Film
Oscars 2016

Schnee und Blut tut einfach gut: Der neue Tarantino ist da!

Kutschenkoller: Kurt Russell und Samuel L. Jackson.
Kutschenkoller: Kurt Russell und Samuel L. Jackson.
Bild: Ascot Elite

Schnee und Blut tut einfach gut: Endlich ist der neue Tarantino da!

Der Meister beglückt uns in «The Hateful Eight» mit lauschiger Hüttenromantik und einer idyllischen Kutschfahrt. Natürlich nicht!
23.01.2016, 13:09
Simone Meier
Folge mir
Mehr «Film»

Grausam böse grätscht der Sound von Ennio Morricone durch den Tiefschnee von Wyoming. Der Mann ist 87! Und komponiert einfach so diese Hölle voll rasender Teufel für Quentin Tarantino. Ennio Morricone muss ein Naturwunder sein. Eine Kutsche rattert durch diesen Winter. Die Kutschpferde sind schöne Monster. Es ist kurz nach dem Ende des Bürgerkriegs, also kurz nach 1865, die Kutsche will nach Red Rock. Die Kutsche wird zum Schlangennest. Vipern kommen sich näher. Gut ist das nicht.

Da sind die Schwerverbrecherin Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) und ihr Kopfgeldjäger John Ruth (Kurt Russell): Sie ist ein Maschinengewehr, geladen mit Obszönitäten, er prügelt sie dafür zu Mus, sie bricht nicht. In Red Rock will er sie hängen sehen. Da ist einer, der vorgibt der künftige Sheriff von Red Rock zu sein, man traut ihm keine Sekunde. Und ein Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson, wahrscheinlich der coolste Mensch der Welt), der mit Abraham Lincoln befreundet ist und Briefe von ihm besitzt. Wahr oder falsch? Keine Ahnung. Ihre Geschichten sind allesamt so gut, um wahr zu sein. Oder zu gut.

Schon wieder hat Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) für ihr loses Mundwerk auf die Fresse gekriegt.
Schon wieder hat Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) für ihr loses Mundwerk auf die Fresse gekriegt.
Bild: double feature films

Ein riesiges Kreuz ragt aus dem Schnee. Schmerzensmänner wird es in diesem Film viele geben. Einer von ihnen wird genauso nackt wie Jesus am Kreuz im Schnee verrecken, nachdem er Major Warren einen Blowjob gegeben hat. Weil sein Vater ein Südstaatler war und für Erhalt der Sklaverei gekämpft hatte. Blutig wird die Dynamik des amerikanischen Bürgerkrieges noch einmal auf das weisse Blatt einer weiss erstickten Landschaft geschrieben. 

Trailer zu «The Hateful Eight»

Aber haben wir das nicht bereits? Männer im Schnee, die mit viel Blutverlust ums Überleben und für ihr Amerika kämpfen? Ja, haben wir: im Oscar-Favoriten «The Revenant». Doch «The Revenant» konzentriert sich radikal auf den fast stummen Realismus der Gewalt, auf eine ganz direkt körperliche Erfahrung von Geschichte. Auf die Wiedergeburt DiCaprios aus dem Leib eines toten Pferdes.

Ist Tim Roth der bessere Christoph Waltz? Wahrscheinlich.

In «The Hateful Eight» werden Identitäten übers Reden geschaffen. Nur, dass hier die Verteilung von supersmartem und hochpoetischem Geschwafel und dem Pomp des Blutes etwas anders ist als sonst bei Tarantino. Sagen wir mal, auf 167 Minuten Film verteilt, tendenziell ungleichgewichtig. Man muss diesen Film etwas aussitzen.

Zuerst in der Kutsche, dann am Lagerfeuer in einem Blockhaus. Und dort sind wir im Theater. Da gibt es das typische Komödienelement der knallenden Tür («That door's a whore!»), da gibt es die Ausweglosigkeit eines einzigen Raums, in dem sich die Leute – inzwischen sind es die berühmten acht – während eines Schneesturms um Leib und Leben reden. Besonders Tim Roth – ja, er ist im Tarantino-Universum wohl der bessere Christoph Waltz –, als britischer Kopfgeldjäger ist ein Hochgenuss.

18 Hüttenzauber: Kurt Russell (war schon in Tarantinos «Death Proof» bös zu Frauen), Jennifer Jason Leigh, Tim Roth (war schon bei Tarantinos «Reservoir Dogs» mit dabei).
18 Hüttenzauber: Kurt Russell (war schon in Tarantinos «Death Proof» bös zu Frauen), Jennifer Jason Leigh, Tim Roth (war schon bei Tarantinos «Reservoir Dogs» mit dabei).
Bild: Ascot Elite

Und plötzlich merken wir, dass wir eigentlich mitten in einem Stück von Agatha Christie sitzen. Dass Major Warren ein Hercule Poirot ist. Dass Daisy Domergue viel mehr weiss als alle andern. Gift ist im Kaffee. Gift ist in restlos allen Herzen. Und dann .... Und dann ... 

Tarantinos «Django Unchained» (2012) spielt im Jahr 1858, «The Hateful Eight» nur wenige Jahre später. Noch nie – seit «Kill Bill» – lagen zwei Tarantino-Filme historisch so dicht beieinander. Dramaturgisch gesehen, ist «The Hateful Eight» im Vergleich zum Vorgänger zwar etwas in die Breite gegangen. Aber auf einer rhetorischen Ebene hat sich Tarantinos Nachdenken über Amerika und all seine -ismen umso mehr verdichtet. Bis zur absoluten Ausweglosigkeit.

«The Hateful Eight»: Ab 28. Januar im Kino.

Der Film ist für 3 Oscars nominiert: Beste Nebendarstellerin, Beste Kamera und Bester Soundtrack.

Das sind die 50 erfolgreichsten Filme aller Zeiten

1 / 52
Das sind die 50 erfolgreichsten Filme aller Zeiten
Platz 50 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten wird vom ersten «Spider-Man» (2002) besetzt. Der Film spielte weltweit 821,7 Millionen Dollar ein. Quellen für alle Zahlen: IMDb, insidekino
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Du hast watson gern?
Sag das doch deinen Freunden!
Mit Whatsapp empfehlen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
19 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
UncleHuwi
23.01.2016 15:10registriert Mai 2015
gibt es überhaupt einen schlechten Tarantino movie???
375
Melden
Zum Kommentar
avatar
Luca Brasi
23.01.2016 17:54registriert November 2015
Gebt Signor Morricone dieses verdammte Goldmännchen. Fast 10 Jahre nach seinem Lebenswerk-Oscar. Er ist noch immer da und ich bin froh darüber.
292
Melden
Zum Kommentar
avatar
TanookiStormtrooper
23.01.2016 14:02registriert August 2015
Mich erinnert der ganze Schnee ja irgendwie an "Leichen pflastern seinen Weg", was ja schonmal sehr gut ist. Mal sehen ob das Ende genauso schockiert wie damals.
Tim Roth würde ich allgemein gerne öfters auf der grossen Leinwand sehen, toller Schauspieler.
282
Melden
Zum Kommentar
19