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Q W E R T Z 😍– Die Schreibmaschine ist 150

Happy Birthday, Schreibmaschine! Nanu, was ist denn das für ein Sonderzeichen?
Happy Birthday, Schreibmaschine! Nanu, was ist denn das für ein Sonderzeichen?

Q W E R T Z 😍 Die Schreibmaschine ist 150 – hier sind 10 überraschende Fakten

Die Schreibmaschine war fürs 20. Jahrhundert eine der wichtigsten Erfindungen. Heute schätzen Geheimagenten ihre Vorteile.
23.06.2018, 07:2023.06.2018, 09:48
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Hier sind 10 überraschende und kaum bekannte Fakten zum Schreibgerät, das in heutigen PCs weiterlebt ...

Die Schreibmaschine ist mit dem Revolver verwandt

Sie heissen Erika, Gabriele, Olympia oder Valentine: Schreibmaschinen gehören zum 20. Jahrhundert wie der Röhrenfernseher und der Plattenspieler. 48 Tasten und ein Ratschen, Hämmern und Klicken, wie es keine lichtgraue Computertastatur erzeugen kann. Vor genau 150 Jahren – am 23. Juni 1868 – meldete die US-Rüstungsfirma Remington die erste industriell gefertigte Maschine, wie wir sie kennen, zum Patent an.

Zum Produkte-Portfolio gehören Büchsen, Flinten, Handfeuerwaffen und Munition. Eines der ersten erfolgreichen Modelle war der Remington New Model Army, ein Revolver, der in grossen Stückzahlen an die US-Unionstruppen verkauft wurde.

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bild: wikimedia cc by-sa 2.0

Die Tastatur ist seit 150 Jahren unverändert

Im Gegensatz zu ihren Vorläufern hatte die «Sholes-Glidden» die bis heute auch für Computer gültige Tastatur.

«Zuerst haben die Erfinder es mit einer alphabetisch angeordneten Tastatur versucht, dann aber gemerkt: Sie müssen die Anschläge gleichmässig auf die linke und rechte Hand verteilen», erläutert Winfrid Glocker. Er ist am Deutschen Museum Konservator für Papier-, Druck, Textil- und Bürotechnik.

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bild: wikimedia / plenuska cc 4.0

Unter der Zahlenreihe stehen darum die Buchstaben Q, W, E, R, T, Z – das ist die sogenannte QWERTZ-Tastatur. Im englischen Sprachraum tauschen das Z und das Y den Platz.

Sie war ursprünglich für Blinde gedacht

Ursprünglich war die Schreibmaschine als Hilfsmittel für extrem kurzsichtige oder blinde Menschen gedacht. Technische Verbesserungen um die Jahrhundertwende machten den weltweiten Siegeszug möglich. Die Vorteile: Alles war gut lesbar und eine Kopie war dank Durchschlag inbegriffen.

Die Nazis hatten eine SS-Sonderzeichentaste

Geräte wurden in unzähligen Versionen produziert, auch in fremden Schriften. Die Nazi-Organisation SS liess eine eigene Taste mit ihren Runen belegen.

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screenshot: usmbooks.com

Tolkien selbst tippte «Herr der Ringe» dreimal ab

Schreibmaschinen waren weltweit omnipräsent. Die Kugelkopfmaschine löste mit eigener Korrekturtaste die letzte Tücke. Dennoch blieb das Bedienen der Maschine für viele Menschen Plackerei. Studenten schwitzten über Typoskripten, und auch Autoren. Glocker: «J.R.R. Tolkien war Professor für ein vergleichsweise exotisches Fach und er hatte nicht das Geld, eine gelernte Schreibkraft »Herr der Ringe« tippen zu lassen. Er hat das Riesending dreifach abgetippt.»

Eine Umfrage bei grossen deutschsprachigen Verlagen ergab, dass etwa John Irving, Patrick Süskind und Frederick Forsyth bis heute Schreibmaschinenseiten bei ihren Lektoren abliefern.

Zu Spitzenzeiten wurden eine Million Schreibmaschinen verkauft. Pro Jahr.

Klaus Neudeck war 16 Jahre alt, als er 1960 bei dem deutschen Schreibmaschinenriesen Olympia als Lehrling anfing. «Wir haben in den Spitzenzeiten zwischen 1960 und 1970 pro Jahr eine Million Maschinen weltweit verkauft. Wir hatten 17 Tochtergesellschaften auf der ganzen Welt. Wir waren ja einer der führenden Anbieter überhaupt in allen Ländern.» Neudeck, heute 74, stieg in diesen Glanzzeiten Stufe um Stufe auf. «Zuletzt war ich Geschäftsführer. Dann wurde Olympia an ein chinesisches Unternehmen verkauft.» Da sei er ausgeschieden.

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bild: wikimedia cc by-sa 2.5

Sie lebt dank «CC» in modernen Computern weiter

Von den 1970ern an machten Computer nach und nach der Schreibmaschine den Garaus, das Internet tat sein Übriges. Allein in der Abkürzung «CC» für den zweiten E-Mail-Empfänger lebt die Schreibmaschine im Netz noch ganz praktisch fort. «CC» kommt von «Carbon Copy» (Durchschlag mit Kohlepapier).

Schön anzusehen sind die alten Maschinen noch immer. Viele stellten sie sich zur Dekoration in die Wohnung, «wie eine alte Singer-Nähmaschine», so der Museumsmann.

Diese Website gibt den «Sound» beim Tippen wieder

Auf der Website «Conserve the Sound» ist zu hören, wie alte Schreibmaschinen klingen, etwa eine Adler Gabriele 2000.

Beliebt bei YouTube ist bis heute auch ein Konzert des US-Komikers Jerry Lewis an einer unsichtbaren Maschine.

Die Schreibmaschine ist nicht tot, im Gegenteil!

Wer denkt, diese Technik sei heute nur noch museumsreif, der irrt. Olympia etwa vertreibt in Europa und im Nahen Osten weiterhin Maschinen, nur dass sie heute aus Kostengründen in Asien hergestellt werden. 6000 bis 8000 Maschinen werden Jahr für Jahr neu abgesetzt, jede fünfte Maschine wird in Deutschland verkauft.

Denn es gibt Aufgaben, bei denen ein Computer versagt, wie der frühere Olympia-Geschäftsführer Klaus Neudeck erzählt: «Wenn Sie Formulare ausfüllen müssen, müssen Sie ja schon genau treffen. Die Schreibmaschine ist da immer noch das bessere und schnellere Mittel.» Abnehmer seien aber eher kleinere Firmen.

Geheimdienste sind daran interessiert

Der Olympia-Mann ist im Lizenzvertrieb weiter tätig geblieben: «Wir hatten aus Russland vor ein paar Monaten eine Anfrage einer Behörde: Sie bräuchten Schreibmaschinen, um »abhörsichere« Protokolle zu schreiben.» Ein Auftrag kam in diesem Fall aber bisher nicht zustande.

Offensichtlich gibt es seit dem Aufkommen von Wikileaks ein gesteigertes Interesse im russischen Markt. Glaubt man einem älteren Bericht der russischen Zeitung «Iswestija», waren in den vergangenen Jahren nicht nur russische Zivilschutzbehörden an den vor Hackern sicheren Maschinen interessiert, sondern auch der Geheimdienst FSB.

(dsc/sda/dpa)

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