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Wer vergiftete den Kreml-Kritiker Litwinenko mit radioaktivem Polonium?

Alexander Litwinenko. 
Alexander Litwinenko. Bild: AP
Fall wird neu aufgerollt

Wer vergiftete den Kreml-Kritiker Litwinenko mit radioaktivem Polonium?

Der Mord am russischen Regierungskritiker Alexander Litwinenko hielt 2006 die Welt in Atem. Der Ex-KGB-Agent wurde mit radioaktivem Polonium 210 vergiftet. Jetzt ermitteln die Briten in dem politisch heiklen Fall erneut. 
31.07.2014, 15:5231.07.2014, 17:01
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Ein russischer Ex-Agent trinkt in einem Londoner Luxushotel mit zwei ehemaligen Kollegen Tee. Anschliessend trifft er einen italienischen Geheimdienst-Experten zum Sushi. Wenig später fühlt der Mann sich nicht gut, drei Wochen darauf ist er tot. Spät entdecken die Ärzte, was den 43-Jährigen quälend langsam sterben liess: Er war mit radioaktivem Polonium 210 vergiftet worden. Was sich liest wie die Handlung eines Spionagethrillers, ist die Kurzfassung des Giftmords am Kreml-Kritiker Litwinenko.

Das Bild des sterbenden Mannes ging damals um die Welt.
Das Bild des sterbenden Mannes ging damals um die Welt.bild: keystone

Das Bild des sterbenden Mannes ging damals um die Welt. Zwischen Grossbritannien und Moskau brach eine monatelange diplomatische Eiszeit an: Die Briten hielten einen der beiden teetrinkenden ehemaligen KGB-Männer, Andrej Lugowoi, für den Hauptverdächtigen, aber der Kreml lieferte ihn nicht aus. 

Ist der Zeitpunkt zufällig?

Gelöst ist der Fall trotz zahlloser Indizien bis heute nicht. Jetzt, acht Jahre nach dem Mord, wird er in einer öffentlichen Untersuchung neu aufgerollt. Ist der Zeitpunkt ein Zufall? Die Downing Street sagt ja. Stutzig macht das Timing trotzdem. Hinter dem Flugzeugunglück in der Ostukraine, das auch zehn Briten das Leben kostete, vermutete man in London schnell Moskau als Waffenlieferanten oder gar Drahtzieher.

Die Witwe, Marina Litwinenko, am 31. Juli 2014 in London vor der Presse.
Die Witwe, Marina Litwinenko, am 31. Juli 2014 in London vor der Presse.Bild: TOBY MELVILLE/REUTERS

Es ist ein Sieg für die Witwe des Ermordeten, die lange für diese öffentliche Untersuchung kämpfte und dabei bis vor das höchste britische Gericht zog. Bei der Regierung stiess sie auf taube Ohren – bis jetzt. Vergangene Woche, fünf Tage nach dem mutmasslichen Abschuss von Flug MH17, gab Innenministerin Theresa May den Sinneswandel bekannt. 

War es gar der MI6?

Nun haben Journalisten und interessierte Zuhörer also Gelegenheit, sich den Litwinenko-Krimi noch einmal in allen Details anzuhören. Er beginnt so: Der Ex-KGB-Mann war im Jahr 2000 aus Russland gekommen, nachdem er den Geheimdienst FSB unter anderem beschuldigt hatte, Morde in Auftrag gegeben zu haben. Damit fiel er in die Kategorie Regierungsgegner, Grossbritannien nahm ihn auf. Das tödliche Gift verabreichte ihm jemand am 1. November 2006.

Die Briten hielten einen der beiden teetrinkenden ehemaligen KGB-Männer, Andrej Lugowoi (Bild), für den Hauptverdächtigen, aber der Kreml lieferte ihn nicht aus. 
Die Briten hielten einen der beiden teetrinkenden ehemaligen KGB-Männer, Andrej Lugowoi (Bild), für den Hauptverdächtigen, aber der Kreml lieferte ihn nicht aus. Bild: AP

Der mordverdächtige Lugowoi verbreitete im folgenden Jahr medienwirksam seine Sicht der Dinge: Der Oligarch Boris Beresowski, ein im Londoner Exil lebender Intimfeind von Wladimir Putin, habe Litwinenko getötet, oder aber der britische Auslandgeheimdienst MI6, für den Litwinenko in London gearbeitet haben soll. 

Zeuge tot in Badewanne gefunden

Es ist zweifelhaft, ob die britischen Juristen nun ermitteln können, welche Version stimmt. Oligarch Beresowski hätte vielleicht helfen können. Doch er wurde im März 2013 tot in seinem Badezimmer entdeckt. Ob es Selbstmord oder Mord war, konnten britische Ermittler nicht klären. 

Oligarch Beresowski.
Oligarch Beresowski.Bild: AP

Es ist eine von vielen offenen Fragen: Vergiftete Beresowski Litwinenko, um Russland zu diskreditieren? Oder steckt doch Moskau hinter dem Mord? Warum wählte der Täter eine so aufsehenerregende Waffe? Und wo kam der tödliche Stoff überhaupt her? Bis Ende 2015 soll die Untersuchung voraussichtlich dauern. (whr/sda/dpa)

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