihr Ziel ist es, weiter abzunehmen. Immer weiter.

Die Erkrankung wird idealisiert, ein extremes Schönheitsideal steht im Zentrum – eine Art Wettbewerb unter den meist jungen Frauen. Betroffene tauschen sich auf speziellen Webseiten aus – oder eben immer häufiger auf Instagram.

Dass gerade junge Frauen auf Instagram Selfies von sich posten, sich von ihrer schönsten Seite im Netz präsentieren wollen – das ist kein Geheimnis. «Es scheint normal, dass man als junges Mädchen so aussehen muss», kritisiert Andreas Schnebel, Vorsitzender des deutschen Bundesfachverbands Essstörung.

Bild

Befeuert werde der Schönheitswahn durch Gefällt-mir-Angaben und eine wachsende Zahl an Followern, also quasi Fans. Für Mädchen mit Essstörung ist das besonders fatal: «Sie werden von anderen Nutzern so in ihrer Erkrankung noch bestärkt.»

Hashtags gelöscht

Instagram hat vor einigen Jahren seine Richtlinien angepasst, um die Glorifizierung der Erkrankung zu verhindern. Unter Betroffenen beliebte Hashtags wie #probulimia oder #proanorexia können über die Suchfunktion nicht länger gefunden werden. «Hashtags, die Essstörungen glorifizieren, werden ohne Warnung gelöscht», erklärte das Unternehmen auf Anfrage.

Bei anderen Hashtags, die eine Essstörung nicht zwingend anpreisen, werde ein Warnhinweis eingeblendet, bevor die Ergebnisse angezeigt werden. So zum Beispiel der Hashtag #ana.

Bild

«Für viele Instagrammer, die unter einer Essstörung leiden, ist es eine grosse Hilfe, sich auf Instagram mit anderen Betroffenen während ihres Heilungsprozesses auszutauschen», verteidigt Instagram dieses Vorgehen. Im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes seien bestimmte Hashtags deshalb weiterhin über die Suche zu finden.

Doch viele Betroffene lassen sich weder von Warnungen noch Sperren abschrecken. Häufig verbreitet sind Abwandlungen der gelöschten Hashtags. Aus #bulimia wird etwa #bulima, aus #thin wird #thynn. Und darunter finden sich wieder extreme, teils verstörende Fotos von abgemagerten Körpern.

Heilung dokumentiert

Anders ist Amalie Lees Account. Die 21-jährige Britin ist auch dünn – doch sie war mal viel dünner. Mit 17 bekam sie eine Essstörung. Auf Bildern von damals kann man sehen: Auch Amalies Beine sahen aus wie Streichhölzer, mager, zerbrechlich. Amalie macht heute viele Selfies von sich und ihrem Körper – und von Essen. Auf Instagram dokumentiert sie ihren Weg zurück – ihre Heilung.

«Es fühlte sich gut an, online einen Ort zu finden, wo man offen mit seinem Kampf mit der Essstörung umgehen konnte», sagt sie. Über Instagram sei sie mit Menschen verbunden, die das Gleiche durchmachen.

Das AdiPositivity-Projekt

1 / 21
Das AdiPositivity-Projekt
Frei nach dem Motto «Big Is Beautiful» rückt Substantia Jones Dicke ins Rampenlicht: Die Fotografin und Radiomoderatorin hat das Projekt AdiPositvity ins Leben gerufen, das ein neues Bild von beleibten Mitmenschen zeichnen will. (Bild: Substantia Jones)
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Doch auch hier gebe es Gefahren, ein «zweischneidiges Schwert» sei das. «Menschen mit Essstörung können sehr wetteifernd sein», erklärt sie. «Sie fühlen sich, als seien sie nicht krank genug, um Heilung zu verdienen, wenn andere kränker sind als sie.»

Ausserdem gebe es einige Accounts, die sich zuerst rund um Heilung drehen – und dann vor allem einen unrealistisch trainierten Körper anpreisen. Lee sagt heute: «Ich zähle keine Kalorien, wiege mich nicht, mache keine Diät.» Das Leben sei mehr als nur Zahlen.

Gesundheit
AbonnierenAbonnieren

(sda/dpa)

Das sind die meistgelikten Bilder auf Instagram

1 / 21
Das sind die meistgelikten Bilder auf Instagram
Du wunderst dich, warum deine Instagram-Bilder selten mehr als 20 Likes bekommen? Vermutlich weil du nicht Kendall Jenner oder Christiano Ronaldo heisst ...
Diese 20 Bilder haben alle die Million geknackt (und nein, wir können uns das auch nicht bei jedem der folgenden Bilder erklären ...)

quelle: instagram/neymarjr
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Social Media

Alle Storys anzeigen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
36 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Political Incorrectness
04.08.2016 13:02registriert Juni 2016
Und mittendrin eine Slideshow über adipöse Menschen, die ihren Körper feiern. - Beides ist ungesund.
1535
Melden
Zum Kommentar
avatar
HappyMe
04.08.2016 13:15registriert August 2014
Essstörungen, die zu mageren Körpern führen, werden verurteilt. Essstörungen, die zu übergewichtigen Körpern führen, werden als AdiPositivity gefeiert. Hä?
14624
Melden
Zum Kommentar
avatar
Don Huber
04.08.2016 15:23registriert Februar 2014
Irgendwie wundert es mich ja nicht, dass immer mehr Menschen diesem Wahn verfallen. Hat man ein paar Kilos zu viel, ist man schon zu fett. Nein nicht zu mollig oder so einfach gerade fett. Dann tickt man aus und man verfällt in diese Krankheit rein. Eigentlich soll doch jeder so sein können wie er ist, ohne ständig blöde Sprüche anhören zu müssen.
878
Melden
Zum Kommentar
36
Krise bei Tesla: Gewinn bricht ein – so reagiert Elon Musk
Teslas Quartalsgewinn schrumpft um 55 Prozent. Der Rückgang fällt deutlich stärker aus, als befürchtet wurde. Elon Musk hält die Aktionäre derweil mit neuen Versprechen bei Laune.

Tesla verkaufte im ersten Quartal 2024 8,5 Prozent weniger Elektroautos als im Vorjahresquartal und 20 Prozent weniger als im letzten Quartal von 2023. Der Quartalsgewinn fiel überraschend stark um 55 Prozent – die verhaltende Nachfrage und die wiederholten Preissenkungen schlugen voll durch.

Zur Story