Am Wrack der südkoreanischen Fähre «Sewol» suchen die Rettungsmannschaften weiter fieberhaft nach Überlebenden unter den vermissten Insassen. Zwei Tage nach dem Untergang sei es Tauchern am Freitagvormittag (Ortszeit) erstmals gelungen, bis ins Innere des Wracks vorzudringen.
Es sei damit begonnen worden, Luft ins Innere der Fähre zu pumpen, berichtete der südkoreanische Rundfunksender KBS unter Berufung auf einen Krisenstab der Regierung. Vor allem Angehörige der vermissten Insassen hoffen nach wie vor, dass Überlebende gefunden werden können.
Es wird befürchtet, dass im Rumpf der mehrstöckigen Fähre ein Grossteil der über 470 Insassen eingeschlossen wurde. Mehr als 300 Passagiere waren Oberschüler auf einem Ausflug. Bisher wurden nach offiziellen Angaben 26 Leichen aus dem Wasser um das am Mittwoch vor der Südwestküste gekenterte Schiff gezogen. Fast 180 Insassen konnten gerettet werden, 270 Menschen gelten als vermisst.
Einige der Passagiere könnten Experten zufolge den Untergang zunächst in einer Luftblase überlebt haben. Allerdings sei es angesichts der niedrigen Wassertemperatur und des schwindenden Sauerstoffs schwierig, darin mehr als zwei Tage zu überleben.
Familien von vermissten Insassen richteten unterdessen schwere Vorwürfe gegen die Regierung. In einer Erklärung warfen sie ihr vor, nicht genug für die Rettung von möglichen Überlebenden zu tun.
«Unsere Kinder schreien im eiskalten Wasser nach Hilfe, bitte helft ihnen», hiess es laut der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap in einer Erklärung der Familien. Viele Angehörige befinden sich in der Nähe der Unglücksstelle auf der Insel Chindo.
Seit Mittwoch standen mehr als 500 Taucher zum Einsatz bereit. Allerdings waren die Bergungsarbeiten von schlechtem Wetter und der starken Strömung erschwert worden. Auch waren 150 Schiffe und fast 30 Flugzeuge im Einsatz.
Am Freitag wurden zwei riesige Schwimmkräne von Werfthäfen in die Nähe der Unglücksstelle gebracht. Weitere sollen folgen. Experten diskutierten noch darüber, wie das Wrack am besten gehoben werden könnte, berichtete der staatliche Sender Arirang. Auch ein Schwimmdock könnte zur Unglücksstelle gebracht werden.
Auch war Kritik an Kapitän und Besatzung der Unglücksfähre laut geworden. Überlebende erklärten, es hätten mehr Passagiere gerettet werden können, wenn das Schiff früher evakuiert worden wäre.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Fähre zum Unglückszeitpunkt nicht vom Kapitän, sondern vom dritten Offizier gesteuert wurde. Der Kapitän habe nicht das Kommando geführt, als das Schiff am Mittwochmorgen verunfallte, sagte Staatsanwalt Park Jae Eok unter Berufung auf erste Ermittlungen.
Kapitän Lee Joon Seok habe sich zu diesem Zeitpunkt «hinten» im Schiff befunden, sagte der Ermittler, ohne weitere Erklärungen zu geben. Die Ursache des Unglücks war noch unklar. Aussagen von Besatzungsmitgliedern liessen vermuten, dass eine plötzliche Kursänderung, wodurch die Ladung – darunter mehr als 150 Autos – verrutschte und das Schiff zum Kentern brachte, vor der Insel Chindo zu der Katastrophe geführt haben könnte.
Möglich ist auch, dass die Auto- und Personenfähre auf einen Felsen auflief. Überlebende hatten von einem grossen Knall vor dem Sinken des Schiffes gesprochen. (rey/sda/dpa)
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