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Es ist schon erstaunlich: Gerade noch hatte Deutschland das Image des sympathischen Grand-Prix-Gewinners – und schon hat die Nominierung eines neuerlichen ESC-Kandidaten für den Eurovision Song Contest für ein Drama gesorgt, das den Sieg von Lena anno 2010 in weite Ferne rücken lässt.
Damals wurde der Kandidat noch «demokratisch» durch Wahl des Publikums via Castingshow gekürt. Heute entscheidet der verantwortliche Norddeutsche Rundfunk (NDR) allein, wer das Land im Mai 2016 in Stockholm vertreten soll – und pickt sich ausgerechnet Xavier Naidoo heraus.
Die Reaktionen auf die Wahl fallen harsch aus:
Ich finds toll, dass Deutschland einen latent homophoben Religionsklemmi zur schwulsten Veranstaltung des Jahres schickt. #ESC2016
— Carline Mohr (@Mohrenpost) 19. November 2015
Na wenigstens wird die Bühnenshow beim #ESC geil: Jesus reitet auf 'nem Dinosaurier aus der Hohlerde ein und Aluhut-Chor im Hintergrund.
— Manuel (@Binger05) 19. November 2015
Den folgenden Shitstorm hat sich der NDR höchstselbst eingebrockt: Es hagelt Kritik auf Social Media, eine Online-Petition wird aus der Taufe gehoben und der Feuilleton formiert seinen Widerstand.
Xavier Naidoos Fans würden beim #ESC gerne für ihn anrufen, aber Deutschland ist noch besetzt. #XavierNaidoo #Reichsbuerger #IchKotze
— Henning Jensen (@HenningLEL) 19. November 2015
Die ARD schickt Xavier #Naidoo für Deutschland zum #ESC und bringt sich in Erklärungsnot. (fxs) https://t.co/aQqreFNleI
— ZEIT ONLINE (@zeitonline) 19. November 2015
«Xavier Naidoo ist ein herausragender Sänger, der nach meiner Überzeugung weder Rassist noch homophob ist. Es war klar, dass er polarisiert, aber die Wucht der Reaktionen hat uns überrascht. Wir haben das falsch eingeschätzt», sagte der zuständige NDR-Mann der Welt am Sonntag.
Die späte Reaktion: Ob des Sturms der Entrüstung streicht der NDR die Segel – Naidoo wird als ESC-Kandidat nach 60 Stunden schon wieder versenkt.
Dieser Weg war recht kurz. #Naidoo #ESC2016
— extra3 (@extra3) 21. November 2015
Doch anstatt die Wogen zu glätten, fachen die Verantwortlichen den Shitstorm durch ihre Alleingänge und die katastrophale Kommunikation nur noch mehr an. «Ich hätte es begrüsst, wenn diese Diskussion ARD-intern hätte geführt werden können. So ist das alles sehr unglücklich gelaufen», murrt Volker Herres – notabene der Programmdirektor des Muttersenders ARD. Der Spott auf Twitter, Facebook und Co. lässt nicht lange auf sich warten.
#Kommentar: #XavierNaidoo: Eine #Bankrotterklärung
Die #Ausladung Xavier Naidoos ist noch #dümmer als seine... https://t.co/Ja8bOfEpkW
— VVN-BdA NRW (@vvnbdanrw) 21. November 2015
Morgen am Kiosk mit dem Exklusiv-Interview nach der ESC-Absage: PamS Nr. 47/2015
https://t.co/bP3y0wDFI0 #Naidoo pic.twitter.com/K8sOLYy5Ii
— Der Postillon (@Der_Postillon) 21. November 2015
Daneben kommt nun auch erneut Kritik auf – was wiederum am grossen Schweigen des NDR liegt. Nicht einmal Xavier Naidoo wird von den Hamburgern selbst über seine Demission informiert, wütet Bild – geschweige denn der geneigte deutsche ESC-Fan in den sozialen Netzwerke.
Auf Twitter? Nichts! Auf Facebook? Eine dünne Erklärung. Der Shitstorm? Bläst den Norddeutschen noch heftiger ins Gesicht. Und das dicke Ende für den NDR kommt erst noch ...
Xavier Naidoo singt nun doch nicht für Deutschland beim Eurovision Song Contest. Der NDR hat seine Entscheidung zurü...
Posted by NDR.de on Samstag, 21. November 2015
Wieso das Auge des Sturms noch nicht erreicht ist? Weil schon wieder eine Online-Petition ins Leben gerufen wurde, die fordert, dass Naidoo nun doch wieder für Deutschland nominiert werden soll. Ausserdem haben sich namhafte Unterstützer des in Ungnade Gefallenen gefunden.
Comedian Michael Mittermaier hat zum Beispiel einen «billig innitierten Presse-Shitstorm» ausgemacht. «Tatort»-Draufgänger Till Schweiger greift das auf und poltert gewohnt gallig, die Kampagne gegen Naidoo sei eine «Form von Terrorismus».
Lieber Michael, deinem Text kann man eigentlich nichts mehr hinzufügen...ausser vielleicht, dass auch ich erschüttert...
Posted by Til Schweiger on Freitag, 20. November 2015
Es tut mir leid mein Freund ... Xaver, keep on...Tja, schade dass ein billig initiierter Presse-Shitstorm ausreicht,...
Posted by Michael Mittermeier on Samstag, 21. November 2015
Mittlerweile haben die Macher auf die Kritik reagiert – mit Gegen-Kritik. Auf der deutschen ESC-Website ist von einer Jagd auf Naidoo die Rede, bei der «kein Erbarmen» gezeigt würde: «Es hatte den Anschein, als sei die Diskussion im Netz sogar stärker als bei den Terroranschläge von Paris.»
Anstatt die Fehler bei sich zu suchen, greift der NDR die Kritiker an – und macht das Kommunikationsdesaster komplett. Mal sehen, ob die Hamburger den Kahn noch auf Kurs bringen können, bevor er im Shitstorm endgültig absäuft. Das Drama um den deutschen ESC-Beitrag dürfte noch lange nicht zu Ende sein.
Einfach die Reaktionen zu zählen und dann einen Artikel über einen Shitstorm zu schreiben ist schon etwas die faule Variante. :)