In einem schlecht sitzenden grauen Anzug lümmelte er im Stuhl, grinste breit zum Angeklagten und streckte seinem Verteidiger munter die erhobenen Daumen entgegen. Kein Zweifel: Ratko Mladic war äusserst gut aufgelegt. Der einst als «Schlächter des Balkans» gefürchtete serbische Ex-General sollte am Dienstag als Zeuge im Prozess gegen seinen früheren Weggefährten, den einstigen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic, aussagen.
Zum ersten Mal standen die beiden Angeklagten gemeinsam vor ihren internationalen Richtern in Den Haag. Nicht mit mir, machte der 71-jährige General gleich zu Beginn der Sitzung des UNO-Kriegsverbrechertribunals deutlich, trotz fehlender schneidiger Uniform ein Haudegen. Er weigerte sich, aus Respekt beim Einzug der Richter aufzustehen. Er lehnte jede Mitarbeit mit diesem «satanischen Gericht» ab.
Erst unter grossen Protest erklärte er sich zur Aussage bereit. Nur, er hatte seine dritten Zähne in seiner Zelle vergessen. «Ich bitte die Sicherheitsbeamten, meine Zähne zu holen, damit ich besser reden kann», sagte er grinsend zum Vorsitzenden Richter O-Gon Kwon. Nach einer kurzen Pause, in der niederländische Polizisten das Gebiss des Generals aus dem Gefängnis geholt hatten, machte er den Mund zu und verweigerte dann doch die Aussage.
Karadzic hatte Mladic in den Zeugenstand gerufen, um sich selbst zu entlasten. Es sollte um die Belagerung von Sarajevo gehen, die Vertreibung von Hunderttausenden, die sogenannte ethnische Säuberung und den Völkermord von Srebrenica. 1995 hatten serbische Einheiten unter Führung von Mladic die damalige UN-Schutzzone überrannt. Anschliessend waren rund 8000 muslimische Buben und Männer ermordet worden. Es war der schlimmste Völkermord nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa.
Sowohl Mladic als auch Karadzic lehnen jede Verantwortung dafür ab. Die beiden mutmasslichen Drahtzieher des Massenmordes schätzen einander sehr. Seitdem 2011 auch Mladic nach Jahren im Untergrund festgenommen wurde, sehen sie sich täglich im Zellenkomplex des Tribunals im Nordseebad Scheveningen bei Den Haag. Die alter Leier «General, Sir», begann Karadzic jede seiner fünf Fragen an den Zeugen. Der 68-jährige frühere Psychiater und Poet erschien mit seiner weissen, leicht schütteren Haartolle und dem dunklen Anzug sehr distinguiert, sich seiner selbst gewählten Rolle als Verteidiger sehr bewusst.
Doch sein Zeuge berief sich auf sein Schweigerecht. Er wollte sich nicht selbst belasten. Fast schien er es zu bedauern, dass er seinem früheren politischen Chef nicht gehorchen wollte. «Karadzic hat nur sein Volk verteidigt. Ich habe dazu einen bescheidenen Beitrag geleistet», verfiel er dann zum Schluss in alte serbische Parolen. (sda)