Bundeskanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer kommen zu keinem Konsens im Asylstreit. Beim Gipfel in Brüssel hatte sich die EU auf weitere Verschärfungen der Migrationspolitik verständigt. So sollen Bootsflüchtlinge in zentralen Sammellagern in der EU untergebracht werden. Merkel erhielt nach eigenen Angaben zudem Zusagen mehrerer Länder, über schnellere Rückführungen von Migranten zu verhandeln. Ausserdem wurden am Samstag überraschend weitgehende zusätzliche Asyl-Vorschläge Merkels bekannt.
Seehofer nannte die EU-Beschlüsse kein «wirkungsgleiches Surrogat» (keinen gleichwertigen Ersatz). Er widersprach damit direkt Merkel. Die Kanzlerin hatte bei der Aufzeichnung eines Sommerinterviews der ZDF-Sendung «Berlin direkt» zur Frage, ob die Forderungen der CSU erfüllt seien, gesagt: «In der Summe all dessen, was wir insgesamt beschlossen haben, ist das wirkungsgleich. Das ist meine persönliche Auffassung. Die CSU muss das natürlich für sich entscheiden.»
Nach dem EU-Gipfeltreffen will Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer im erbitterten Streit mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel beide Ämter aufgeben. Das sagte er am Sonntag an einer CSU-Sitzung. Seehofer habe seinen Rücktritt in einer persönlichen Erklärung am Ende der Beratungen der CSU-Spitzengremien bekanntgegeben.
Horst #Seehofer gibt nach Angaben aus CSU-Kreisen seine Ämter als #CSU-Chef und Bundesinnenminister auf. Das ist offenbar Inhalt der persönlichen Erklärung, die er am Ende der Krisensitzung des CSU-Vorstands abgegeben hat. Mehr im Liveblog: https://t.co/RgNJD7LCnS
— ZEIT ONLINE (@zeitonline) 1. Juli 2018
Die engste CSU-Parteiführung hatte Seehofer gebeten, nicht zurückzutreten. «Das ist eine Entscheidung, die ich so nicht akzeptieren kann», sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung des CSU-Vorstands. Dobrindt habe dafür lang anhaltenden Applaus erhalten.
Dobrindt sagte offenbar, Rücktritt von #Seehofer sei nicht zu akzeptieren. Es solle abgestimmt werden. Applaus im @csu-Vorstand.
— Melanie Amann (@MelAmann) 1. Juli 2018
Die Sitzung wurde unterbrochen, die engste Parteispitze zog sich mit Seehofer zu Beratungen zurück. Der CSU-Vorstand hatte seit dem Nachmittag über den Asylstreit mit der CDU diskutiert. Dabei hatten Seehofer und seine Parteifreunde sich mehrheitlich gegen die Linie der Kanzlerin gewandt.
Kern des Streits mit der Bundeskanzlerin sind Pläne Seehofers, in anderen EU-Ländern registrierte Asylbewerber notfalls im Alleingang an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Merkel lehnt einseitige Aktionen Deutschlands ab und pocht auf ein europäisch abgestimmtes Vorgehen.
Seehofer sagte am Sonntag nach fast achtstündigen Beratungen laut Teilnehmern, es gebe drei Optionen: Entweder die CSU beuge sich dem Kurs von Merkel in der Asylpolitik. Oder er ordne als Innenminister die Zurückweisung bestimmter Migranten an der deutschen Grenze an – mit allen damit verbundenen Gefahren für den Fortbestand der Koalition. Und die dritte Option sei, dass er als Parteichef und Minister zurücktrete.
So hab ich das notiert #Optionen #Seehofer @csu pic.twitter.com/ci0tNtrJF8
— Andreas Lenz (@DerLenzMdB) 1. Juli 2018
CSU-Chef Horst Seehofer hat sein politisches Schicksal in die Hände der CDU gelegt: In einem Spitzengespräch will der deutsche Innenminister die Schwesterpartei an diesem Montag zum Einlenken im dramatischen Asylstreit bewegen.
Erst danach will er endgültig über seinen angekündigten Rücktritt von beiden Ämtern, also den Ministerposten und den CSU-Vorsitz, entscheiden. Die engste Parteiführung hatte ihn gebeten, nicht zurückzutreten.
Wann das Treffen konkret stattfinden soll, war zunächst offen. Um 14 Uhr ist ohnehin eine Sitzung der Unionsfraktion, also von allen Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag geplant.
(sda/dpa/afp/reu/vom)