Eine bekannte medizinische Studie befasst sich mit Nonnen. Über Jahrzehnte hinaus untersuchte David Snowden von der University of Kentucky die Gehirne der verstorbenen frommen Schwestern und kam zum Befund: Nonnen leben am längsten und werden am gesündesten alt.
Das hat einen einfachen Grund: Nonnen führen ein straff geregeltes Leben, und unser Körper funktioniert am besten, wenn wir einen regelmässigen Tagesablauf haben. «Der Körper setzt alles daran, um ein Gleichgewicht zu schaffen – damit er in einer Zone bleibt, wo er sich sicher und beschützt fühlt», stellt dazu David B. Agus in seinem Buch «Das Ende der Krankheit» fest. Agus ist ein bekannter amerikanischer Krebsspezialist. Zu seinen Patienten gehörte auch Steve Jobs.
Die moderne 24-Stunden-Gesellschaft ist – biologisch gesehen – für den menschlichen Körper ein Albtraum. Wir essen unregelmässig, wir jetten von einer Zeitzone in die andere, und vor allem vernachlässigen wir unseren Schlaf. Die Folgen davon schildert eine Studie, die das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) im Auftrag von Möbel Pfister durchgeführt hat.
Eine darin enthaltene repräsentative Umfrage zeigt auf: Vier von zehn Schweizerinnen und Schweizer schlafen heute weniger als vor zehn Jahren und fast gleich viele schlafen schlechter. Nur jede Fünfte und jeder Fünfte der Befragten gibt an, mehr und besser zu schlafen.
Die neue schlaflose Gesellschaft ist eine Folge des «Just-in-time»-Denkens. «Dieses Prinzip hat sich von der Autoherstellung auf die ganze Wirtschaft, auf Dienstleistungen, Konsum und unser Leben übertragen», heisst es in der GDI-Studie. «Heute wird immer und überall Flexibilität erwartet. Durch die Digitalisierung wird der Trend weiter verstärkt und beschleunigt.»
Wenig zu schlafen galt lange als Zeichen von Männlichkeit und Leistungsfähigkeit. Napoleon pflegte zu sagen: «Männer schlafen vier, Frauen fünf und Idioten sechs Stunden.» Wie der Russland-Feldzug war das eine gravierende Fehleinschätzung.
Die moderne medizinische Forschung weist nach, dass der erwachsene Mensch – egal ob männlich oder weiblich – sieben Stunden Schlaf pro Tag benötigt, um leistungsfähig zu sein. Spitzensportler brauchen noch deutlich mehr. Roger Federer beispielsweise schläft durchschnittlich zwischen elf und zwölf Stunden täglich.
Zu wenig Schlaf wirkt auf den Körper wie Junkfood. «Wenn wir uns die Parallelen zwischen dem Problem der Fettsucht und der Schlaflosigkeit vor Augen führen, müssen wir uns fragen: Ist Schlaf die ultimative Diät?», stellt auch David Agus fest.
Die Verfasser der GDI-Studie kommen zum gleichen Schluss: «Übermüdung wird das neue Übergewicht», stellen sie fest. So wie gesunde Ernährung zu einem Privileg wird, wird auch genügend Schlaf zu einem Statussymbol für Menschen, die sich das auch leisten können. Wie Industriefood wird nämlich auch Schlafmangel zu einem Gesundheitsrisiko.
Er «erhöht die Risiken für Herzkrankheiten, Bluthochdruck und Diabetes; er führt zu vermehrtem Auftreten einiger Krebsformen sowie zu Stoffwechselproblemen und bewirkt eine generelle Immunschwäche», heisst es in der Studie.
Wer zu wenig schläft, der neigt zu Fettleibigkeit, dem ultimativen Zeichen der neuen Verlierer. Umgekehrt wird der «gesunde tüüfe Schlaf» zum Erfolgsfaktor, nicht nur für Spitzensportler. «Viel Schlaf wird zum Statussymbol», kommt die GDI-Studie zum Schluss. «Entschleunigung, Auszeit und guter Schlaf sind die neuen Luxussehnsüchte der Always-on-Gesellschaft.»