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Unter dem Titel Machtmensch Putin hat das ZDF kürzlich einen Dokumentarfilm über den russischen Präsidenten ausgestrahlt. Darin sieht man, wie er nach dem Aufstehen zuerst schwimmt und danach an Fitnessgeräten seine Muskeln stählt. Wenn Putin sich nicht mit nacktem Oberkörper beim Yoga oder beim Reiten und Fischen ablichten lässt, dann in Posen, die an eine pubertäre Imitation von James Bond erinnern: mit Sonnenbrille und Pokerface oder im Frack als Casanova.
Nackter
Oberkörper hat Donald Trump nicht zu bieten, aber sonst steht er Putin in nichts nach. Zu Wahlveranstaltungen lässt er im eigenen Superhelikopter einfliegen. Er markiert alles, was ihm gehört, mit einem riesigen «T»« und er prahlt nicht nur mit seinen Milliarden, sondern auch damit, dass Frauen ihn unwiderstehlich finden, nicht zuletzt seines Markenzeichens wegen, seiner eigenwilligen Frisur.In ihrem Machismo sind sich Trump und Putin zum Verwechseln ähnlich. Kein Wunder, mögen sie sich gegenseitig und sprechen dies auch öffentlich aus. Und so rühmen sie sich gegenseitig:
Ihr gemeinsames Feindbild ist der amtierende US-Präsident Barack Obama, dieser «nutzlose Schwächling» wie Chris Christie ihn im letzten TV-Duell der Republikaner nannte.
Mit rationaler Politik wie das die Aufklärung einst vorsah, hat das Gebaren der beiden nichts mehr gemeinsam. Trump kann Dinge wie die Deportation von mehr als zehn Millionen Mexikaner versprechen im Wissen, dass dies rein praktisch unmöglich ist. Er kann einen Einreisestopp für Muslime fordern und damit seine eigene Partei vor den Kopf stossen. Seinen Umfragewerten tut dies keinen Abbruch.
Putin seinerseits kann die Weltöffentlichkeit im Fall der Krim-Invasion zunächst anlügen, um danach unverfroren zu erklären, die «grünen Männchen» seien tatsächlich russische Elitetruppen. Er kann vier Jahre lang sein Präsidentenamt seinem getreuen Untertan Dimitri Medwedew überlassen und gerade damit auf zynische Weise seine Allmacht beweisen. Die Mehrheit seiner Landsleute bewundert ihn dafür.
Politik war noch nie etwas für schwache Nerven. Es sei wie das Herstellen von Würsten. Besser, man wisse nichts Genaues, pflegte einst der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck zu sagen. Mit diesem schrötigen Pragmatismus hat die um sich greifende Macho-Politik nichts mehr gemein. Was wir erleben, ist der schrittweise Zusammenbruch der berechenbaren Politik und der Zivilgesellschaft. Was sind die Gründe dafür?
In der Zeit des Kalten Krieges waren die Fronten klar. Man konnte damals noch aus Überzeugung für die eine oder andere Gesellschaftsform kämpfen. Mit dem Fall der Berliner Mauer wurde zunächst offensichtlich, wie korrupt und dekadent der Sowjet-Kommunismus geworden war. Bald darauf wurde in der Finanzkrise auch der Kapitalismus entzaubert. Die absurden Managergehälter, die Boni für Leistungen, die nicht selten mit Betrug erzielt wurden, all die unzähligen Skandale haben die moralischen Grundlagen der Marktwirtschaft unterspült. Geblieben ist der Zynismus. Gentlemen haben ausgedient. Selbst VW hat bekanntlich getrickst.
Auch die Wissenschaft hat ihre Unschuld verloren. Sie ist käuflich geworden. Banken und Multis finanzieren Lehrstühle oder ganze Institute an Universitäten. Studien werden verfasst, die nicht der Wahrheit, sondern kommerziellen Zwecken dienen, sei es beim Klimawandel, der Ernährung oder in der Pharma. Für jede Studie gibt es mittlerweile eine Gegenstudie. Alles ist wahr und auch das Gegenteil.
Das Internet hat diesen Relativismus noch verstärkt. Wie der bekannte Kritiker Evgeny Morozov in seinem Buch «To Save Everything Click Here» aufzeigt, kann heute ein eingebildetes Expertenwissen mit ein paar Klicks im Internet abgerufen werden. Jeder ist kompetent geworden und fühlt sich berufen, zu allem eine Meinung zu haben – und diese auch kundzutun.
Gemeinsamen haben Zynismus und Relativismus die Fronten von links so aufgeweicht, dass sie nicht mehr zu erkennen sind. Wird beispielsweise auf Facebook ein Video mit Sahra Wagenknecht gepostet, dann ist oft nicht mehr ersichtlich, ob der Absender die Linke oder Pediga war – Hauptsache, es geht gegen Merkel und die EU. Es überrascht auch nicht, dass Putin den französischen Front National finanziert. In der SVP gehört offener Anti-Amerikanismus inzwischen zum guten Ton. Oder Sepp Blatter ruft die Menschenrechte an, obwohl sein Kumpel Putin gerade ein Gesetz verabschiedet hat, dass Russland von den Menschenrechten entbindet, und sein letzter Schweizer Fan gleiches mit der Schweiz im Sinn hat.
In diesem Klima gedeiht die Macho-Politik. Gegen unerwünschte Flüchtlinge werden Zäune versprochen, gegen islamistische Fundamentalisten Bomben. Dass diese Politik die USA in das Desaster des Irakkrieges geführt hat, ist schon wieder vergessen; und dass auch Putin in Syrien – ausser einem abgeschossenen Linienflugzeug über dem Sinai und einem militärischen Jet an der türkisch-syrischen Grenze – bisher nichts vorzuweisen hat, spielt ebenfalls keine Rolle.
Hauptsache, die Muskeln werden TV-wirksam gestählt – und die Haare ordentlich geföhnt. Schwächlinge wie Barack Obama können da nicht mithalten.