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Jemand schreit beim NBA-Spiel «Fuck»? Dann lassen Sie ihn doch per SMS rausschmeissen!

20'000 Besucher passen in die American Airlines Arena, die meist bis unters Dach gefüllt ist, wenn die Heats das Parkett betreten.
20'000 Besucher passen in die American Airlines Arena, die meist bis unters Dach gefüllt ist, wenn die Heats das Parkett betreten.Bild: watson
Unruly fan

Jemand schreit beim NBA-Spiel «Fuck»? Dann lassen Sie ihn doch per SMS rausschmeissen!

Neulich kursierte im Internet ein Video von einer Amerikanerin, die zum ersten Mal ein Basketballspiel in Belgrad live miterlebt hat. So verwundert und schockiert, wie sie bei diesem Erlebnis war, so geht es der Europäerin beim ersten Besuch eines NBA-Matches.
17.11.2014, 20:2318.11.2014, 14:29
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Das Spiel zwischen Miami Heat und den Minnesota Timberwolves ist in vollem Gange, als plötzlich eine junge Frau anfängt, bei jedem Fehlwurf der Heats, bei jedem aus ihrer Sicht falschen Pfiff des Schiedsrichters oder einfach dann, wenn es ihr gerade in den Sinn kommt, immer wieder lauthals «Fuck!» zu rufen.

Ein Sport-Fan, der vor lauter Liebe zum Verein ins Fluchen gerät? Das geht natürlich gar nicht! Da sind sich die umsitzenden Fans absolut einig. So vergehen keine zwei Minuten – inzwischen ist das böse F-Wort wohl etwa zehnmal gefallen – bis eine circa 40-Jährige vom Typ Eislaufmami die Stimme erhebt: «Hör sofort auf damit, hier sitzen überall Kinder!»

«Suck my dick, I don't give a fuck!»

Doch die knapp 20-jährige Frau im Heat-Trikot denkt gar nicht daran. Im Gegenteil – für ihre Antwort greift sie Vokabeltechnisch noch eine Schublade tiefer: «Suck my dick, I don't give a fuck!», knallt sie der besorgten Mutter an den Kopf. Doch das geht nun wirklich zu weit. Ein junger Mann, der vor mir sitzt, zückt sein Handy. Er selbst ist mit seinen beiden Söhnen – etwa zehn- und zwölfjährig – hergekommen, um das Spiel zu sehen. 

Von hinten beobachte ich, wie er die Wortkombination «unruly fan miami heat» bei Google eingibt. Keine drei Klicks später wird er fündig: Wer sich bei einem NBA-Spiel von einem anderen Fan gestört fühlt, kann eine SMS an eine entsprechende Kurzwahl senden und die Person melden. Eine Minute später klickt er auf «senden» – in seiner SMS sind Rang, Reihe und Sitzplatznummer der unflätigen jungen Dame vermerkt.

Während sich in einem Schweizer Fussballstadion wohl kein Mensch auch nur nach der jungen Frau umgedreht hätte, überlegt man sich hier schon fast, die CIA einzuschalten.

Als zu Beginn die Nationalhymne gespielt wird, herrscht noch Friede, Freude, Eierkuchen.
Als zu Beginn die Nationalhymne gespielt wird, herrscht noch Friede, Freude, Eierkuchen.Bild: watson

Andere Länder, andere Sitten

Als ich nach links schaue, sehe ich, wie auch das Eislaufmami mit ihrem Handy beschäftigt ist. Was sie wohl gerade tut? Logisch, auch sie wählt die Petz-Hotline – wie sich später herausstellen wird. Während ich das ganze Spektakel beobachte, fühle ich mich wie die Amerikanerin, die vor ein paar Wochen zum ersten Mal ein Basketballspiel in Belgrad verfolgt hat.

Als das dortige Publikum fast unaufhörlich auf den Rängen rumhüpft, singt und anfeuert, scheint die Frau weder Augen noch Ohren trauen zu wollen. Denn was sie hier erlebt, hat nichts mit der amerikanischen Fankultur zu tun, wo die Fans vor allem dann – oder eigentlich nur dann – ordentlich anfeuern, wenn sie selber gerade auf dem Videowürfel in der Mitte der Halle zu sehen sind. 

Seltsame Doppelmoral

Ähnlich verwirrt schaue ich drein, als ich feststellen muss, dass einem hier in Miami der Rauswurf droht, wenn man vor lauter Fan-Liebe mal kurz seine Manieren vergisst. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich freue mich auch nicht unbedingt, wenn am laufenden Band geflucht wird. Und in Anbetracht der Tatsache, dass Hooligans in der Schweiz immer wieder ein Problem darstellen, sollte man sich ja eigentlich freuen, wenn bei einem sportlichen Event alles so friedlich zu- und hergeht.

Aber irgendwie passt das doch alles nicht zusammen. Schliesslich befinde ich mich gerade im Geburtsland des Hip-Hop – einer Musikrichtung, die ohne Schimpfwörter und vulgäre Ausdrücke gar nicht funktioniert. Und wenn ich mich im Stadion umschaue, habe ich teilweise auch das Gefühl, im falschen Film zu sein. Die Frauen, die nicht im Miami-Trikot erschienen sind, tragen nämlich zu einem Grossteil den kürzesten Rock, das Oberteil mit dem tiefsten Ausschnitt und die Schuhe mit den höchsten Absätzen, die der Kleiderschrank zu bieten hatte. 

Von prüdem Verhalten kann hier also wirklich nicht die Rede sein. Aber so ist es eben: Moralvorstellung und Verhalten sind nicht immer unbedingt deckungsgleich. 

«Kommen jetzt die Aufpasser und führen die falsche Frau ab?»
Die zwei Jungs in der Reihe vor mir

Das ganze Spektakel um mich herum nimmt nun solche Ausmasse an, dass ich sicher zehn Minuten vom Spiel verpasse. Denn jetzt warten alle gespannt darauf, dass die Pöbel-Liese von den Securitys abgeholt wird. Blöd nur, dass die junge Frau inzwischen aufgestanden ist und sich ein paar Plätze weiter links niedergelassen hat. Ihren vorherigen Platz musste sie verlassen, weil eine andere Frau Anspruch darauf erhoben hat. Wie es scheint, hat der «unruly fan» gar kein Ticket für diesen Block!

Doch was passiert jetzt? «Kommen jetzt die Aufpasser und führen die falsche Frau ab?», fragen sich auch die beiden Jungs vor mir, die nun gar nicht mehr nach vorne aufs Feld, sondern nur noch nach hinten zu der Frau schauen. Nein, es kommt noch besser: Die junge Frau verlässt per Zufall von allein die Tribüne und als zwei Minuten später «endlich» eine Frau in Uniform mit Headset am Ohr auftaucht, ist das Zielobjekt verschwunden.

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Mit dabei – und zwar bis zum Schluss

Dann können wir uns ja jetzt endlich wieder auf das Spiel konzentrieren, nachdem sich das Problem von allein gelöst hat. Von wegen! Die beiden Helikopter-Eltern in der Reihe vor mir fangen an, zu diskutieren, wer nun als erstes eine Beschwerde-SMS losgeschickt hat und sie können sich kaum einigen, wer von beiden der Security-Dame die ganze Geschichte erzählen darf. Nach ein paar Minuten einigt man sich darauf, dem Personal Bescheid zu geben, falls die Frau wieder auftauchen sollte.

Und das ist keine zwei Minuten später tatsächlich der Fall. Und dieses Mal kann sie nicht entkommen. Als sie herausgebeten wird, versteht sie zwar die Welt nicht mehr, ist aber weit davon entfernt, einen grossen Aufstand zu machen. Etwas trotzig wirkend folgt sie dem Mann vom Sicherheitspersonal.

Doch auch das war noch nicht das Ende vom Lied: Drei Minuten vor Ende des Spiels höre ich eine mir inzwischen sehr vertraute Stimme hinter mir. Und was ruft die Stimme? Natürlich, «Fuck!», was sonst? Fragen Sie mich nicht, wie sie das geschafft hat. Wahrscheinlich hatte sie nur eine Verwarnung bekommen, hielt es aber nicht für nötig, sich daran zu halten. Die junge Frau scheint jedenfalls sehr zufrieden, das Publikum ist empört und das Spiel – zu Ende.

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