Gesellschaft & Politik

Wie weiter? Der Nationalrat streitet sich darüber, wie die Masseneinwanderungs-Initiative umzusetzen ist

FDP-Nationalrat Walter Müller und Bundespräsident Didier Burkhalter unterhalten sich über den Aussenpolitischen Bericht.
FDP-Nationalrat Walter Müller und Bundespräsident Didier Burkhalter unterhalten sich über den Aussenpolitischen Bericht.Bild: KEYSTONE
Dreistündige Nationalratsdebatte

Wie weiter? Der Nationalrat streitet sich darüber, wie die Masseneinwanderungs-Initiative umzusetzen ist

Nach dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative hat der Nationalrat eine erste Diskussion zu möglichen Folgen für Politik und Wirtschaft geführt. Sorgen um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft der Schweiz prägten die mehr als dreistündige Debatte.
04.03.2014, 15:5404.03.2014, 18:04
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Anlass der Debatte am Dienstag waren die Berichte des Bundesrates zur Aussenpolitik und zur Aussenwirtschaftspolitik. Beide hatte der Bundesrat Mitte Januar verabschiedet, noch vor dem Ja zur Volksinitiative «gegen Masseneinwanderung» der SVP. Beide Berichte gehen nun an den Ständerat. 

Hier die Reaktionen aus dem Nationalrat: 

Von einem Vakuum spricht die Zürcher Nationalrätin Angelina Moser: 

«Bis sich ein Lösungsweg abzeichnet, stehen wir europapolitisch vor einem Vakuum.»
Angelina Moser (GLP/ZH)

Francine John-Calame von den Grünen spricht es noch deutlicher aus: 

«Alle bisherigen Anstrengungen, die institutionellen Fragen mit der EU zu lösen, sind mit dem Abstimmungsresultat vernichtet worden.»
Francine John-Calame (Grüne/NE)

 Jacqueline Fehr doppelt nach: 

«Der Bericht des Bundesrates zur Aussenpolitik 2013 liest sich wie ein Roman aus fernen Zeiten.»
 Jacqueline Fehr (SP/ZH)

Weder Europaskeptiker noch Fremdenfeindliche hätten den Ausgang der Abstimmung entschieden, meint Fehr weiter. Vielmehr hätten die Befürworter Zeichen setzen wollen gegen Exzesse und für das Masshalten.

FDPler Walter Müller findet dies hingegen viel wichtiger: 

«Unsere Europapolitik wird innenpolitisch nicht mehr getragen. Uns fehlt eine zur Aussenpolitik kohärente Innenpolitik.»
Walter Müller (FDP/SG)

Es gebe ein Gärtchendenken in den Departementen und Kommissionen, die zwar alle einen Teil der Innenpolitik betrieben, doch: 

«Wer kümmert sich um die Zusammenhänge, das föderale Gleichgewicht und um Grenzregionen wie das Tessin?»
Walter Müller (FDP/SG)

Den Regionen, ob an den Grenzen oder in Agglomerationen, fehlten die Handlungsspielräume, um auf spezifische Probleme reagieren zu können, meint Müller. 

Der Aargauer SVPler Luzi Stamm will etwas anderes klarstellen: 

«Die Menschen in der Schweiz wollen einen offenen Markt.»
Luzi Stamm (SVP/AG)

Sein Zürcher Parteikollege Christoph Mörgeli setzt noch hinzu:

«Kein noch so wirtschaftsliberales, globales Land wie die USA oder Kanada haben je an Personenfreizügigkeit gedacht.»
Christoph Mörgeli (SVP/ZH)

Jacqueline Fehr betont dagegen: 

«Offene Grenzen kann es nur mit einer sozialen Innenpolitik geben.»
Jacqueline Fehr (SP/ZH)

Für Christoph Mörgeli passt das aber so gar nicht zusammen: 

«Der freie Personenverkehr und ‹ein weit ausgebauter Sozialstaat› passen nicht zusammen.» 
Christoph Mörgeli (SVP/ZH)

Christa Markwalder betont dann endlich die wirtschaftlichen Aspekte: 

«Im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik muss das Kapitel zur wirtschaftlichen Integration in die EU nach dem 9. Februar neu geschrieben werden.»
Christa Markwalder (FDP/BE)

Zudem meint Markwalder besorgt, die konjunkturellen Aussichten für die Schweiz sehe sie nicht mehr so rosig wie auch schon:

«Wir müssen uns bewusst sein, dass wir den Wettbewerbsvorteil der Schweiz freiwillig aufgegeben haben.»
Christa Markwalder (FDP/BE)

Auch andere Votanten sprachen die unsicher gewordene wirtschaftliche Zukunft an: 

«Die Zuwanderung ist unabdingbar für intakte Aussenwirtschaft. Es wird sehr schwierig sein, die Initiative wirtschaftsverträglich umzusetzen.»
Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP/BL)

Und auch Eric Nussbaumer ist nicht mehr sicher, was die Schweiz mit ihren Aussenwirtschaftsbeziehungen eigentlich erreichen will: 

«Wenn die Schweiz eine nach aussen hin auf offene Märkte ausgerichtete Haltung hat, kann sie im Inland nicht Abschottung praktizieren.» 
Eric Nussbaumer (SP/BL) 

Bundespräsident Didier Burkhalter kann nichts anderes tun, als die Diskussion mit der EU über die institutionellen Fragen abzuwarten: 

«Wir warten darauf, dass die EU das Verhandlungsmandat festlegt.»
Bundespräsident Didier Burkhalter

Auch gebe es keinen Grund, die kurz vor dem Ende stehenden Verhandlungen über das Stromabkommen oder den Dialog in Steuerfragen zu stoppen. Die Personenfreizügigkeit sei ja nach wie vor in Kraft. Burkhalter stellt klar: 

Die Situation kann sich laufend ändern und erfordert offenes Reden, sowohl nach innen wie nach aussen. 
Bundespräsident Didier Burkhalter

Mitte März werde die Arbeit am neuen Migrationskonzept aufgenommen mit den Kantonen, den Städten und den Sozialpartnern. Auch die Initianten würden miteinbezogen werden. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann warnte davor, die wirtschaftliche Unsicherheit «zum Rezept heraufzustilisieren»: 

«Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sind nach wie vor gut. Es gilt, die verfügbare Zeit zu nutzen und ‹in gesicherte Nachbarschaftsverhältnisse› zurückzufinden.»
Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann

(rar/sda)

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