Gesellschaft & Politik

Bestsellerautorin Zoë Jenny: «Die KESB hat viel zu viel Spielraum» 

Fühlte sich den Behörden ausgeliefert: Zoë Jenny (Archiv).
Fühlte sich den Behörden ausgeliefert: Zoë Jenny (Archiv).Bild: KEYSTONE
Kritik an die KESB

Bestsellerautorin Zoë Jenny: «Die KESB hat viel zu viel Spielraum» 

Mit ihrem Debüt «Das Blütenstaubzimmer» über die Erlebnisse als Scheidungskind erlangte sie Berühmtheit. Nun bläst Zoë Jenny zum ausserliterarischen Kampf gegen Sozialbehörden.
06.01.2015, 07:1206.01.2015, 08:16
Daniel Fuchs / aargauer zeitung
Mehr «Gesellschaft & Politik»
Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Wer mit Zoë Jenny über den Kindsdoppelmord von Flaach ZH spricht, hört ihr den Zorn und die Trauer an. Für die Basler Schriftstellerin («Das Blütenstaubzimmer», «Der Ruf des Muschelhorns») und 40-jährige Mutter eines Mädchens ist klar, wer die Schuld an der Tragödie vom Neujahrstag trägt: die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). «Hätte man diese Mutter mit ihren Kindern in Ruhe gelassen, sie würden jetzt noch leben», sagte sie zur «Schweiz am Sonntag». 

Tatsächlich aber ist noch ungeklärt, weshalb die beiden 2- und 5-jährigen Kinder der 27-jährigen Frau sterben mussten. Für Zoë Jenny ist indes klar: Die Machenschaften der KESB haben die Mutter so weit ins Elend stürzen lassen, dass diese keinen anderen Ausweg mehr sah, als den Leben ihrer Kinder und sich selber ein Ende zu setzen. Denn: «Kinder nimmt man nicht einfach so einer Mutter weg. Sie sind etwas Existenzielles», sagt Jenny zur «Nordwestschweiz». Was eine Mutter allerdings dazu bringen kann, zur Tat zu Schreiten und die Existenz ein für alle mal eigenhändig auszulöschen, darauf hat auch Zoë Jenny keine Antwort. 

Der Streit um die eigene Tochter 

Jennys Kampf gegen die KESB währt schon länger und hat nun einen Höhepunkt erreicht. In zwei Artikeln, die sie zuerst unter Pseudonym verfasste, teilte sie ihre Erlebnisse diesen Herbst mit den Lesern der «Weltwoche». Ihre Botschaft: Mit der Professionalisierung der Vormundschaftsbehörden vor zwei Jahren wurde längst nicht alles besser. Im Gegenteil: Jenny selber fühlt sich als Opfer der KESB, wurde sie doch zu einem Gespräch aufgeboten. 

Für ihr Empfinden glich dieses jedoch mehr einem Kreuzverhör, bei dem ihr die Sozialarbeiter kaugummikauend die Tochter für Wochenendbesuche streitig machten. Auf Initiative ihres Ex-Mannes hin. Zoë Jennys Eindruck: Die Behörde kümmerte sich um ein Luxusproblem, eingefädelt von einem reichen Vater, der in der Südsee das Leben genoss, während sie das «reale soziale Elend» aus Bequemlichkeit ruhen liess. 

Die Bilder aus ihrer Kindheit 

Zoë Jenny selber ist Scheidungskind. Sie wuchs bei ihrem Vater auf, dem Basler Buchhändler und Autoren Matthyas Jenny. «Mein Vater war einer der Ersten, der seine Kinder alleine aufzog. Bei uns ging es zum Teil chaotisch zu und her. Das war unkonventionell und vielleicht etwas unschweizerisch. Aber es war gut so», sagt Jenny. Hausbesuche der Vormundschaftsbehörde, die 2013 von der KESB abgelöst worden ist, kennt sie aus eigener Erfahrung. Ihre Erlebnisse hat Jenny in ihrem ersten Buch «Das Blütenstaubzimmer» verarbeitet, das sie 1997 zur gefeierten Star-Autorin machte. 

Jetzt auf

Und heute? An vergangene literarische Erfolge konnte Zoë Jenny bislang nicht anknüpfen. Aus der Schriftstellerin wurde eine engagierte Verfechterin des Kindswohls. Sie ist überzeugt, eine KESB hätte schon damals eingegriffen und sie und ihren Bruder ins Heim gesteckt. «Die KESB hat viel zu viel Spielraum, sich ins Leben der Menschen einzumischen», sagt Jenny. 

«Das gibt es sonst nur in totalitären Staaten. Das ist eine Schande für die Schweiz.» 
Zoë Jenny

In Flaach durften die Kinder über Weihnachten zu ihrer Mutter nach Hause. Für Zoë Jenny der Gipfel der Ignoranz: «Wären die Kinder wirklich gefährdet gewesen, so hätten sie über die Festtage nicht zu ihrer Mutter zurückgehen dürfen», sagt sie. Für Jenny ist klar: Erst das Eingreifen der KESB hat überhaupt zur Tragödie geführt. 

Befindet sich Zoë Jenny auf einem Kreuzzug gegen die KESB? Eine angekündigte Volksinitiative liegt auf Eis. Die Politiker sollen handeln. Laut eigenen Angaben hat Zoë Jenny über ihre eigens für den Kampf gegen die KESB eingerichtete Website 800 Zuschriften Betroffener erhalten. Alle fühlten sie sich von der KESB schikaniert und verfolgt. «Was in Flaach geschehen ist, hat mich nicht erstaunt. Bei all den Zuschriften befürchte ich weitere Tragödien», sagt sie. 

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
26 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Mr.Stepper
06.01.2015 08:25registriert Juli 2014
Eine erwachsene Frau die ihre beiden Kinder umbringt trägt keine Schuld? Hallo? Die Schuld am Tod der Kinder trägt die Mutter!
Also war die erste Entscheidung der KESB "ihr die Kinder weg zu nehmen" richtig. Die zweite Entscheidung " die Kinder über Weihnachten zu ihr zu lassen" war offensichtlich falsch (Fehleinschätzung). Im Nachhinein einfach zu erkennen... Das im Vorfeld zu erkennen ist schwierig. Es hätte gerade so gut alles klappen können und die Kinder hätten schon bald wieder bei der Mutter gelebt. So wurde es leider zu einem Fehler mit fatalen Konsequenzen...
458
Melden
Zum Kommentar
avatar
MM
06.01.2015 10:06registriert Februar 2014
Mich ärgert weiterhin, dass alle schon alles besserwissen. Niemand weiss, was genau passiert ist! Auch Frau Jenny nicht. Wohl kaum wurden die Kinder den Eltern ohne Grund weggenommen.

Was wäre, wenn der Mutter die Kinder nich weggenommen worden wären und die Tragödie trotzdem passiert wäre? Ja dann wäre natürlich auch die KESB schuld, denn die hat nicht gehandelt.
385
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bonifatius
06.01.2015 10:22registriert August 2014
Es ist ganz einfach; entweder der Staat mischt sich ein und sorgt für den Kinderschutz oder aber Familie bleibt Privatsache. Trifft ersteres zu, müssen Abklärungen und schlussendlich Einschätzungen gemacht werden, die logischerweise - da menschlich - auch Fehler ergeben können. Tragödien sind niemals ganz vermeidbar.
Frau Jennys eigene Erfahrungen bleiben zudem schleierhaft. Ist sie erbost darüber, dass der Exmann die gemeinsame Tochter sehen wollte? Zahlte er in der Südsee keine Alimente für die Familie? Will sie ihr nächstes Buch promoten? (Thiehlismus?) Fragen über Fragen...
313
Melden
Zum Kommentar
26