Sie tauchten in Amerika unter, bauten sich ein neues Leben auf und bekommen noch heute Sozialleistungen: Mutmassliche Nazi-Kriegsverbrecher kassieren Rentenzahlungen von den USA. Das will der US-Kongress in Zukunft verhindern. Mit einer am Donnerstag vorgestellten Regelung will das Parlament die umstrittene Gesetzeslücke schliessen.
«Der amerikanische Steuerzahler sollte nicht den Ruhestand derjenigen bezuschussen, die für die schlimmsten Gräueltaten in der Geschichte der Menschheit verantwortlich sind», sagte Caroyln Maloney. Die Demokratin ist Mitzeichnerin des Gesetzesvorhabens zur «Beendigung der Nazi-Sozialleistungen». Es soll verabschiedet werden, bevor der neu gewählte Kongress im Januar zu seiner ersten Sitzung zusammenkommt. «Daran zu denken, dass Nazis von den Steuergeldern der Kinder von Befreiern leben, ist widerlich und moralisch falsch», sagte der Republikaner Leonard Lance.
Die Kriegsverbrecher können in den Vereinigten Staaten nicht vor Gericht gestellt werden. Der Grund: Ihre Taten wurden ausserhalb des Landes verübt und waren meist nicht gegen US-Bürger gerichtet. Sie könnten nur dann ausgebürgert oder abgeschoben werden, wenn es Beweise dafür gab, dass die Betroffenen bei der Einreise in die USA über ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg gelogen hatten. Wer vor der Abschiebung freiwillig ausreiste, durfte seinen Rentenanspruch behalten. Ein umstrittener Tausch, der dem Justizministerium dabei half, Alt-Nazis zum Verlassen der USA zu bewegen.
Eine zweijährige Recherche der Nachrichtenagentur AP und die Überprüfung von Gesprächen und internen Dokumenten ergab, diese Zahlungen seien aufgrund einer Lücke im Gesetz möglich gewesen. Nach den Erkenntnissen der AP wurden seit 1979 mindestens 38 Verdächtige mit diesem Deal aus den USA «entfernt», die dann aber ihre Sozialleistungen behalten durften. Demnach soll es sich insgesamt um mehrere Millionen Dollar handeln, die im Laufe von drei Jahrzehnten ausgezahlt wurden.
Unter den Begünstigten sollen laut Bericht Mitglieder der Waffen-SS gewesen sein, die in Konzentrationslagern tätig waren. Ausserdem nennt AP den Fall SS-Funktionär Arthur Rudolph, der mithilfe von Häftlingen die V2-Rakete fertigte. Er arbeitete später bei der Nasa und wurde geehrt – weil er daran beteiligt war, erstmals Menschen auf den Mond zu schicken.
Auch US-Geheimdienste lehnten das Wissen der Ex-Nazis offenbar nicht ab: Wie die US-Zeitung «New York Times» Ende Oktober berichtete, wurden während des Kalten Kriegs mindestens tausend Ex-Nationalsozialisten als Spione angeheuert. Was zählte, war ihre Erfahrung mit der Arbeit gegen die Russen und Kommunisten. Dafür schützten die Geheimdienste ihre Agenten offenbar auch vor einer Strafverfolgung. (vek/dpa/AP)