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Auf Sprayer «Puber» warten Schulden von einer Viertelmillion 

Verschmierte Haustür in Wien
Verschmierte Haustür in WienBild: kurier.at
«Puber» in Wien verhaftet

Auf Sprayer «Puber» warten Schulden von einer Viertelmillion 

Der Zürcher Renato S., der mutmasslicherweise hinter dem Tag «Puber» steckt, ist vom Bürgerschreck zum Karrierefall für die Staatsanwälte geworden. Keine schöne Aussicht. 
07.03.2014, 17:2815.07.2014, 16:10
Rafaela Roth
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Viel ist nicht bekannt über den mutmasslich notorischen und international aktiven Sprayer Renato S. alias «Puber», der in Wien verhaftet worden ist. Schriftlich verbrieft ist, dass der 30-Jährige zuletzt im Zürcher Kreis 4, davor in Glattbrugg und Bassersdorf gemeldet war und Anfang 2013 wegen eines Kleinbetrags von 962.40 einen Verlustschein hinterlassen hat. Eine temporäre Mitgliedschaft oder zumindest eine Nähe zur gewaltaffinen Berner Streetgang «031» hat der als schweigsam beschriebene S., der sich «Reni» nennt, selbst ausgewiesen. Als sein Ausgangsrevier in Zürich nennen Bekannte die Gegend um die Galerie Perla Moda an der Zürcher Langstrasse, wo man ihn vergangenen September das letzte Mal gesehen haben will. Und sicher ist, dass S. ein ausserordentliches Talent besitzt, in sehr kurzer Zeit sehr viele Leute sauer zu machen.

«Puber»-Schriftzug mit dem Zusatz «031», dem Erkennungszeichen einer Berner Streetgang. 
«Puber»-Schriftzug mit dem Zusatz «031», dem Erkennungszeichen einer Berner Streetgang. Bild: Scontent

Der Zürcher mit brasilianischen Wurzeln sprayte sein Erkennungszeichen, seinen sogenannten «Tag», jahrelang in Zürich und Umgebung auf Hausmauern, fremde Street-Art-Stücke, S-Bahnen und wenn in der Szene über ihn geredet wird, dann vorwiegend schlecht. Nicht nur, weil S. mit der Spraydose hin und wieder die Werke anderer Sprayer übermalt, sondern weil er das gezielt tut. Provokation, Aufmerksamkeit, Fame – nichts anderes ist sein Ziel. «Ich will meinen Namen überall lesen, auf jeder Wand», sagte S. in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger». 

«Fuck Off»

Seit rund einem Jahr verfolgte S. dieses Ziel in Wien. Und er legte dabei wie gewohnt eine so grosse Effizienz an den Tag, dass die Polizei einen Beamten Vollzeit mit der Verfolgung von S. betrauen musste. Dieser hatte ein legales Graffiti des Streetart-Künstlers Roa und eines von Mandarina Brausewetter übersprayt, brachte sein Tag wahllos auf hunderten von Fassaden in den inneren Bezirken Wiens an und richtig los ging der Wirbel dann so richtig, als S., der laut Tages-Anzeiger bei einer Sicherheitsfirma arbeitete, Kindermalereien an zwei Kindergärten verschmierte. 

Der grüne Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger liess Schilder aufhängen mit der Aufschrift: «Lieber Puber, Zeichnungen von Kindern zu überschmieren ist das Letzte!» und die Fotos der Schilder gingen natürlich viral, erst recht, nachdem S. auch Blimlingers Schilder mit seinem Schriftzug überzogen hatte. Auch den Sitz des Magazins «The Gap», das sich abschätzig über Pubers Kunstverständnis äusserte, bedachte S. mit seinem Tag und dem unmissverständlichen Rat: «Fuck off». 

Bilder: Kurier.at

Neben seien Rache-Tags hat S. immer auch Fame-Tags fabriziert, die ihn laut dem Vice-Magazin zum Feind aller Hausverwaltungen gemacht haben. S. hatte es oft auf schwer erreichbare Stellen abgesehen. «Er suchte sich für seine Schmierereien grosse, prominente Flächen in grosser Höhe aus», sagt die Zürcher Graffiti-Beauftragte Priska Rast. Wenn eine Reinigung nur noch mit Hebebühne und für richtig teures Geld zu machen ist, dann ist S. Aktion gelungen. Bis zu 2500 Franken kostet dann die Entfernung eines Graffitis. Das ist zwar teuer, aber oft ist dieser Betrag immer noch zu klein, als dass sich ein Verfahren vor Zivilgerichten deswegen lohnen würde. 

Protest des Bezirksvorstehers Thomas Blimlinger gegen die Kindergarten-Tags von S. 
Protest des Bezirksvorstehers Thomas Blimlinger gegen die Kindergarten-Tags von S. Bild: Schild/Foto, kurier.at

Eigenes Hate-Shirt 

Wegen seiner Angewohnheit gezielt Werke anderer Graffiti-Künstler zu übermalen, des schieren Ausmasses seines Tag-Furors und der allgemeinen Hilflosigkeit gegenüber seinem Tun ist S. mittlerweile dermassen unbeliebt, dass er als vielleicht einziger Sprayer der Welt sogar ein eigenes Hate-T-Shirt hat. 

Entsprechend breit war das Interesse an der gestrigen Meldung von Vice, S. sei verhaftet worden, als er gerade seine Wiener Wohngemeinschaft eiligst über ein Vordach verlassen wollte. Zwar verweigert Puber die Kooperation mit den Wiener Strafverfolgungsbehörden, doch die Wiener Polizei hat offenbar genug Material sichergestellt, um zu verkünden, dass man rund 100 Fakten, sprich Produkte von S. Vandalismus habe klären können. 

50'000 Euro Schaden in Wien, bis zu 250'000 Franken in der Schweiz

Neben gefälschten Schweizer Ausweis-Dokumenten und im offenen Kamin versteckten Graffiti-Utensilien hatte S. auf einem Laptop und einem Handy offenbar auch ein Tagebuch und Fotos von seinen Sprayereien unverschlüsselt abgespeichert. Die Wiener Polizei beziffert den Schaden, den S. in Wien mutmasslicherweise angerichtet hat, auf mindestens 50’000 Euro. 

Das Interesse an der Person von Renato S. dürfte noch eine Weile anhalten, auch von Seiten der Zürcher Strafverfolgungsbehörden. Der Zürcher Staatsanwalt Urs Lechner, der die hiesigen Ermittlungen gegen S. führt, schätzt den Schaden, den S. vor seiner Wiener Zeit in der Schweiz mutmasslich verursacht hat, auf einen sechsstelligen Betrag bis zu einer Viertelmillion. Seit 2010 läuft das Zürcher Ermittlungsverfahren gegen S., indem er sich auch nicht sehr kooperativ zeigte. S. hat laut Lechner selten auf Vorladungen reagiert. 

Einer der wenigen legalen Schriftzüge von Renato S. in einer Bar.
Einer der wenigen legalen Schriftzüge von Renato S. in einer Bar.Bild: ZvG

Vom Sprayer zum Karrierefall

Angesichts des möglichen Strafmasses von bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug, das auf Sachbeschädigung steht, kann man es S. nicht verdenken. Hat er ausser Tags noch anderes auf dem Kerbholz, dann «kämen noch weitere Strafbestände dazu, womit eine Freiheitsstrafe von bis zu siebeneinhalb Jahren möglich ist», sagt Lechner. Wie viel S. im Falle einer Verurteilung abbezahlen müsste, lässt sich schwer berechnen. Das hängt davon ab, wofür er verurteilt würde und wie viele Geschädigte ihre Zivilansprüche allenfalls durch wie viele Instanzen boxen. 

Zumindest vorerst ist S. vor Lechner und der Zürcher Justiz noch sicher. Solange er im Ausland ist, kann das Verfahren in der Schweiz nicht abgeschlossen werden und Lechner hat bis heute Freitag noch keinen Kontakt mit der Wiener Polizei hergestellt. «Wien könnte ein Strafübernahmebegehren stellen, damit Puber in der Schweiz auch für seine österreichischen Taten abgeurteilt wird», sagt Lechner. Angesichts von S. Prominenz ist allerdings eher mit einem Seilziehen um den Fall zu rechnen. Denn S. ist jetzt nicht mehr nur einer der berüchtigsten, sondern auch einer der bekanntesten Sprayer Europas. 

Und damit ein erstklassiger Karrierefall für jeden Staatsanwalt. 

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