Okay, Schweden hat also nach 1974, 1984, 1991, 1999 und 2012 schon wieder einen ESC gewonnen. Mit Måns Zelmerlöw und seinen Strichmännchenhelden. Das ist so korrekt wie schade. Es wäre grandios gewesen, wenn die herzige Polina Gagarina aus Russland gewonnen hätte. Richtig super. Superer wärs gar nicht gegangen. Dann wäre der homophobe Herr Putin gezwungen gewesen, die schwulste Veranstaltung der Welt in Würde durchzuführen. Alle Länder hätten bärtige Damen nach Moskau geschickt, und die Veranstaltung hätte so viel Sinn gemacht wie in den sechzig Jahren vorher nie. Schade.
Aber zurück zum Wettbewerb. Die Leute hatten wirklich schlimme Beziehungsprobleme. «Ich ha di nid wölle wecke, mini Liebi isch nie gnueg für di, i ha mini Sache packt und bi gange.» – «Aber worum hesch mi nid gweckt!» – «Will di nid ha wölle wecke!» – «Aber worum hesch mi nid gweckt!» Und so sinngemäss und so weiter. Estland.
«Woni jung gsi bi, hani öppis Schröcklichs gmachts, drum isches besser, mir trenne öis, als dass du miteme Monschter wie mir zäme blibsch.» Und so weiter. Norwegen.
Und die Italiener erst! Im Video der überraschend weit gekommenen Il Volo ist genau zu sehen, wie sich die drei Tenöre oder Sopranos oder so gegenseitig die Mädchen ausspannen und sich dann verprügeln.
Als die Spanierin auf der Bühne von einem Typen hochgehoben wurde, sagte der Psychoanalytiker Peter Schneider im SRF3-Kommentar: «Jetzt kommt wieder die häusliche Gewalt in der Familie. Aber starke Frauen wie Julia Onken wissen sich dagegen zu wehren. Der Mann symbolisiert die KESB.» Über einen österreichischen Kinderchor sagte er: «Ist doch schön, so viele Kinder auf der Bühne und nicht nur im Keller.»
Der ESC selbst war mal wieder wie die Oscars lang und langweilig. Letztes Jahr hatte ja die erhabene, die einzigartige Conchita, die jetzt leider die Wurst von ihrem Namen abgeschnitten hat – eine symbolische Kastration? –, schon Wochen vorher für eine Euphorie in der Regengebogen-Community gesorgt. Dieses Jahr ist nun Irland mit seinem Abstimmungswunder kurzfristig eingesprungen. Es hätten sich, schwören die irischen Homos, den ganzen Tag über Regenbögen über ihr Land gespannt. Über Wien irgendwie nicht. Egal. Wien hat ja schon die schwul-lesbischen Ampelmännchen.
«Der #ESC ist wie die Paralympics für die Musikszene.» @gabrielvetter #srfesc
— SRF 3 (@srf3) 23. Mai 2015
«Denk an den krebskranken Weinbauern, der jetzt Freude aus dem ganzen zieht», sagte Peter Schneider zu seinem Ko-Kommentator Gabriel Vetter («Es ist Satire, Sie dürfen uns nicht erschiessen!»). Nach der Hälfte der Punktevergabe meinte Vetter: «Ui, Deutschland, Österreich, Polen: null Punkte. Hitler hat wirklich verloren. Dafür hat er den Contest nicht gemacht.» War es die Strafe Europas für Merkels mäkelige Sparpolitik? Vetter fand den englischen Beitrag «reaktionär-sexistische Kackescheisse», Schneider entpuppte sich als Overknee-Stiefel-Fetischist. Danke Jungs, you made the night.
Nächstes Jahr sollten wir einfach @gabrielvetter #schneider als unsere Band an den #ESC schicken. @Nikhartmann @srf3
— Cédric Wermuth (@cedricwermuth) 23. Mai 2015
11,71 Millionen Euro hat der «gay Superbowl», wie die Amerikaner den ESC nennen, Wien gekostet. Der Motor lief, die Wiener gaben Mozart, Beethoven, Udo Jürgens und Conchita, Conchita, Conchita zum besten, bloss Falco fehlte, und die Ausschnitte lagen heuer enorm tief. Ungarn sang wie Russland für den Frieden. Belgien war irgendwie sexy und edgy. Österreich fackelte auf der Bühne einen Flügel ab. Frankreich beweinte ein Dorf, das im Zweiten Weltkrieg wahrscheinlich von österreichischen Nazis zerstört worden war. Israel heulte sich erst bei der Mama aus und ging dann abtanzen und jubelte: «I'm the king of fun.» Gastland Australien sang am besten. Es ist vorbei. Bye bye Maienmond.