Gesellschaft & Politik
Ukraine

Der Mann, der Janukowitsch in die Flucht schlug

Emotionaler Auftritt: Parasiuk auf der Bühne des Maidan. 
Emotionaler Auftritt: Parasiuk auf der Bühne des Maidan. Bild: Reuters
Wolodimir Parasiuk

Der Mann, der Janukowitsch in die Flucht schlug

25.02.2014, 18:15
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Gerade hatten die Oppositionsführer am Freitagabend auf der Bühne des Maidan für den eben unterzeichneten Kompromiss mit Präsident Viktor Janukowitsch geworben, da sprang Wolodimir Parasiuk hinzu und schnappte sich das Mikrofon.

«Unsere Freunde sind erschossen worden – und unsere Anführer schütteln diesem Mörder die Hand», rief er in einer kurzen Ansprache, während er immer wieder von Gefühlen überwältigt zusammenbrach: «Das ist eine Schande. Bis morgen um 10.00 Uhr muss er verschwunden sein.» 

Die Menge grölte ihre Zustimmung zu den Worten des 26-jährigen Mannes aus Lemberg (Lviv), während die offenen Särge getöteter Demonstranten zur Bühne getragen wurden.

Parasiuks emotionaler Auftritt auf dem Maidan dürfte dem Abkommen, das die EU-Aussenminister gerade mühselig zwischen der Opposition und Janukowitsch ausgehandelt hatten, den Todesstoss versetzt haben. 

Nur Klitschko entschuldigt sich

Der ehemalige Box-Weltmeister Vitali Klitschko verfolgte die Szene mit versteinertem Gesicht. Die beiden anderen Oppositionsführer Arseni Jazenjuk und Oleg Tjagnibok verliessen die Bühne kurz nach Parasiuks Auftritt, doch Klitschko kam zurück. Er entschuldigte sich für seinen Handschlag mit Janukowitsch, der noch in der Nacht mit einem Helikopter aus der Hauptstadt flüchtete.

Versteinertes Gesicht: Klitschko (l.) sieht Parasiuk zu. 
Versteinertes Gesicht: Klitschko (l.) sieht Parasiuk zu. Bild: Reuters

Hinter vorgehaltener Hand sagen manche Diplomaten nun, Janukowitsch werde wohl schon vorher seine Zweifel gehabt haben, ob das Abkommen halten würde. Die Stimmung auf der Strasse müsse ihm klar gewesen sein.

Hätte Parasiuk sich nicht auf der Bühne zu Wort gemeldet, wäre es jemand anders gewesen, merkte ein Diplomat an. Für viele Menschen in Kiew ist Parasiuk dennoch ein Held: Sie hupen ihm mit ihren Autos zu, wenn sie ihn auf der Strasse entdecken, und schütteln ihm die Hände.

Parasiuks Rede (ukrainisch).Video: Youtube/Андрій Канада

Held wider Willen

Parasiuk selbst ist es peinlich, als Held bezeichnet zu werden. Ein paar Tage nach seinem fulminanten Auftritt verteidigt er in einem Restaurant im Zentrum Kiews seine scharfe Kritik an den Oppositionsführern. «Die Gefühle haben uns einfach überwältigt, weil wir so viele Leute verloren hatten», sagt der Mann mit dem jungenhaften Aussehen bei dem Treffen. 

«Und dann tauchen plötzlich diese Politiker auf und sagen: ‹Janukowitsch bleibt Präsident und es gibt Wahlen›». Dabei gehe alles, was erreicht worden sei, auf das Konto der Menschen auf dem Maidan. Nichts davon sei der Erfolg der Politiker. 

An Strassenschlachten beteiligt

Während der Proteste führte Parasiuk eine Einheit mit 40 bis 130 Kämpfern, die Fähigkeiten dafür lernte er als Offiziersschüler beim Heer. Er habe sich aktiv an den Strassenschlachten mit der Polizei beteiligt, berichtet er. Welche Waffen er benutzt habe, dazu will er sich allerdings nicht äussern.

Wenn es nach Parasiuk geht, dann werden die Barrikaden auf dem Maidan nicht allzu bald abgeräumt. «Wenn der Maidan sich auflöst, dann werden die Politiker keine Angst mehr haben», gibt er zu bedenken. «Wir gehen nicht fort. Wir werden nicht zulassen, dass sich die Ereignisse von 2004 wiederholen», erinnert er an die orange Revolution, die Janukowitschs ersten Anlauf für das Präsidentenamt vereitelte.

Mehrere Regierungen zerbrachen danach jedoch an internen Streitereien, so dass Janukowitsch 2010 doch noch die Macht erobern konnte. Die neue Führung müsse verstehen, dass der Maidan die eigentliche Macht sei, nicht die 450 Abgeordneten des Parlaments, fordert Parasiuk.

Sein Auftritt auf der Bühne habe nur ein Ziel gehabt: «Wir haben ihnen ganz einfach gesagt: Jungs, wenn ihr nicht entschlossen handelt – wir werden es tun.» (dhr/sda/reu)

Parasiuk fordert neue Politiker (ukrainisch).Video: Youtube/ЕСПРЕСО ТВ
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