Das Wichtigste in Kürze:
Schon gehört? Apple verlangt «Fantasiepreise» für seine neuen iPhones. Und Westeuropa ist ein besonders teures Pflaster. Sogar die Amis haben Mitleid mit uns ...
In den Kommentarspalten hagelt es Spott und Häme: Wer bis zu 1700 Franken für ein Smartphone hinblättere, sei dumm und lasse sich von Apple über den Tisch ziehen.
Dieser Artikel dreht sich um die iPhone-Preise und die übertriebenen Reaktionen darauf. Ich erkläre, warum Apple mehr verlangen kann als die Konkurrenz – und wo die Kalifornier zu gierig sind.
Apple betreibt bei seinem wichtigsten Produkt eine aggressive Preispolitik, wie das aktualisierte Sortiment zeigt:
Zwar versprach Apples Marketing-Chef Phill Schiller an der Keynote das stärkste Sicherheitsglas, das bislang in einem iPhone verbaut worden sei. Doch das hatte er auch schon bei früheren iPhone-Vorstellungen gesagt. Und genauso zuverlässig folgten die ernüchternden «Falltest»-Videos.
Fakt ist: Wenn man keine zeitraubenden Reparaturfälle riskieren will, sollte man das iPhone vor Stürzen und anderen Missgeschicken schützen. Und das kostet extra.
Apple verkauft noch so gern seine eigene Zusatzversicherung. Oder zumindest eine teure Schutzhülle aus dem handgegerbten Leder einer nepalesischen Zwergziege. 😏
Auch wenn man Purist ist und sein teures Gadget nicht in eine Hülle stecken will, ist eine Schutzfolie, respektive ein Panzerglas, zu empfehlen. Das Display des iPhone X, das ich täglich verwende, weist nach einem Jahr beträchtliche Kratzer auf. Dass die neuen Displays absolut kratzfest sind, wage ich zu bezweifeln.
Damit sind wir bei dem angelangt, was Apple in China zu den neuen iPhones in die Schachteln packen lässt: Leider sucht man den Adapter, um Kopfhörer anzuschliessen, vergebens. Das Teil ist bei der 2018er-Generation nicht mehr im Lieferumfang enthalten, sondern kostet nun zehn Franken extra.
Ich schliesse mich dem Kommentar eines schottischen Journalisten-Kollegen an:
Tatsächlich: Dem neuen iPhone liegt ein Fünf-Watt-Ladegerät bei. Das hätte beim iPhone 4S oder 5 noch gereicht. Doch bei den heutigen Akkus dauert das Aufladen ewig. Power-User brauchen also wohl oder übel auch ein stärkeres Ladegerät.
Halten wir fest: Wer ein neues iPhone will, muss zum hohen Anschaffungspreis das eine oder andere Extra dazurechnen.
Letztes Jahr landeten die Kalifornier mit dem iPhone X einen Volltreffer. Zwar kostete es deutlich mehr als 1000 Franken und das Gespött war gross nach der Präsentation. Doch die Zweifler verstummten, als die Konsumenten ihr Urteil abgaben, indem sie zum Portemonnaie griffen.
Das X war Quartal für Quartal ein Kassenschlager. Zwar verkaufte Apple auch das iPhone 8 und iPhone 7 in Massen, doch am populärsten war das 1200-Franken-iPhone.
Apples Marktdominanz zeigte sich nicht zuletzt daran, dass die Konkurrenz die ungeliebte «Notch» des iPhone X imitierte. Wobei Huawei und Co. nur das Design kopieren konnten, aber nicht die innovative 3D-Gesichtserkennung Face ID. Da hat sich Apple einen technischen Vorsprung erarbeitet.
Mit den neuen iPhones haben die Kalifornier auch bezüglich Rechnerleistung die Nase vorn. Das hat mit dem Rechnerherzen zu tun, dem so genannten System-on-a-Chip (SoC): Der A12 Bionic, den die Apple-Ingenieure entwickelt haben, ist der erste Prozessor, der im 7-Nanometer-Verfahren hergestellt wird. Das heisst, die Schaltkreise sind noch kleiner, dadurch kann er noch schneller rechnen und frisst weniger Strom.
Und das Beste: Der schnellste in einem Handy verbaute Prozessor steckt in allen neuen iPhones, auch im Einsteigermodell XR. So wie die Gesichtserkennung und die innovative Gestensteuerung, die den Home-Button überflüssig gemacht hat.
Apple tut, was jede gewinnorientierte Firma in der gleichen Situation tun würde. Bevor man ein Produkt lanciert, das vermutlich ziemlich begehrt sein wird, wettet die Unternehmensführung darauf, wie viele Kunden es rund um den Globus zu einem bestimmten Preis kaufen werden.
Wo liegt die Schmerzgrenze?
Der bekannte Apple-Analyst Horace Dediu äusserte sich zur Frage, wann es den Kunden zu teuer werde ...
The iPhone is priced on usage. If customers use phones less then they will pay less. The question then is when will iPhone use decline. Feel free to make that prediction.
— Horace Dediu (@asymco) 13. September 2018
Wird die Handy-Nutzung abnehmen? Werden weniger Leute ein iPhone kaufen, jetzt, wo es die modernste Apple-Technik auch für weniger als 1000 Franken zu kaufen gibt?
Ich würde nicht darauf wetten!
In Anlehnung an Audis Werbeslogan «Vorsprung durch Technik» gehe ich davon aus, dass Apple auch mit der zweiten iPhone-X-Generation vor einem Rekordjahr steht.
Die Schweiz ist ein freies Land und wir leben in einer Marktwirtschaft. Dies bringt gravierende Nachteile mit sich, wie eine immer grösser werdende Schere zwischen Arm und Reich, Bonus-Exzesse, Konsumwut, Wegwerfmentalität ...
Das System hat aber auch Vorteile, zum Beispiel dass es dadurch eine grosse Auswahl an Handys gibt.
Wir halten fest:
Kein Mensch muss ein iPhone XS kaufen, und schon gar nicht ein iPhone XS Max. Es fahren zum Glück auch nicht alle Leute einen BMW X5 oder Porsche Cayenne.
Im Gegensatz zu Luxus-Limousinen sind Luxus-Smartphones, bzw. Geräte im obersten Preissegment, für relativ viele Leute erschwinglich. Wer unbedingt ein neues iPhone will, verzichtet vielleicht auf andere kostspielige Dinge.
Ich persönlich finde nicht. Aber das muss natürlich jeder Smartphone-Fan für sich selbst entscheiden.
Apple versucht mit satten Preiserhöhungen, die Rekord-Profite der vergangenen «fetten» Jahre in die Zukunft zu retten. Zum Leidwesen der Kundinnen und Kunden.
Fakt ist eben auch: Viele User bleiben beim iPhone und ziehen einen Plattform-Wechsel kaum in Betracht. Denn kein anderer Hersteller kann Vergleichbares bieten.
Bevor das Protestgeschrei losgeht: Ich meine damit das iPhone als «Rundum-Wohlfühlpaket», das Gesamtprodukt aus Hardware, Software und Dienstleistungen.
Natürlich gibt es andere, hervorragende Smartphones, die weniger kosten. Von Samsung, Huawei und Co. Doch hat sich Apple eine einzigartige Position erarbeitet:
Die Kalifornier spekulieren darauf, dass die Kunden nicht zu Android wechseln. Weil sie sich im «Walled Garden» wohlfühlen und bereit sind, einen happigen Aufschlag zu bezahlen.
Dabei stehen für die meisten iPhone-User nicht die neusten Features im Zentrum: Sie wollen ein benutzerfreundliches Gerät, mit dem sie gut und sicher durch den Alltag kommen.
Und genau hier bieten sich Alternativen: Es gibt auch sehr gute iPhones, die deutlich weniger kosten als das XS, und die Käufer tun erst noch etwas für den Umweltschutz ...
Apple kurbelt mit den jüngsten Preiserhöhungen ungewollt die Nachfrage nach gebrauchten iPhones an.
Upcycling bezeichnet streng genommen die Umwandlung von Abfall oder (scheinbar) nutzlosen Stoffen in neuwertige Produkte. Doch steht der Begriff auch für gebrauchte iPhones, die fachmännisch aufgerüstet und erneut verkauft werden.
In der Schweiz gibt es verschiedene professionelle Wiederverkäufer von Apple-Produkten. Ein bekannter Name ist die Basler Firma Revendo, die mittlerweile Filialen in sieben Deutschschweizer Städten betreibt und auf Expansionskurs ist.
Apple dürfte es verschmerzen ...
Es gibt eine kleine Minderheit von Smartphone-Usern, die würde nie auf ein iPhone wechseln. Apple könnte ein revolutionäres Gerät auf den Markt bringen, doch es käme für diese User schlicht nicht infrage. Und zwar aus Prinzip nicht. Weil sie das Unternehmen und dessen Marketing nicht mögen.
Und genau diese Minderheit brüllt am lautesten, wenn Apple neue iPhones vorstellt. Dann wird behauptet, dass nichts daran innovativ sei, dass es das alles schon gegeben habe und der iPhone-Hersteller nur abgekupfert habe. Häufig machen sich die Hater über die Kunden lustig, die viel zu viel bezahlen.
Nur, wo ist das Problem?
Wenn bei Apple der Rubel rollt, sollten sich selbst die hartgesottensten Android-Ultras freuen. Zu den 15 grössten Investoren des iPhone-Herstellers zählt die Schweizerische Nationalbank. Und die schüttet Teile ihres jährlichen Gewinns an Bund und Kantone aus. Sprich: Wir alle profitieren.
Abgesehen davon bricht hoffentlich eine Zeit an, in der immer mehr Smartphone-Fans nachhaltige Produkte bevorzugen. Es müssen nicht die neusten Modelle sein. 😉